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welcher er sich dem Verstande des göttlichen Dichters offenbarete, wie hier in dem Gesichte des Sohnes, und die einzelnen Schönheiten der übrigen Götter treten hier, wie bei der Pandora, in Gemeinschaft zusammen. Eine Stirn des Jupiter, darin die Göttin der Weisheit wohnt, Augenbrauen, die durch ihr Winken ihren Willen erklären, und Augen der Königin der Göttinnen, mit Grossheit gewölbet. Sein weiches Haar spielt, wie die zarten und flüssigen Schlingen edler Weinreben, gleichsam von einer sanften Luft bewegt, um dieses göttliche Haupt: es scheint gesalbt mit dem Oele der Götter, und von den Grazien mit holder Pracht auf seinem 10 Scheitel gebunden. Ich vergesse alles andere über dem Anblicke dieses Wunderwerkes der Kunst, und ich nehme selbst einen erhabenen Stand an, um mit Würdigkeit anzuschauen. Mit Verehrung scheint sich meine Brust zu erweitern und zu erheben, wie diejenigen, die ich wie vom Geiste der Weissagung aufgeschwellt sehe, und ich fühle mich weggerückt nach Delos und in die lycischen Haine, Orte, welche Apollo mit seiner Gegenwart beehrte : denn mein Bild scheint Leben und Bewegung zu bekommen, wie des Pygmalion Schönheit. Wie ist es möglich, es zu malen und zu beschreiben! Die Kunst selbst müsste mir rathen und die Hand 20 leiten, die ersten Züge, welche ich hier entworfen habe, künftig auszuführen. Ich lege den Begriff, welchen ich von diesem Bilde gegeben habe, zu dessen Füssen, wie die Kränze derjenigen, die das Haupt der Gottheiten, welche sie krönen wollten, nicht erreichen konnten.

JUSTUS MÖSER.

[Scherer D. 471, E. II. 82.]

1720 zu Osnabrück geboren; 1740 in Jena, um die Rechte zu studieren ; kehrte 1742 nach Osnabrück zurück, lebte später hier als Advocat, kam 1763 als Gesandter nach London und wurde von Georg III zum Rathgeber seines Sohnes, des damals einjährigen Prinz-Bischofs von Osnabrück, ernannt. Er starb 1794 als Geheimer Justizrath. Am bekanntesten sind seine 'Patrioti. schen Phantasien', die 'Osnabrückische Geschichte' und sein 'Schreiben an einen Freund über die Deutsche Sprache und Literatur'. Eine Gesammtausgabe seiner Werke veranstaltete Abeken, 10 Bde. (Berlin, 1842 f. und 1858). VOL. II.

K

AUS DER VORREDE ZUR OSNABRÜCK'SCHEN

GESCHICHTE.

Die Geschichte von Deutschland hat meines Ermessens eine ganz neue Wendung zu hoffen, wenn wir die gemeinen Landeigenthümer, als die wahren Bestandtheile der Nation, durch alle ihre Veränderungen verfolgen, aus ihnen den Körper bilden, und die grossen und kleinen Bedienten dieser Nation als böse oder gute Zufälle des Körpers betrachten. Wir können sodann dieser Geschichte nicht allein die Einheit, den Gang und die Macht der Epopee geben, worin die Territorialhoheit und der Despotismus zuletzt die Stelle einer glücklichen oder unglücklichen Auflösung 10 vertritt, sondern auch den Ursprung, den Fortgang und das unterschiedliche Verhältniss des Nationalcharakters unter allen Veränderungen mit weit mehrer Ordnung und Deutlichkeit entwickeln, als wenn wir bloss das Leben und die Bemühungen der Aerzte beschreiben, ohne des kranken Körpers zu gedenken. Der Einfluss, welchen Gesetze und Gewohnheiten, Tugenden und Fehler der Regenten, falsche oder gute Massregeln, Handel, Geld, Städte, Dienst, Adel, Sprachen, Meinungen, Kriege und Verbindungen auf jenen Körper und auf dessen Ehre und Eigenthum gehabt; die Wendungen, welche die gesetzgebende Macht oder die Staatsein- 20 richtung überhaupt bei diesen Einflüssen von Zeit zu Zeit genommen; die Art, wie sich Menschen, Rechte und Begriffe allmälig darnach gebildet; die wunderbaren Engen und Krümmungen, wodurch der menschliche Hang die Territorialhoheit empor getrieben; und die glückliche Mässigung, welche das Christenthum, das deutsche Herz und eine der Freiheit günstige Sittenlehre gewirket hat, würde sich, wie ich glaube, solchergestalt in ein vollkommenes fortgehendes Gemählde bringen lassen, und diesem eine solche Füllung geben, dass der Historienmahler alle überflüssige Gruppen entbehren könnte.

