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Geschweige, dass er sich bemühte einzusehen,
Auf was für einem Grund die Trauer-Spiele stehen,
Was ihre Kunst befiehlt, was sie für Reglen liebt,

Was sie für Art und Mass dem Ding und Umstand giebt.
Er wusste nicht, dass sie von viel verschiednen Stücken,
Die künstlich eingelegt sich fein zusammen schicken,
Nur ein Gewebe webt, nur einen Cörper schleusst,
An welchem jedes Glied nett in das andre fleusst,
Der ungeheuer wird, wie Missgeburten lassen,
Wann alle Theile nicht genau zusammen passen.
Ein zorniges Gestirn hat Waldau1 hergebracht,
Der Schlessischen Marin 2, der frech und unbedacht,
Von Opitz sichrem Gleiss begunte auszugleiten,
Er wandte sich von ihm, jedoch zur lincken Seiten,
Und sah sich unverwarnt auf einem duncklen Weg,
Lieff in der Irr herum, durch Dornbusch und Gehäg,
Nach einem falschen Schein. Er ward zuerst verleitet,
Hernach verführt' er selbst; Sein Irrthum ward verbreitet,
Und steckte Teutschland an, dass bis auf diesen Tag
Der Schuler sich davon nicht leicht befreyen mag.
Ihm fehlt' es an Verstand, den Geist geschickt zu lencken,
Und in die Fabel selbst der Wahrheit Schein zu sencken,
Das schönste, zierlichste, von Bildern einzusehn
Und was gemein und schlecht mit Fleiss vorbeyzugehn.
Bey ihm bekam der Geist den Rang vor dem Verstande,
Dass er an Wahrheit statt ein Sinnen-Spiel erfande,
Und auf wahrscheinliches, das noch erträglich war,
Umstände bauete, die falsch sind offenbahr.
Er pflanzt Metaphoren aus metaphorschen Worten.
Hier wird er ungereimt, und unerträglich dorten.
Hat er einst für ein Ding ein ähnlich Bild erdacht,
Und statt des rechten Worts ein fremdes angebracht,
Was dann vor Sachen sich im Bilde nur eräugnen3,
Die hält er sich befugt dem Urbild zuzueignen,
Gesetzt dass sie sich nur in einem ähnlich seyn,
Gesetzt sie haben sonst zusammen nichts gemein;
1 Hoffmannswaldau.
2 Marino.

3 ereignen, zeigen.

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Ist stets an Tropis reich, wann er sie stets vergeudet
Und ohne Ziel und Mass das Ding und Wort verkleidet.
Er hüllet die Begriff in Gleichniss und Figur,

Als einen Kercker ein, verbirgt uns die Natur,

Und meidt die Deutlichkeit, die uns nichts fremdes bringet,
Die uns mit Bantams Wahr1 nicht in Verwundrung singet.
Mit solchem falschen Witz düngt Hofmann sein Gedicht,
Und weis't wie Janus Kopf ein doppeltes Gesicht.
Indessen prangť' er hoch mit dem gemischten Witze
Und setzte sich voll Wahn auf des Parnassus Spitze.
Bewundrer fehlten nicht; der hochgefärbte Schein
Nahm bald das junge Volck von leichten Sinnen ein.
Den Lohenstein zuerst, der von dem Neid besessen
Den Krantz ihm von dem Haubt zu reissen sich vermessen,
Und in dem Eifer-Streit, zu seiner eignen Schand,
(Verlust war ruhmlicher) unglücklich überwand.

Er braucht ein Gleichniss nicht zu einem Leitungs-Faden,
Nein, sondern nur den Kopf der Bürde zu entladen,
Wormit die Wissenschafft, die drinnen ungeschickt
Auf einem Hauffen liegt, die schwache Hirnschal drückt.
Und was noch fremder ist, er brauchts zu überführen,
Den zweiflenden Verstand dadurch mit Macht zu rühren,
Obs gleich nicht auf dem Grund einförmger Sachen ruht,
Wie ein unstreitiges bekanntes Beyspiel thut.

