Page images
PDF
EPUB

Martin. Wenn ihr gegessen und getrunken habt, seyd ihr wie neu geboren; seyd stärker, muthiger, geschickter zu euerm Geschäft. Der Wein erfreut des Menschen Herz, und die Freudigkeit ist die Mutter aller Tugenden. Wenn ihr Wein getrunken habt, seyd ihr alles doppelt was ihr seyn sollt, noch einmal so leicht denkend, noch einmal so unternehmend, noch einmal so schnell ausführend.

Götz. Wie ich ihn trinke, ist es wahr.

[blocks in formation]

Götz (zu Georg heimlich). Geh auf den Weg nach Dachsbach, 10 und leg' dich mit dem Ohr auf die Erde, ob du nicht Pferde kommen hörst, und sey gleich wieder hier.

Martin. Aber wir, wenn wir gegessen und getrunken haben, sind wir grad das Gegentheil von dem, was wir seyn sollen. Unsere schläfrige Verdauung stimmt den Kopf nach dem Magen, und in der Schwäche einer überfüllten Ruhe erzeugen sich Begierden, die ihrer Mutter leicht über den Kopf wachsen.

Götz. Ein Glas, Bruder Martin, wird euch nicht im Schlaf stören. Ihr seyd heute viel gegangen. (Bringt's ihm.) Alle Streiter!

Martin. In Gottes Namen! (Sie stossen an.) Ich kann die müssigen Leute nicht ausstehen; und doch kann ich nicht sagen, dass alle Mönche müssig sind; sie thun was sie können. Da komm' ich von St. Veit, wo ich die letzte Nacht schlief. Der Prior führte mich in den Garten; das ist nun ihr Bienenkorb. Vortrefflicher Salat! Kohl nach Herzens Lust! und besonders Blumenkohl und Artischocken, wie keine in Europa!

Götz. Das ist also eure Sache nicht. (Er steht auf, sieht nach dem Jungen und kommt wieder.)

20

Martin. Wollte, Gott hätte mich zum Gärtner oder Laboranten 30 gemacht! Ich könnte glücklich seyn. Mein Abt liebt mich, mein Kloster ist Erfurt in Sachsen ; er weiss, ich kann nicht ruhn; da schickt er mich herum, wo was zu betreiben ist. Ich geh' zum Bischof von Constanz.

Götz. Noch Eins! Gute Verrichtung!

Martin. Gleichfalls.

Götz. Was seht ihr mich so an, Bruder?

Martin. Dass ich in euren Harnisch verliebt bin.

Götz.

Hättet ihr Lust zu einem? Es ist schwer und beschwer

lich ihn zu tragen.

Martin. Was ist nicht beschwerlich auf dieser Welt! und mir kommt nichts beschwerlicher vor als nicht Mensch seyn dürfen. Armuth, Keuschheit und Gehorsam-drey Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das Unausstehlichste scheint, so unerträglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last, oder der weit drückendern Bürde des Gewissens muthlos zu keuchen! O Herr! was sind die Mühseligkeiten eures Lebens gegen die 10 Jämmerlichkeiten eines Standes, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus missverstandener Begierde Gott näher zu rücken, verdammt?

Götz. Wär euer Gelübde nicht so heilig, ich wollte euch bereden einen Harnisch anzulegen, wollt' euch ein Pferd geben, und wir zögen mit einander.

Martin. Wollte Gott, meine Schultern fühlten Kraft, den Harnisch zu ertragen, und mein Arm Stärke, einen Feind vom Pferd zu stechen !-Arme schwache Hand, von jeher gewohnt Kreuze und Friedensfahnen zu führen und Rauchfässer zu schwingen, wie woll- 20 test du Lanze und Schwert regieren! Meine Stimme, nur zu Ave und Halleluja gestimmt, würde dem Feind ein Herold meiner Schwäche seyn, wenn ihn die eurige überwältigte. Kein Gelübde sollte mich abhalten wieder in den Orden zu treten, den mein Schöpfer selbst gestiftet hat!