Diese Geschichte würde vier Hauptperioden haben. In der ersten und güldnen war noch mehrentheils jeder deutscher Ackerhof mit einem Eigenthümer oder Wehren besetzt; kein Knecht oder Leut auf dem Heerbannsgute gefestet; alle Freiheit, als eine schimpfliche Ausnahme von der gemeinen Vertheidigung, verhasst;

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nichts als hohe und gemeine Ehre in der Nation bekannt; Niemand, ausser dem Leut oder Knechte, einem Herrn zu folgen verbunden; und der gemeine Vorsteher ein erwählter Richter, welcher bloss die Urtheile bestätigte, so ihm von seinen Rechtsgenossen zugewiesen wurden. Diese güldne Zeit daurete noch guten Theils, wiewohl mit einer auf den Hauptzweck schärfer anziehenden Einrichtung, unter Carl dem Grossen. Carl war aber auch der einzige Kopf zu diesem antiken Rumpfe.

Die zweite Periode ging allmälig unter Ludewig dem Frommen und Schwachen an. Ihm und den unter ihm entstandenen Parteien 10 war zu wenig mit Bannalisten, die bloss ihren Heerd und ihr Vaterland bei eigner Kost und ohne Sold vertheidigen wollten, gedienet. Er opferte aus Einfalt, Andacht, Noth und falscher Politik seine Gemeinen den Geistlichen, Bedienten und Reichsvögten auf. Der Bischof, welcher vorhin nur zwei Heermänner ad latus behalten durfte, und der Graf oder Oberste, der ihrer viere zum Schutze seines Amts und seiner Familie beurlauben konnte, verfuhren mit dem Reichsgute nach Gefallen, besetzten die erledigten mansos mit Leuten und Knechten, und nöthigten die Wehren, sich auf gleiche Bedingungen zu ergeben. Heinrich der Vogler suchte zwar 20 bei der damaligen allgemeinen Noth das Reichseigenthum wieder auf, und stellete den Heerbann mit einigen Veränderungen wieder her. Allein Otto der Grosse schlug einen ganz andern Weg ein, und gab das gemeine Gut denjenigen Preis, die ihm zu seinen auswärtigen Kriegen einige glänzende und wohlgeübte Dienstleute zuführten. Ihm war ein Ritter, der mit ihm über die Alpen zog, lieber als tausend Wehren, die keine Auflagen bezahlten, und keine andre Dienstpflicht als die Landesvertheidigung kannten. Seine Grösse, das damalige Ansehn des Reichs und der Ton seiner Zeiten machten ihn sicher genug, zu glauben, dass das 30 deutsche Reich seines Heerbanns niemals weiter nöthig haben würde. Und so wurde derselbe völlig verachtet, gedrückt und verdunkelt. Der Missus oder Heerbannscommissarius, welcher unter Carl dem Grossen allein die Urlaubspässe für die Heermänner zu ertheilen hatte, verlor sein Amt, und Controle, Commissariat und Commando kam zum grössten Nachtheil der Landeigenthümer und der ersten Reichsmatrikel in eine Hand..

