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Das lern' an deiner Königin !-Nichts weiter!
Lebt wohl! Lebt wohl! Lebt ewig wohl!

(Sie wendet sich schnell von ihnen, alle bis auf Melvil, entfernen sich.)

16.

CHOR AUS DER BRAUT VON MESSINA.

Ungleich vertheilt sind des Lebens Güter
Unter der Menschen flüchtgem Geschlecht,
Aber die Natur, sie ist ewig gerecht.

Uns verlieh sie das Mark und die Fülle,
Die sich immer erneuend erschafft,
Jenen ward der gewaltige Wille
Und die unzerbrechliche Kraft.
Mit der furchtbaren Stärke gerüstet,
Führen sie aus, was dem Herzen gelüstet.
Füllen die Erde mit mächtigem Schall,
Aber hinter den grossen Höhen
Folgt auch der tiefe, der donnernde Fall.

Darum lob' ich mir, niedrig zu stehen,
Mich verbergend in meiner Schwäche !
Jene gewaltigen Wetterbäche,

Aus des Hagels unendlichen Schlossen,
Aus den Wolkenbrüchen zusammen geflossen,
Kommen finster gerauscht und geschossen,
Reissen die Brücken und reissen die Dämme
Donnernd mit fort im Wogengeschwemme,
Nichts ist, das die gewaltigen hemme.
Doch nur der Augenblik hat sie gebohren,
Ihres Laufes furchtbare Spur

Geht verrinnend im Sande verloren,

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Die Zerstörung verkündigt sie nur.

-Die fremden Eroberer kommen und gehen,
Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen.

17.

AUS: UEBER NAIVE UND SENTIMENTALISCHE DICHTUNG.

Da der Realist durch die Nothwendigkeit der Natur sich bestimmen lässt, der Idealist durch die Nothwendigkeit der Vernunft sich bestimmt, so muss zwischen beyden dasselbe Verhältniss Statt finden, welches zwischen den Wirkungen der Natur und den Handlungen der Vernunft angetroffen wird. Die Natur, wissen wir, obgleich eine unendliche Grösse im Ganzen, zeigt sich in jeder einzelnen Wirkung abhängig und bedürftig; nur in dem All ihrer Erscheinungen drückt sie einen selbstständigen grossen Charakter 10 aus. Alles individuelle in ihr ist nur desswegen, weil etwas anderes ist; nichts springt aus sich selbst, alles nur aus dem vorhergehenden Moment hervor, um zu einem folgenden zu führen. Aber eben diese gegenseitige Beziehung der Erscheinungen auf einander sichert einer jeden das Daseyn durch das Daseyn der andern, und von der Abhängigkeit ihrer Wirkungen ist die Stätigkeit und Nothwendigkeit derselben unzertrennlich. Nichts ist frey in der Natur, aber auch nichts ist willkührlich in derselben.

Und gerade so zeigt sich der Realist, sowohl in seinem Wissen als in seinem Thun. Auf alles, was bedingungsweise existiert, 20 erstreckt sich der Kreis seines Wissens nnd Wirkens, aber nie bringt er es auch weiter als zu bedingten Erkenntnissen, und die Regeln, die er sich aus einzelnen Erfahrungen bildet, gelten in ihrer ganzen Strenge genommen, auch nur Einmal; erhebt er die Regel des Augenblicks zu einem allgemeinen Gesetz, so wird er sich unausbleiblich in Irrthum stürzen. Will daher der Realist in seinem Wissen zu etwas unbedingtem gelangen, so muss er es auf dem nehmlichen Wege versuchen, auf dem die Natur ein unendliches wird, nehmlich auf dem Wege des Ganzen und in dem All der Erfahrung. Da aber die Summe der Erfahrung nie völlig ab- 30 geschlossen wird, so ist eine comparative Allgemeinheit das höchste, was der Realist in seinem Wissen erreicht. Auf die Wiederkehr ähnlicher Fälle baut er seine Einsicht, und wird daher richtig urtheilen in allem, was in der Ordnung ist; in allem hingegen, was zum erstenmal sich darstellt, kehrt seine Weissheit zu ihrem Anfang zurück,

