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Briefe von Goethe's Mutter au die Herzogin Anna Amalia. Herausgegeben von Burkhardt (Weimar) 1885.

BRIEF AN HERZOGIN ANNA AMALIA.

Den 1. Mertz 1783.

DURCHLAUCHTIGSTE FÜRSTIN!

Ich bin ja wohl eine recht glückliche und beneidungs würdige Frau! In dem Andenken, in der Gnade einer Amalia zu stehn! Einer Fürstin die in allem betrachtet, würcklich Fürstin ist-Die der Welt gezeigt hat, dass Sie Regiren kan-Die die grosse Kunst versteht alle Hertzen anzuziehn-Die Liebe und Freude um Sich her ver- 10 breitet-Die-Mit einem Wort zum Seegen vor die Menschen gebohren wurde. Ja Grosse und Vortreffliche Frau! Ich schwöre bey allem was heilig ist, dass, die Fortdauer von Höchst Dero Gnade und Güte, mir mehr werth ist, als der Beyfall einer gantzen Welt. Theureste Fürstin! Erhalten Sie mir diesen unaussprechlich grossen Schatz! Der nun einmahl zu einem Wesentlichen theil von mir gehört, ohne den meine Exsisstentz so wenig ein gantzes wäre, als der Leib ohne Seele. Unser Theurer Erbprintz befindet sich also wohl-Gott sey Taussend Danck davor gesagt! nach Dero Beschreibung, gibt das ja einen zweyten Reinhold1- 20 und da ich zuvorlässig weiss, dass Er die beste Erziehung nach Leib und Seele bekommen wird; so kan auch der Wachsthum an beyden nicht fehlen-und alles Volck soll sagen Amen. Wieland und meinem Sohn würde ich es ewig nicht verzeihen, wenn Sie bey dieser frohen Begebenheit Ihren Pegasus nicht weid

1 Anspielung auf Reinhold in den Haimonskindern.

lich tummeltten, und mich verlangt recht hertzlich, Ihre Gebuhrten zu sehen. Freylich komt es mir vor als ob mein Sohn, sich in etwas mit den Musen Brouliert hätte-doch alte Liebe Rostet nicht-sie werden auf seinen Ruf, schon bald wieder bey der Hand seyn. Mit Wieland-ja das ist gantz was anders, Das ist ein gar beständiger Liebhaber die 9 Mädger mögen lachen oder sauer sehen-Er schickt sich in alle Ihre Launen-und ich weiss von sichrer Hand, dass so was, die Damen überaus gut aufnehmen. Ihro Durchlaucht haben die Gnade Sich zu erkundigen was ich mache-Ich befinde mich Gott sey Dank, gesund, vergnügt, und fröliges Hertzens— 10 suche mir mein bissgen Leben noch so angenehm zu machen als möglich. Doch liebe ich keine Freude, die mit Unruhe, Wirrwarr und Beschwerlichkeit verknüpft ist-den die Ruhe liebte ich von jeher -und meinem Leichnam thue ich gar gern seine ihm gebührendte Ehre. Morgens besorge ich meine kleine Hausshaltung und übrigen Geschäffte, auch werden da Briefe geschrieben-Eine solche lächerliche Corresspontentz hat nicht leicht jemandt ausser mir. Alle Monath raume ich meinen Schreibpult auf-aber ohne lachen kan ich das niehmals thun-Es sieht drinnen aus, wie im Himmel. Alle Rangordnung aufgehoben-Hohe und geringe,-Fromme und Zöllner 20 und Sünder, alles auf einem Haufen-Der Brief vom frommen Lavater liegt gantz ohne groll, beym Schauspieler Grossmann u. s. w. Nachmittags haben meine Freunde das Recht mich zu besuchen aber um 4 Uhr, muss alles wieder fort-dann kleide ich mich an— fahre entweder ins Schauspiel oder mache Besuche-komme um 9 Uhr nach Hauss-Das ist es nun so ohngefähr was ich treibe. Doch das beste hätte ich bald vergessen. Ich wohne in der langen Gassen, die mann vor Lesser erbauen lassen u. s. w. Nehmen Ihro Durchlaucht mit der Beschreibung meines geringhaltigen Lebens Wandel vor lieb, und erhalten mir Dero unschätzbare Gnade, 30 diss ist die einzige Bitte von

Ihrer Durchlaucht

unterthänigst und treusten

Dienern

GOETHE.

