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Nah an der heiligen Stadt, die sich jetzt durch Blindheit entweihte,

Und die Krone der hohen Erwählung unwissend hinwegwarf,
Sonst die Stadt der Herrlichkeit Gottes, der heiligen Väter
Pflegerin, jetzt ein Altar des Bluts vergossen von Mördern;
Hier wars, wo der Messias von einem Volke sich losriss,
Das zwar jetzt ihn verehrte, doch nicht mit jener Empfindung,
Die untadelhaft bleibt vor dem schauenden Auge der Gottheit.
Jesus verbarg sich diesen Entweihten. Zwar lagen hier Palmen
Vom begleitenden Volk; zwar klang dort ihr lautes Hosanna ;
Aber umsonst. Sie kannten ihn nicht, den König sie nennten, 10
Und, den Gesegneten Gottes zu sehn, war ihr Auge zu dunkel.
Gott kam selbst von dem Himmel herab. Die gewaltige Stimme :
Sieh, ich hab' ihn verklärt, und will ihn von neuem verklären !
War die Verkündigerin der gegenwärtigen Gottheit.
Aber sie waren, Gott zu verstehn, zu niedrige Sünder.
Unterdess nahte sich Jesus dem Vater, der wegen des Volkes,
Dem die Stimme geschah, mit Zorn zu dem Himmel hinaufstieg.
Denn noch Einmal wollte der Sohn des Bundes Entschliessung,
Seine Menschen zu retten, dem Vater feyerlich kund thun.
Gegen die östliche Seite Jerusalems liegt ein Gebirge,
Welches auf seinem Gipfel schon oft den göttlichen Mittler,
Wie in das Heilige Gottes, verbarg, wenn er einsame Nächte
Unter des Vaters Anschaun ernst in Gebeten durchwachte.
Jesus ging nach diesem Gebirg. Der fromme Johannes
Er nur folgt' ihm dahin bis an die Gräber der Seher,
Wie sein göttlicher Freund, die Nacht in Gebete zu bleiben.
Und der Mittler erhub sich von dort zu dem Gipfel des Berges.
Da umgab von dem hohen Moria ihn Schimmer der Opfer,
Die den ewigen Vater noch jetzt in Bilde versöhnten.
Ringsum nahmen ihn Palmen ins Kühle. Gelindere Lüfte,
Gleich dem Säuseln der Gegenwart Gottes, umflossen sein Antlitz.
Und der Seraph, der Jesus zum Dienst' auf der Erde gesandt war,
Gabriel nennen die Himmlischen ihn, stand feyrend am Eingang
Zwoer umdufteter Cedern, und dachte dem Heile der Menschen,
Und dem Triumphe der Ewigkeit nach, als jetzt der Erlöser
Seinem Vater entgegen vor ihm in Stillem vorbeyging.

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Gabriel wusste, dass nun die Zeit der Erlösung herankam.
Diese Betrachtung entzückt' ihn, er sprach mit leiserer Stimme:
Willst du die Nacht, o Göttlicher, hier in Gebete durchwachen?
Oder verlangt dein ermüdeter Leib nach seiner Erquickung?
Soll ich zu deinem unsterblichen Haupt ein Lager bereiten?
Siehe, schon streckt der Sprössling der Ceder den grünenden Arm

aus,

Und die weiche Staude des Balsams. Am Grabe der Seher
Wächst dort unten ruhiges Moos in der kühlenden Erde.
Soll ich davon, o Göttlicher, dir ein Lager bereiten?
Ach wie bist du, Erlöser, ermüdet! Wie viel erträgst du
Hier auf der Erd', aus inniger Liebe zu Adams Geschlechte!
Gabriel sagts. Der Mittler belohnt ihn mit segnenden Blicken,
Steht voll Ernst auf der Höhe des Bergs am näheren Himmel.
Dort war Gott. Dort betet' er. Unter ihm tönte die Erde,
Und ein wandelndes Jauchzen durchdrang die Pforten des Ab-
grunds,