In der dritten Periode, welche hierauf folgte, ist fast alle gemeine Ehre verschwunden. Sehr wenige ehrenhafte Gemeine haben noch einiges Reichsgut in dominio quiritario. Man verliert sogar den Namen und den wahren Begriff des Eigenthums, und der ganze Reichsboden verwandelt sich überall in Lehn-, Pacht-, Zinsund Bauergut, so wie es dem Reichsoberhaupte und seinen Dienstleuten gefällt. Alle Ehre ist im Dienst; und der schwäbische Friederich bemühet sich vergeblich, der kaiserlichen Krone, worin ehedem jeder gemeiner Landeigenthümer ein Kleinod war, durch blosse Dienstleute ihren alten Glanz wieder zu geben. Die verbun- 10 denen Städte und ihre Pfalbürger geben zwar der Nation Hoffnung zu einem neuen gemeinen Eigenthum; allein die Hände der Kaiser sind zu schwach und schlüpfrig, und anstatt diese Bundesgenossen mit einer magna charta zu begnadigen, und sich aus allen Burgen und Städten ein Unterhaus zu erschaffen, welches auf sichere Weise den Untergang der ehemaligen Landeigenthümer wieder ersetzt haben würde, müssen sie gegen solche Verbindungen und alle Pfalbürgerschaft ein Reichsgesetze übers andre machen. Rudolph von Habsburg sieht diesen grossen Staatsfehler wohl ein, und ist mehr als einmal darauf bedacht, ihn zu verbessern. Allein Carl IV. 20 arbeitet nach einem dem vorigen ganz entgegengesetzten Plan, indem er die mittlere Gewalt im Staat wieder begünstigt; und Wenzels grosse Absichten, welche den Reichsfürsten nicht umsonst verhasst waren, werden nie mit gehöriger Vorsicht, oft durch gehässige Mittel, und insgemein nur halb ausgeführt. Alle sind nur darauf bedacht, die Dienstleute durch Dienstleute zu bezähmen, und währender Zeit in Dänemark der Landeigenthum sich wieder unter die Krone füget, in Spanien der neue Heerbann, oder die Hermandad der mittlern Gewalt mit Hülfe der klugen Isabelle das Gleichgewichte abgewinnt, und in der Schweiz drei 30 Bauern gemeine Ehre und Eigenthum wiederherstellen, wurde die Absicht des Bundschuhes und andrer nicht undeutlich bezeichneter Bewegungen von den Kaisern kaum empfunden. Sigismund thut etwas, besonders für die Friesen; und Maximilian sucht mit allen seinen guten und grossen Anstalten wohl nichts weniger, als die Gemeinen unter der mittlern Gewalt wieder hervor und näher an sich zu ziehen. Allein so fein und neu auch die Mittel sind, deren

er sich bedient, so scheint doch bei der Ausführung nicht allemal der Geist zu wachen, der den Entwurf eingegeben hatte.

Mehr als einmal erforderte es in dieser Periode die allgemeine Noth, alles Lehn-, Pacht-, Zins- und Bauerwesen von Reichswegen wieder aufzuheben, und von jedem Manso den Eigenthümer zur Reichsvertheidigung aufzumahnen. Denn nachdem die Lehne erblich geworden, fielen solche immer mehr und mehr zusammen. Der Kriegsleute wurden also weniger. Sie waren zum Theil erschöpft, und, wie die auswärtigen Monarchien sich auf die gemeine Hülfe erhoben, nicht im Stande, ihr Vaterland dagegen allein 10 zu vertheidigen. Allein eine so grosse Revolution wäre das Werk eines Bundschuhes gewesen. Man musste also auf einem fehlerhaften Plan fortgehen, und die Zahl der Dienstleute mit unbelehnten, unbegüterten und zum Theil schlechten Leuten vermehren, allerhand Schaaren von Knechten errichten, und den Weg einschlagen, worauf man nachgehends zu den stehenden Heeren gekommen ist. Eine Zeitlang reichten die Kammergüter der Fürsten, welche ihre Macht auf diese Art vermehrten, zu den Unkosten hin. Man wusste von keinen gemeinen Steuren; und in der That waren auch keine steuerbare Unterthanen vorhanden, weil der Bauer als 20 Pächter sich lediglich an seinen Contract hielt, und sein Herr frei war, wenn er als Gutsherr fürs Vaterland, und als Vasall für seinen Lehnsherrn den Degen zog. Die Kammergüter aber wurden bald erschöpft, verpfändet oder verkauft; und man musste nunmehr seine Zuflucht zu den Lehnleuten und Gutsherrn nehmen, um sich von ihnen eine ausserordentliche Beihülfe zu erbitten; und weil diese wohl einsahen, dass es ihre Sicherheit erfordere, sich unter einander und mit einem Hauptherrn zu verbinden, so entstanden endlich Landstände und Landschaften, wozu man die Städte, welche damals das Hauptwesen ausmachten, auf alle Weise gern 30 zog.

Alle noch übrige Gesetze aus der güldnen Zeit, worin die Reichsmansi mit Eigenthümern besetzt gewesen waren, verschwanden in dieser Periode gänzlich; wozu die Städte, diese anomalischen Körper, welche die Sachsen so lange nicht hatten dulden wollen, nicht wenig beitrugen, indem sie die Begriffe von Ehre und Eigenthum, worauf sich die sächsische Gesetzgebung ehedem ge

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