Was von dem Wissen des Realisten gilt, das gilt auch von seinem (moralischen) Handeln. Sein Charakter hat Moralität, aber diese liegt, ihrem reinen Begriffe nach, in keiner einzelnen That, nur in der ganzen Summe seines Lebens. In jedem besondern Fall wird er durch äusre Ursachen und durch äusre Zwecke bestimmt werden; nur dass jene Ursachen nicht zufällig, jene Zwecke nicht augenblicklich sind, sondern aus dem Naturganzen subjektiv fliessen, und auf dasselbe sich objektiv beziehen. Die Antriebe seines Willens sind also zwar in rigoristischem Sinne weder frey genug, noch moralisch lauter genug, weil sie etwas anders als den blossen 10 Willen zu ihrer Ursache und etwas anders als das blosse Gesetz zu ihrem Gegenstand haben; aber es sind eben so wenig blinde und materialistische Antriebe, weil dieses andre das absolute Ganze der Natur, folglich etwas selbstständiges und nothwendiges ist. So zeigt sich der gemeine Menschenverstand, der vorzügliche Antheil des Realisten, durchgängig im Denken und im Betragen. Aus dem einzelnen Falle schöpft er die Regel seines Urtheils, aus einer innern Empfindung die Regel seines Thuns; aber mit glücklichem Instinkt weiss er von beyden alles Momentane und Zufällige zu scheiden. Bey dieser Methode fährt er im Ganzen vortreflich und 20 wird schwerlich einen bedeutenden Fehler sich vorzuwerfen haben; nur auf Grösse und Würde möchte er in keinem besondern Fall Anspruch machen können. Diese ist nur der Preiss der Selbstständigkeit und Freyheit, und davon sehen wir in seinen einzelnen Handlungen zu wenige Spuren.

Ganz anders verhält es sich mit dem Idealisten, der aus sich selbst und aus der blossen Vernunft seine Erkenntnisse und Motive nimmt. Wenn die Natur in ihren einzelnen Wirkungen immer abhängig und beschränkt erscheint, so legt die Vernunft den Charakter der Selbstständigkeit und Vollendung gleich in jede ein- 30 zelne Handlung. Aus sich selbst schöpft sie alles, und auf sich selbst bezieht sie alles. Was durch sie geschieht, geschieht nur um ihrentwillen; eine absolute Grösse ist jeder Begriff den sie aufstellt, und jeder Entschluss den sie bestimmt. Und eben so zeigt sich auch der Idealist, so weit er diesen Nahmen mit Recht führt, in seinem Wissen, wie in seinem Thun. Nicht mit Erkenntnissen zufrieden, die bloss unter bestimmten Voraussetzungen gültig

sind, sucht er biss zu Wahrheiten zu dringen, die nichts mehr voraussetzen und die Voraussetzung von allem andern sind. Ihn befriedigt nur die philosophische Einsicht, welche alles bedingte Wissen auf ein unbedingtes zurückführt, und an dem Nothwendigen in dem menschlichen Geist alle Erfahrung bevestiget; die Dinge, denen der Realist sein Denken unterwirft, muss Er Sich, seinem Denkvermögen unterwerfen. Und er verfährt hierinn mit völliger Befugniss, denn wenn die Gesetze des menschlichen Geistes nicht auch zugleich die Weltgesetze wären, wenn die Vernunft endlich selbst unter der Erfahrung stünde, so würde auch keine Erfahrung 10 möglich seyn.

