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Lache nicht diessmal, Zeus, der frechgebrochenen Schwüre!

Donnere schrecklicher! Triff!-Halte die Blitze zurück! Sende die schwankenden Wolken mir nach! Im nächtlichen Dunkel

Treffe dein leuchtender Blitz diesen unglücklichen Mast! Streue die Planken umher, und gib der tobenden Welle Diese Waaren, und mich gib den Delphinen zum RaubNun, ihr Musen, genug! Vergebens strebt ihr zu schildern, Wie sich Jammer und Glück wechseln in liebender Brust. Heilen könnet die Wunden ihr nicht, die Amor geschlagen; Aber Linderung kommt einzig, ihr Guten, von euch.

29. MIGNON.

ΙΟ

I.

Kennst du das Land, wo die Citronen blühn,
Im dunkeln Laub die Gold-Orangen glühn,
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,
Kennst du es wohl?

Dahin! Dahin

Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, ziehn.

Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,
Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,
Und Marmorbilder stehn und sehn mich an:
Was hat man dir, du armes Kind, gethan?
Kennst du es wohl?

Dahin! Dahin

Möcht' ich mit dir, o mein Beschützer, ziehn.
Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?
Das Maulthier sucht im Nebel seinen Weg;
In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;
Es stürzt der Fels und über ihn die Fluth.
Kennst du ihn wohl?

Dahin! Dahin

Geht unser Weg! o Vater, lass uns ziehn!

20

30

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30.

HARFENSPIELER.

Wer nie sein Brod mit Thränen ass,

Wer nie die kummervollen Nächte

Auf seinem Bette weinend sass,

Der kennt euch nicht, ihr himmlischen Mächte!

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32.

EPIGRAMME.

(Venedig 1790.)

7.

Eine Liebe hatt' ich, sie war mir lieber als alles!

Aber ich hab' sie nicht mehr! Schweig', und ertrag' den Verlust!

28.

Welch ein Mädchen ich wünsche zu haben? Ihr fragt mich. Ich hab' sie,

Wie ich sie wünsche, das heisst, dünkt mich, mit Wenigem Viel. An dem Meere ging ich, und suchte mir Muscheln. In einer Fand ich ein Perlchen; es bleibt nun mir am Herzen verwahrt.

34.

Klein ist unter den Fürsten Germaniens freilich der meine;
Kurz und schmal ist sein Land, mässig nur, was er vermag.
Aber so wende nach innen, so wende nach aussen die Kräfte
Jeder; da wär's ein Fest, Deutscher mit Deutschen zu seyn. IO
Doch was priesest du Ihn, den Thaten und Werke verkünden ?
Und bestochen erschien deine Verehrung vielleicht ;
Denn mir hat er gegeben, was Grosse selten gewähren,
Neigung, Musse, Vertraun, Felder und Garten und Haus.
Niemand braucht' ich zu danken als ihm, und Manches bedurft' ich,
Der ich mich auf den Erwerb schlecht, als ein Dichter verstand.
Hat mich Europa gelobt, was hat mir Europa gegeben?
Nichts! Ich habe, wie schwer! meine Gedichte bezahlt.
Deutschland ahmte mich nach, und Frankreich mochte mich lesen.
England! freundlich empfingst du den zerrütteten Gast.
Doch was fördert es mich, dass auch sogar der Chinese
Mahlet, mit ängstlicher Hand, Werthern und Lotten auf Glas?
Niemals frug ein Kaiser nach mir, es hat sich kein König
Um mich bekümmert, und Er war mir August und Mäcen.

77.

Mit Botanik gibst du dich ab? mit Optik? Was thust du?
Ist es nicht schönrer Gewinn, rühren ein zärtliches Herz?

20

Ach! die zärtlichen Herzen! Ein Pfuscher vermag sie zu rühren; Sey es mein einziges Glück, dich zu berühren, Natur!

78.

Weiss hat Newton gemacht aus allen Farben. Gar Manches
Hat er euch weis gemacht, das ihr ein Säculum glaubt.

92.

Sage, wie lebst du? Ich lebe! und wären hundert und hundert Jahre dem Menschen gegönnt, wünscht' ich mir morgen, wie heut.

93.

Götter, wie soll ich euch danken! Ihr habt mir alles gegeben,
Was der Mensch sich erfleht; nur in der Regel fast nichts.

33. XENIEN.

Moralische Zwecke der Poesie.

Bessern, bessern soll uns der Dichter!' So darf denn auf eurem Rücken des Büttels Stock nicht einen Augenblick ruhn?

An die Obern.

Immer bellt man auf euch; bleibt sitzen! es wünschen die Beller Jene Plätze, wo man ruhig das Bellen vernimmt.

Martial.

Xenien nennet ihr euch? Ihr gebt euch für Küchenpräsente?
Isst man denn, mit Vergunst, spanischen Pfeffer bei euch?

Xenien.

Nicht doch! Aber es schwächten die vielen wäss'rigen Speisen So den Magen, dass jetzt Pfeffer und Wermuth nur hilft.

34.

AUS REINEKE FUCHS.

Zweyter Gesang.

Also wandelte Braun, auf seinem Weg zum Gebirge, Stolzen Muthes dahin, durch eine Wüste die gross war,

ΙΟ

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