Es ist ein leichtes Ding dergleichen umzukehren,
Sich darmit wieder den, der sie erfand, zu wehren.
Ein solches Gleichniss ist vielmehr ein Ungleichniss,
Und fället einen Mann mit seinem eignen Spiess.
Nach solchen nur allein ist Lohsteins Sinn gerichtet,
Es sey, dass er ein Spiel von Traurenden erdichtet,
Das in dem innersten das Hertz erschüttern soll,
So ists an Seufzer statt von Gleichniss-Wörtern voll;
Es sey, dass Marc-Anton, dass Sophonisba sprechen,
Pflegt unterm Umhang stets er selbst hervorzustechen.
Sie zeigen Lohensteins gelehrte Schul-Figur

In seiner eigenen unlaugbaren Natur.

1 mit indischen Kostbarkeiten, orientalischen Vergleichungen.

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Als seine dunckle Sprach' in Kissling-harten1 Thönen
Auf dem Parnass erklang, erschracken die Camönen,
Die Furcht ergriffe sie, dass Meister Klingsohr käm,
Und einen Überfall des Berges unternähm.

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Sie flohen Schrecken-voll auf dessen beyde Spitzen
Und liessen Lohenstein in seinen Sümpfen sitzen.

Mit Lobsteins Wissenschaft, doch sittsamer an Geist,
Kam Postel an den Fluss, der vom Parnassus fleusst,
Homer, Euripides, nebst dem Virgil und Tassen,

Und andre Dichter mehr, die an dem Huf-Quell sassen,
Entzündten sein Gemüth, und führten ihm die Hand;
Umsonst, dieweil ihm Bley gefesselt den Verstand.
Er hat den Gratien kein Opfer abgeschlachtet,
Und ihre holde Macht aus Kaltsinn nur verachtet.
Der Dinge gleiche Reyh und wohl-gestimmte Welt,
Die Tasso nach Homer schön in einander hält,
Hat Postel aufgelösst, das Theil vom Theil getrennet,
Dass jedes wiederum im ersten Chaos rennet.
Was dorten Wage-Recht nach Spur und Bleymass steht,
Sich nach Gesetzen fügt und sondert, kommt und geht,
Verliehrt hier Spuhr und Ziel. Man geb ihm Ottoberten",
Von Hochbergs albern Sohn, zum kleineren Gefehrten.
Auch du o Amthor bist von Lohsteins Stamm und Hauss
Ein nicht geringes Haubt, doch siehst du mager aus,
Wann sich dein kleiner Kopf mit Marons Helme decket;
Wie wann ein Liebes-Geck das welcke Haupt verstecket
In einen Wald von Haar. Die Stimm ist leiss und matt.
Wir greiffen lauter Schwulst und Wind an Fleisches statt
Diess sind die Häubter nun die weit und breit regierten,
Und eine lange Reyh auf ihren Irrthum führten,

1 hart wie Kieselstein.

2 Klinsor, ein im Wartburgkriege erwähnter Dichter. * Christian Heinrich Postel (1658-1705), Dichter und Übersetzer von Opern, epischen Gedichten u. s. w.; von Wernicke als Lohensteinianer angegriffen, von Hunold vertheidigt.

Wolf Helmhardt von Hochberg (1612-1686), verfasste einen poetischen Ritterroman 'Habsburgischer Ottobert', in demselben Stile als Postel's Grosser Wittekind'.

lyrischer Dichter, 1678-1721.

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Gepuztes, prächtigs Volck in güldenem Gewand,

Das mehr durch äussern Schein als durch Verdienst bekannt.
Doch die versaurte Stirn schien von verlohrnen Sorgen
Und Schul-Gelehrsamkeit manch tieffen Falt zu borgen.
Inzwischen aber blieb der Musen reine Schaar