IO

Als sie von ihm tief unten die mächtige Stimme vernahmen.
Denn sie war es nicht mehr des Fluches Stimme, die Stimme
Angekündet in Sturm, und in donnerndem Wetter gesprochen,
Welche die Erde vernahm. Sie hörte des Segnenden Rede,
Der mit unsterblicher Schöne sie einst zu verneuen beschlossen. 20
Ringsum lagen die Hügel in lieblicher Abenddämmrung,
Gleich als blühten sie wieder, nach Edens Bilde geschaffen.
Jesus redete. Er, und der Vater durchschauten den Inhalt
Gränzlos; diess nur vermag des Menschen Stimme zu sagen:
Göttlicher Vater, die Tage des Heils, und des ewigen Bundes
Nahen sich mir, die Tage zu grösseren Werken erkohren,
Als die Schöpfung, die du mit deinem Sohne vollbrachtest.
Sie verklären sich mir so schön und herrlich, als damals,
Da wir der Zeiten Reih durchschauten, die Tage der Zukunft,
Durch mein göttliches Schaun bezeichnet, und glänzender sahen. 30
Dir nur ist es bekannt, mit was vor Einmuth wir damals,

Du, mein Vater, und ich, und der Geist die Erlösung beschlos

sen.

In der Stille der Ewigkeit, einsam, und ohne Geschöpfe,
Waren wir bey einander. Voll unsrer göttlichen Liebe,

Sahen wir auf die Menschen, die noch nicht waren, herunter.
Edens selige Kinder, ach unsre Geschöpfe, wie elend
Waren sie, sonst unsterblich, nun Staub, und entstellt von der

Sünde !

Vater, ich sah ihr Elend, du meine Thränen. Da sprachst du : Lasset der Gottheit Bild in dem Menschen von neuem uns

schaffen !

Also beschlossen wir unser Geheimniss, das Blut der Versöh

nung,

Und die Schöpfung der Menschen verneut zu dem ewigen Bilde !
Hier erkohr ich mich selbst, die göttliche That zu vollenden.
Ewiger Vater, das weisst du, das wissen die Himmel, wie innig
Mich seit diesem Entschluss nach meiner Erniedrung verlangte! 10
Erde, wie oft warst du, in deiner niedrigen Ferne,
Mein erwähltes, geliebteres Augenmerk! Und o Kanan,
Heiliges Land, wie oft hing unverwendet mein Auge

An dem Hügel, den ich von des Bundes Blute schon voll sah!
Und wie bebt mir mein Herz von süssen, wallenden Freuden,
Dass ich so lange schon Mensch bin, dass schon so viele Ge-
rechte

Sich mir sammeln, und nun bald alle Geschlechte der Menschen Mir sich heiligen werden! Hier lieg' ich, göttlicher Vater, Noch nach deinem Bilde geschmückt mit den Zügen der Mensch

heit,

Betend vor dir; bald aber, ach bald wird dein tödtend Gericht mich 20
Blutig entstellen, und unter den Staub der Todten begraben.
Schon, o Richter der Welt, schon hör' ich fern dich, und einsam
Kommen, und unerbittlich in deinen Himmeln dahergehn.
Schon durchdringt mich ein Schauer dem ganzen Geisterge-

schlechte

Unempfindbar, und wenn du sie auch mit dem Zorne der Gottheit Tödtetest, unempfindbar! Ich seh den nächtlichen Garten Schon vor mir liegen, sinke vor dir in niedrigen Staub hin, Lieg', und bet', und winde mich, Vater, in Todesschweisse. Siehe, da bin ich, mein Vater. Ich will des Allmächtigen Zürnen, Deine Gerichte will ich mit tiefem Gehorsam ertragen.

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Du bist ewig! Kein endlicher Geist hat das Zürnen der Gottheit,
Keiner je, den Unendlichen tödtend mit ewigem Tode,

Ganz gedacht, und keiner empfunden. Gott nur vermochte
Gott zu versöhnen. Erhebe dich, Richter der Welt! Hier bin ich!
Tödte mich, nimm mein ewiges Opfer zu deiner Versöhnung.
Noch bin ich frey, noch kann ich dich bitten; so thut sich der
Himmel

Mit Myriaden von Seraphim auf, und führet mich jauchzend,
Vater, zurück in Triumph zu deinem erhabenen Throne!

Aber ich will leiden, was keine Seraphim fassen,

Was kein denkender Cherub in tiefen Betrachtungen einsieht; IO Ich will leiden, den furchtbarsten Tod ich Ewiger leiden!