Götz. Glückliche Wiederkehr!

Martin. Das trinke ich nur für euch.

Wiederkehr in meinen

Käfig ist allemal unglücklich. Wenn ihr wiederkehrt, Herr, in eure Mauern, mit dem Bewusstseyn eurer Tapferkeit und Stärke, der keine Müdigkeit etwas anhaben kann, euch zum Erstenmal nach langer 30 Zeit, sicher vor feindlichem Überfall, entwaffnet auf euer Bette streckt, und euch nach dem Schlaf dehnt, der euch besser schmeckt, als mir der Trunk nach langem Durst; da könnt ihr von Glück sagen!

Götz. Dafür kommt's auch selten.

Martin (feuriger). Und ist, wenn's kommt, ein Vorschmack des Himmels.-Wenn ihr zurück kehrt, mit der Beute eurer Feinde

beladen, und euch erinnert: den stach ich vom Pferd' eh' er schiessen konnte, und den rannt ich sammt dem Pferde nieder, und dann reitet ihr zu euerm Schloss hinauf, und—

Götz. Was meint ihr?

Martin. Und eure Weiber! (Er schenkt ein.) Auf Gesundheit eurer Frau! (Er wischt sich die Augen.) Ihr habt doch eine ! Götz. Ein edles, vortreffliches Weib!

Martin. Wohl dem, der ein tugendsam Weib hat! dess lebt er noch eins so lange. Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schöpfung!

Götz (vor sich). Er dauert mich! Das Gefühl seines Standes frisst ihm das Herz.

Georg (gesprungen). Herr! ich höre Pferde im Galopp! Zwey! Es sind sie gewiss.

Götz. Führ' mein Pferd heraus!

Hanns soll aufsitzen. Lebt

wohl, theurer Bruder, Gott geleit' euch! Seyd muthig und geduldig. Gott wird euch Raum geben.

Martin. Ich bitt' um euern Namen.

Götz. Verzeiht mir. Lebt wohl! (Er reicht ihm die linke Hand.)

Martin. Warum reicht ihr mir die Linke? Bin ich die ritterliche Rechte nicht werth?

Götz. Und wenn ihr der Kaiser wärt, ihr müsstet mit dieser vorlieb nehmen. Meine Rechte, obgleich im Kriege nicht unbrauchbar, ist gegen den Druck der Liebe unempfindlich; sie ist eins mit ihrem Handschuh; ihr seht, er ist Eisen.

10

20

Martin. So seyd ihr Götz von Berlichingen! Ich danke dir, Gott, dass du mich ihn hast sehen lassen, diesen Mann, den die Fürsten hassen, und zu dem die Bedrängten sich wenden! (Er nimmt ihm die rechte Hand.) Lasst mir diese Hand, lasst mich sie küssen ! 30 Götz. Ihr sollt nicht.

Martin. Lasst mich! Du, mehr werth als Reliquienhand, durch die das heiligste Blut geflossen ist, todtes Werkzeug, belebt durch des edelsten Geistes Vertrauen auf Gott!

Götz (setzt den Helm auf und nimmt die Lanze).

Martin. Es war ein Mönch bei uns vor Jahr' und Tag, der euch besuchte, wie sie euch abgeschossen ward vor Landshut. Wie er

uns erzählte, was ihr littet, und wie sehr es euch schmerzte zu eurem Beruf verstümmelt zu seyn, und wie euch einfiel, von einem gehört zu haben, der auch nur Eine Hand hatte, und als tapferer Reitersmann doch noch lange diente-ich werde das nie vergessen.

DIE ZWEY KNECHTE (kommen).

Götz (zu ihnen. Sie reden heimlich).

Martin (fährt inzwischen fort). Ich werde das nie vergessen, wie er im edelsten, einfältigsten Vertrauen auf Gott sprach: und wenn ich zwölf Händ' hätte und deine Gnad' wollt' mir nicht, was würden sie mir fruchten. So kann mit Einer

Götz. In den Haslacher Wald also. (Kehrt sich zu Martin.) 10 Lebt wohl, werther Bruder Martin. (Küsst ihn.)