2 Aus Das Neueste von Plundersweilern'.

GOETHE.

[Scherer D. 479, 526, 639, 656, 681, 701, E. II. 91, 142, 256, 272, 297, 316.]

Johann Wolfgang Goethe, geboren den 28. August 1749 zu Frankfurt am Main. Vater: Johann Caspar, Kaiserlicher Rath geb. 1710, † 1782. Mutter: Katharina Elisabeth Textor, geb. 1731, † 1803. Schwester: Cornelia, geb. 1750, vermählt 1773 mit Joh. Georg Schlosser (geb. 1739, † 1799), † 1777. Von neueren Gesammtausgaben der Werke Goethe's sei nur die Hempelsche (Berlin o. J.) erwähnt und im übrigen, auch für die Ausgaben seiner Briefe, verwiesen auf: Salomon Hirzels Verzeichniss einer Goethebibliothek mit Nachträgen und Fortsetzung herausgegeben von L. Hirzel (Leipzig) 1884.

1759.

Frankfurt von den Franzosen besetzt (1756-1763 Siebenjähriger Krieg).

1760. (Goethe II Jahre alt.)

Susanna Katharina von Klettenberg. Deren früher Einfluss auf Goethe's religiös-moralische Bildung. († 1774.)

1764. (G. 15 Jahre alt.)

Verhältniss zu Gretchen.-Krönung Joseph's II.

1765. (G. 16 Jahre alt.)

Im Herbst zur Universität nach Leipzig (bis 1768).

Öser; Gellert.-Gottsched.

1766. (G. 17 Jahre alt.)

Verhältniss zu Anna Katharina Schönkopf in Leipzig (geb. 1746, † 1810 als Gattin des Dr. Kanne).

1767. (G. 18 Jahre alt.)

Die Laune des Verliebten.—Die Mitschuldigen. Erschienen 1767 anonym. -Parodie auf Clodius Medon.

1768. (G. 19 Jahre alt.)

Goethe kehrt im Herbst nach Frankfurt zurück. Krank.

Fräulein von Klettenberg (Bekenntnisse einer schönen Seele).

1770. (G. 21 Jahre alt.)

Goethe im Frühjahr zur Universität nach Strassburg.

Verhältniss zu Friederike Brion in Sesenheim (geb. 1754, † 1813 unvermählt).-Herder in Strassburg.

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Neue Lieder in Melodien gesetzt von Bernhard Theodor Breitkopf. Leipzig 1770 (Älteste gedruckte Lieder Goethes, anonym).

1771. (G. 22 Jahre alt.)

Promotion.-Lösung des Verhältnisses mit Friederike und Rückkehr nach Frankfurt.-J. G. Schlosser.-J. H. Merck.

Von deutscher Baukunst.—Brief des Pastors.-Zwo wichtige bisher unerörterte Biblische Fragen. Erschienen 1773 anonym.

1772. (G. 23 Jahre alt.)

Im Frühjahr nach Wetzlar zum Reichskammergericht.-Verhältniss zu Kestner's Braut, Charlotte Buff († 1828) (Werther's Lotte).-Im September Rückkehr nach Frankfurt nach einem Besuch bei Sophie La Roche in Thal-Ehrenbreitstein, wo er die Tochter Maximiliane kennen lernte, die 10 ihm Züge zu Werthers Lotte gab.-Goethe übersetzt Goldsmith's 'Deserted Village'.