Weiter sagt' er, und sprach: Ich hebe gen Himmel mein Haupt auf,

Meine Hand in die Wolken, und schwöre dir bey mir selber,
Der ich Gott bin, wie du: Ich will die Menschen erlösen.

Jesus sprachs, und erhub sich. In seinem Antlitz war Hoheit, Seelenruh, und Ernst, und Erbarmung, als er vor Gott stand. Aber unhörbar den Engeln, nur sich und dem Sohne vernommen,

Sprach der ewige Vater, und wandte sein schauendes Antlitz
Nach dem Versöhner hin: Ich breite mein Haupt durch die
Himmel,

Meinen Arm aus durch die Unendlichkeit, sage: Ich bin
Ewig! und schwöre dir, Sohn: Ich will die Sünde vergeben.
Also sprach er, und schwieg. Indem die Ewigen sprachen,
Ging durch die ganze Natur ein ehrfurchtvolles Erbeben.
Seelen, die jetzo wurden, noch nicht zu denken begannen,
Zitterten, und empfanden zuerst. Ein gewaltiger Schauer
Fasste den Seraph, ihm schlug sein Herz, und um ihn lag war-
tend,

Wie vor dem nahen Gewitter die Erde, sein schweigender Weltkreis..

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Sanftes Entzücken kam allein in der künftigen Christen
Seelen, und süssbetäubend Gefühl des ewigen Lebens.
Aber sinnlos, und zur Verzweiflung nur noch empfindlich,
Sinnlos, wider Gott was zu denken, entstürzten im Abgrund

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Ihren Thronen die Geister der Hölle. Da jeder dahinsank,
Stürzt auf jeden ein Fels, brach unter jedem die Tiefe
Ungestüm ein, und donnernd erklang die unterste Hölle.
Jesus stand noch vor Gott; und jetzt begannen die Leiden
Seiner Erlösung, ein Vorgefühl, so in furchtbarer Nähe

Gränzt' an das wirkliche: Wie, ihn zu richten, Gott von des Throns Höhn

Kommen, mit Schuld ihn belasten der Spruch der verworfensten
Menschen,

Er, mit Blute beströmt, den Tod der Kreuzigung sterben
Würd' auf Golgatha. Gabriel lag in der Fern' auf dem Antlitz
Tiefanbetend, von neuen Gedanken mächtig erhoben.
Seit den Jahrhunderten, die er durchlebt, so lang' als die Seele
Sich die Ewigkeit denkt, wenn sie dem Leib' in Gedanken
Schnelles Fluges entfleugt, seit diesen Jahrhunderten hatt' er
So erhabne Gedanken noch nie empfunden. Die Gottheit,
Ihre Versöhnten, die ewige Liebe des göttlichen Mittlers,
Alles eröffnet sich ihm. Gott bildete diese Gedanken

In des Unsterblichen Geiste. Der Ewige dachte sich jetzo,
Als den Erbarmer erschaffner Wesen. Der Seraph erhub sich,
Stand, und erstaunt', und betet', und unaussprechliche Freuden
Zitterten durch sein Herz, und Licht und blendendes Glänzen
Ging von ihm aus. Die Erde zerfloss in himmlische Schimmer
Unter ihm hin, so dacht' er. Ihn sah der göttliche Mittler,
Dass er den Gipfel des ganzen Gebirgs mit Klarheit erfüllte.
Gabriel, rief er, hülle dich ein, du dienst mir auf Erden!
Mache dich auf, diess Gebet vor meinen Vater zu bringen,
Dass die edelsten unter den Menschen, die seligen Väter,
Dass der versammelte Himmel der Zeiten Fülle vernehme,
Die er mit innigem, heissem Verlangen verlangte. Dort leuchte,
Als der Gesendete Jesus, des Mittlers, im Glanze der Engel!

IO

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Schweigend, mit göttlichheitrer Geberd', erhub sich der Seraph. 30 Jesus schaut' ihm vom Oelberg nach. Der Göttliche sah schon, Was der Seraph that, an dem Throne der Herrlichkeit Gottes, Eh der eilende noch des Himmels Sonnen erreichte.

Jetzo erhuben sich neue, geheimnissvolle Gespräche Zwischen ihm und dem Ewigen, schicksalenthüllendes Inhalts,

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