Martin. Vergesst mein nicht, wie ich euer nicht vergesse. (Götz ab.)

Martin. Wie mir's so eng um's Herz ward, da ich ihn sah. Er redete nichts, und mein Geist konnte doch den seinigen unterscheiden. Es ist eine Wollust einen grossen Mann zu sehn. Georg. Ehrwürdiger Herr, ihr schlaft doch bei uns ?

[blocks in formation]

Georg. Nein, Herr! ich kenne Betten nur vom Hörensagen, in unsrer Herberg' ist nichts als Stroh.

Martin. Auch gut. Wie heisst du?

Georg. Georg, ehrwürdiger Herr!

Martin. Georg! da hast du einen tapfern Patron.

Georg. Sie sagen, er sey ein Reiter gewesen; das will ich auch

seyn.

Martin. Warte! (Zieht ein Gebetbuch hervor und gibt dem Buben einen Heiligen). Da hast du ihn. Folge seinem Beispiel, sey brav und fürchte Gott! (Martin geht.)

20

Georg. Ach ein schöner Schimmel! wenn ich einmal so einen hätte!-und die goldene Rüstung!-Das ist ein garstiger Drach'-— 30 Jetzt schiess' ich nach Sperlingen-Heiliger Georg! mach mich gross und stark, gib mir so eine Lanze, Rüstung und Pferd, dann lass mir die Drachen kommen!

8.

AUS DEN LEIDEN DES JUNGEN WERTHERS.

Am 10. May. Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süssen Frühlingsmorgen die ich mit ganzem Herzen geniesse. Ich bin allein, und freue mich meines Lebens in dieser Gegend, die für solche Seelen geschaffen ist, wie die meine. Ich bin so glücklich, mein Bester, so ganz in dem Gefühle von ruhigem Daseyn versunken, dass meine Kunst darunter leidet. Ich könnte jetzt nicht zeichnen, nicht einen Strich, und bin nie ein grösserer Mahler gewesen, als in diesen Augenblicken. Wenn das liebe Thal um mich dampft, und die hohe Sonne an der Oberfläche der undurchdringlichen Finsterniss meines Waldes ruht, und nur einzelne 10 Strahlen sich in das innere Heiligthum stehlen, ich dann im hohen Grase am fallenden Bache liege, und näher an der Erde tausend mannichfaltige Gräschen mir merkwürdig werden; wenn ich das Wimmeln der kleinen Welt zwischen Halmen, die unzähligen, unergründlichen Gestalten der Würmchen, der Mückchen, näher an meinem Herzen fühle, und fühle die Gegenwart des Allmächtigen der uns nach seinem Bilde schuf, das Wehen des Allliebenden der uns in ewiger Wonne schwebend trägt und erhält-mein Freund, wenn's dann um meine Augen dämmert und die Welt um mich her und der Himmel ganz in meiner Seele ruhn wie die Gestalt einer 20 Geliebten; dann sehne ich mich oft, und denke: ach könntest du das wieder ausdrücken, könntest dem Papiere das einhauchen, was so voll, so warm in dir lebt, dass es würde der Spiegel deiner Seele, wie deine Seele ist der Spiegel des unendlichen Gottes!-Mein Freund-Aber ich gehe darüber zu Grunde, ich erliege unter der Gewalt der Herrlichkeit dieser Erscheinungen.

Am 4. December.

Ich bitte dich-Siehst du, mit mir ist's aus, ich trag' es nicht länger! Heute sass ich bei ihr-sass, sie spielte auf ihrem Clavier, mannichfaltige Melodien, und all den Ausdruck! all!-all!-Was willst du?-Ihr Schwesterchen putzte ihre Puppe auf meinem Knie. 30 Mir kamen die Thränen in die Augen. Ich neigte mich, und ihr Trauring fiel mir ins Gesicht-meine Thränen flossen.-Und auf

« PreviousContinue »