Götz von Berlichingen (Bearbeitung des 'Gottfried von Berlichingen mit der eisernen Hand' vom Jahre 1771). Erschien anonym zuerst (ohne Angabe des Druckorts) 1773; zweite Auflage, Frankfurt am Main 1774. Faust. Scenen des prosaischen Faust, von dem noch einige Stücke in der späteren poetischen Bearbeitung enthalten sind. Die ältesten gereimten Scenen entstammen den Jahren 1773-75. Die Conception der Helena ist älter als 1776.-1806 der erste Theil beschlossen.-1826 Helena' vollendet. -1831 der zweite Theil beschlossen. Erschien zuerst in Leipzig 1790 als: 20 'Faust, ein Fragment'; dann: 1808 in Tübingen bei Cotta; spätere Ausgaben von 1822, 1825, 1830, 1833, 1843 u. s. w. Der zweite Theil zuerst in den Nachgelassenen Schriften' (Bd. 1, 1833) und auch einzeln (Stuttg., Cotta 1833).

Recensionen in den Frankfurter gelehrten Anzeigen.

1773. (G. 24 Jahre alt.)

Goethe's Freunde: Klinger, Lenz.

Götter, Helden und Wieland. Erschien Leipzig 1774 anonym,

Das Jahrmarktsfest zu Plundersweilern, und einige andere kleine Fastnachtsspiele. Erschienen Leipzig 1774 unter dem Titel: Neueröfnetes moralisch-politisches Puppenspiel.

1774. (G. 25 Jahre alt.)

Verkehr mit Lavater, Basedow, den Brüdern Jacobi, Jung-Stilling.Klopstock in Frankfurt.—Die Prinzen von Sachsen-Weimar, Carl August und Constantin mit Knebel in Frankfurt, dann mit Goethe in Mainz. Die Leiden des jungen Werthers. Leipzig 1774 (anonym). Clavigo. Erschien Leipzig 1774.

Stella. Erschien Berlin 1776.

30

1775. (G. 26 Jahre alt.)

Verhältniss zu Anna Elisabeth Schönemann (Lili) (geb. 1758, verlobt mit Goethe 1775; vermählt mit dem Bankier v. Türkheim 1778, +1817).— Erste Schweizerreise mit den Brüdern Grafen zu Stolberg.-Auf Einladung des Herzogs Carl August (geb. 1757, Selbstregent 1775) geht Goethe nach Weimar, wo er am 7. November eintrifft.-Die verwitwete Herzogin Anna Amalia. - Die Herzogin Luise.-Wieland.-Freundschafts-Verhältniss zu Charlotte v. Stein (geb. v. Schardt, geb. 1742, vermählt 1768 mit dem herzogl. Stallmeister Friedrich v. Stein, + 1827).

Erwin und Elmire, in Prosa.-Claudine von Villa Bella, in Prosa. Erschien Berlin 1776.-Egmont begonnen.

1776. (G. 27 Jahre alt.)

Goethe's Ernennung zum Geheimen Legationsrath mit Sitz und Stimme im Geheimeraths-Collegium.

Die Geschwister. Erschien Leipzig 1787.

ΙΟ

1777. (G. 28 Jahre alt.)

Harzreise im Winter.

Lila.-Triumph der Empfindsamkeit. Erschien Leipzig 1787.
Wilhelm Meisters Lehrjahre begonnen.

1778. (G. 29 Jahre alt.)

Mit dem Herzog in Potsdam und in Berlin.

Proserpina, ein Monodrama. Erschien im Teutschen Merkur'. Februar. 1778.—Lila umgearbeitet.—Wilhelm Meisters Lehrjahre 1. Buch.

1779. (G. 30 Jahre alt.)

Ernennung zum Geheimenrath.-Schweizerreise mit dem Herzog. Jery und Bätely. Erschien Leipzig 1790.-Iphigenie aufgeführt, Prosa ungedruckt, 1787 in Versen erschienen.

1780. (G. 31 Jahre alt.)

Anfänge des Tasso.—Briefe aus der Schweiz. 2. Abtheilung. (Schweizerreise mit dem Herzog 1779.)-Die Vögel. Erschien Leipzig 1787.

1781. (G. 32 Jahre alt.)

Tasso, in Prosa, vollendet.-Elpenor, angefangen.-Das Neueste aus Plundersweilern.

1782. (G. 33 Jahre alt.)

Goethe's Erhebung in den Adelstand und zum Präsidenten der Kammer.
Wilhelm Meisters Lehrjahre. 2. und 3. Buch.

Die Fischerinn.

20

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