Nicht an Verehrern bloss, ihr Tempel und Altar
Nicht unbesuchet stehn, ihr Quell und Berg nicht öde.
Es fehlte nicht an Kunst, Geschmack, und schöner Rede.
Man woge hier und dort mit Kunst-erfahrner Hand
Die Süssigkeit des Klangs und trifftigen Verstand.
Doch Musa lass uns auch der Dichter Nahmen wissen ;
Sie waren nur um Lob in deinem Dienst befliessen.
Zum ersten nennet sie, o freyer Caniz, dich,
Der von des Hofs Gedräng in sich hinein entwich,
Und mit gelindem Hohn der Narren sittsam lachte,
Ein höflicher Satyr, der philosophisch dachte

Und höflich lebete; sein Vers ist sanft und leicht,

Wiewol der Innhalt schwer; sein Grund nicht trüb und seicht.
Zween andre führt der Ruhm mit ihm auf einem Wagen,
Den hat uns Schlesien und den die Schweitz getragen.

Gib acht, wie der Affect in Günthers Rede blitzt,
Wiewohl ihn die Vernunft mit eisern Waffen schützt.
Wann er sein Elend klagt, muss jeder sich ergeben;

Nur um des Vaters Hertz musst' Ertz und Eisen schweben.
Sieh dann, wie Haller dort mit stark-gesetzten Muth
Verrätherische Blick ins Menschen Busen thut;

Und selbst auch der Vernunfft, die uns zu Menschen machet,
So wie der Tugenden und ihrer Ohnmacht lachet.

Ihr Stylus sticht hervor nach sehr besondrer Art.
Des Schlesiers ist starck, nachdrücklich, doch was hart,
Dieweil er stets ein Ding, das vor sich nicht bestehet,
Kein eignes Wesen hat und nur mit andren gehet,
Als was selbst-ständigs mahlt, mit Geist und Thun beseelt;
Gut wanns mit Maass geschicht. Wahr ist es, er erwehlt
Ein metaphor'sches Bild durch glücklichem Verstand
Von Landes-Ubungen, und weist des Künstlers Hand
Indem er Sprüchen selbst der Neuheit Anmuth borget,

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Und alles fällt ihm ein, und kömmt ihm unbesorget.
Des Schweitzers Schreibens-Art wird von Figuren licht,
Aus welchen ein Begriff hervor ans Taglicht bricht,
Worauf das Gleichniss-Wort, als seinem Grund bestehet,
Gleichwie der Erden Ball sich um die Axe drehet.
Bey ihm gab der Begriff den späthern Ausdruck her,
Und sein nicht leichter Vers ist von Gedancken schwer.
Wann dieses edle Paar die sanfte Lauten rühret,
Wird Klang und Harmonie durch Brust und Blut geführet ;
Dann zeugt sich holde Lust, und ein vergnügtes Thun,
Die Sorgen schlaffen ein, die schlimmen Wünsche ruhn.

JOH. WILH. LUDWIG GLEIM.

[Scherer, D. 419, E. II. 28.]

Geboren 1719 zu Ermsleben in Halberstadt, studierte die Rechte in Halle; nach verschiedenen Stellungen als Hauslehrer und Sekretär wurde er Kanonikus des Stiftes Walbeck in Halberstadt, starb 1803. Sein 'Versuch in scherzhaften Liedern', eine Sammlung anakreontischer Lieder erschien 1744. Am bekanntesten ist er durch seine Preussischen Kriegs. lieder von einem Grenadier,' zuerst 1757 und 1758 in Flugblättern und 1758 gesammelt mit einer Vorrede von Lessing erschienen. (Neudruck durch Sauer, Heilbronn 1882). Er zeichnete sich durch freundschaftliche Unterstützung jüngerer Talente aus. Seine sämmtlichen Werke herausgegeben von Körte, 7 Bde. (Halberstadt 1811-13), dazu 8 Thl. (Leipzig 1841).

I.

SIEGESLIED NACH DER SCHLACHT BEY PRAG.

Victoria! mit uns ist Gott,

Der stolze Feind liegt da!

Er liegt, gerecht ist unser Gott,

Er liegt, Victoria !

Zwar unser Vater ist nicht mehr,
Jedoch er starb ein Held,

Und sieht nun unser Siegesheer,

Vom hohen Sternenzelt.

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