Aber er kann es biss zu absoluten Wahrheiten gebracht haben, und dennoch in seinen Kenntnissen dadurch nicht viel gefördert seyn. Denn alles freylich steht zuletzt unter nothwendigen und allgemeinen Gesetzen, aber nach zufälligen und besondern Regeln wird jedes einzelne regiert; und in der Natur ist alles einzeln. Er kann also mit seinem philosophischen Wissen des Ganze beherrschen, und für das Besondre, für die Ausübung, dadurch nichts gewonnen haben: ja, indem er überal auf die obersten Gründe dringt, durch die alles möglich wird, kann er die nächsten Gründe, durch die alles 20 wirklich wird, leicht versäumen; indem er überal auf das Allgemeine sein Augenmerk richtet, welches die verschiedensten Fälle einander gleich macht, kann er leicht das besondre vernachlässigen wodurch sie sich von einander unterscheiden. Er wird also sehr viel mit seinem Wissen umfassen können, und vielleicht eben desswegen wenig fassen, und oft an Einsicht verlieren, was er an Uebersicht gewinnt. Daher kommt es, dass, wenn der speculative Verstand den gemeinen um seiner Beschränktheit willen verachtet, der gemeine Verstand den speculativen seiner Leerheit wegen verlacht; denn die Erkenntnisse verlieren immer an 30 bestimmtem Gehalt, was sie an Umfang gewinnen.

In der moralischen Beurtheilung wird man bey dem Idealisten eine reinere Moralität im Einzelnen, aber weit weniger moralische Gleichförmigkeit im Ganzen, finden. Da er nur in so fern Idealist heisst, als er aus reiner Vernunft seine Bestimmungsgründe nimmt, die Vernunft aber in jeder ihrer Aeuserungen sich absolut beweisst, so tragen schon seine einzelnen Handlungen, sobald sie

überhaupt nur moralisch sind, den ganzen Charakter moralischer Selbstständigkeit und Freyheit, und giebt es überhaupt nur im wirklichen Leben eine wahrhaft sittliche That, die es auch vor einem rigoristischen Urtheil bliebe, so kann sie nur von dem Idealisten ausgeübt werden. Aber je reiner die Sittlichkeit seiner einzelnen Handlungen ist, desto zufälliger ist sie auch; denn Stätigkeit und Nothwendigkeit ist zwar der Charakter der Natur aber nicht der Freyheit. Nicht zwar, als ob der Idealism mit der Sittlichkeit je in Streit gerathen könnte, welches sich widerspricht; sondern weil die menschliche Natur eines consequenten Idealism gar nicht fähig ist. 10 Wenn sich der Realist, auch in seinem moralischen Handeln, einer physischen Nothwendigkeit ruhig und gleichförmig unterordnet, so muss der Idealist einen Schwung nehmen, er muss augenblicklich seine Natur exaltieren, und er vermag nichts, als insofern er begeistert ist. Alsdann freylich vermag er auch desto mehr, und sein Betragen wird einen Charakter von Hoheit und Grösse zeigen, den man in den Handlungen des Realisten vergeblich sucht. Aber das wirkliche Leben ist keineswegs geschickt, jene Begeisterung in ihm zu wecken und noch viel weniger sie gleichförmig zu nähren. Gegen das Absolutgrosse, von dem er jedesmal ausgeht, macht das 20 Absolutkleine des einzelnen Falles, auf den er es anzuwenden hat, einen gar zu starken Absatz. Weil sein Wille der Form nach immer auf das Ganze gerichtet ist, so will er ihn, der Materie nach, nicht auf Bruchstücke richten, und doch sind es mehrentheils nur geringfügige Leistungen, wodurch er seine moralische Gesinnung beweisen kann. So geschieht es denn nicht selten, dass er über dem unbegrenzten Ideale den begrenzten Fall der Anwendung übersiehet, und von einem Maximum erfüllt, das Minimum verabsäumt, aus dem allein doch alles Grosse in der Wirklichkeit erwächst.

Will man also dem Realisten Gerechtigkeit wiederfahren lassen, so muss man ihn nach dem ganzen Zusammenhang seines Lebens richten; will man sie dem Idealisten erweisen, so muss man sich an einzelne Aeusserungen desselben halten, aber man muss diese erst herauswählen. Das gemeine Urtheil, welches so gern nach dem einzelnen entscheidet, wird daher über den Realisten gleichgültig schweigen, weil seine einzelnen Lebensakte gleich wenig

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