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Eine Auswahl

der gebräuchlichsten languedocischen Sprüchwörter,

reimhaften Formeln und Redensarten.

Es geht, ungesehen und ungeachtet, viel Weisheit und Klugheit im Lande umher von Mund zu Mund.

Sailer.

Eingangs dieser Blätter auf die literar-historische Bedeutung der Sprüchwörter überhaupt und ihrer Verwandten einzutreten, oder den grossen, stets lebendigen Einfluss derselben auf das Volk zu berühren, das schien nicht am Platz, einige der grössten Meister auf dem Gebiet der Sprachen haben sich das angelegen sein lassen und die „kurzen, kräftigen, sinnreichen Volkssprüche, die Grundsätze der Denk- und Lebensart, diese unzweifelhaften Axiome des gesunden Verstandes und der Sittenweisheit" (Herder) gesammelt, gesichtet, empfohlen und verbreitet. Da jedoch nachfolgende Sammlung eine fremde und wenig bekannte Sprache betrifft, so konnte sie kaum einer kleinen Einleitung entbehren.

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Sind die verschiedenen Sprachen auch ungleich reich an allerlei reimhaften, anklingenden, ablautartigen Formeln, Priameln, Haushaltungsregeln, Sprüchwörtern, reprouviers, proverbes, dictons, mots, und wie sie alle heissen mögen, so haben doch die denkenden Männer aller Nationen erkannt, dass die derbe Kürze, die schlagende Wahrheit, die sinnreiche und witzige Auffassung, und, last but not least, ein oft aus dem innersten Gebild und Zusammenhang der Sprache hervorgegangener Gleichklang, der manchmal auf fast zauberhafte Weise das Ohr zu gewinnen weiss, dass diese Eigenschaften einen fast erzieherischen

Archiv f. n. Sprachen. XLIII.

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Einfluss ausüben, besonders gerade da, wo Bequemlichkeit, Nachlässigkeit, oder gar Verdorbenheit und böser Wille andern Lehren den Eingang erschweren. Jeder fühlt, dass gerade diese von den früheren Generationen hinterlassene, oft in ihrer Ausdrucks weise an die Zeiten unserer Väter erinnernde, kernige Weisheit einen gewissen poetischen Reiz für jedes Gemüth haben muss, in dem überhaupt noch eine Saite zu berühren ist. Diese weisen Sprüche und witzigen Beobachtungen sind denn auch vorzüglich das eigentlichste Eigenthum der Volksmasse, an dem sie mit einer Treue festhält, die oft an Hartnäckigkeit streift.*

Zahlreich und oft sehr voluminös sind die Sprüchwörtersammlungen der Hauptsprachen, aber wie selbst die bedeutenderen Proben languedocischer Literatur die Heimath oder ihre nächste Nachbarschaft selten überschreiten, so hat sich auch Niemand damit beschäftigt, die Sprüchwörter und eigenthümlichen Redensarten dieser alten, einem sonderbaren Schicksal verfallenen Sprache in eine vollständige Samm-lung zu vereinigen und zu erläutern, oder sie gar in einer fremden Sprache bekannt zu machen. Selbst das vollständigste mir bekannte französische Werk dieser Art, „Le livre des proverbes français, par M. le Roux de Lincy ", zwei starke Bände von über 1000 Seiten, in welchem die den verschiedenen Provinzen eigenen Sprüchwörter undgar viele aus andern Sprachen übersetzte unter dem Gesammttitel ,,Proverbes français" einen Platz gefunden haben, enthält nur Auszüge aus dem Recueil des Sentences notables et dictons communs, Proverbes et Refrains, traduits du Latin, de l'Italien, de l'Espagnol etc., par Gabriel Mûrier (Meurier), Anvers 1568," und ähnlichen Werken, welche selber aus den verschiedenen romanischen Idiomen geschöpft hatten. Speziell languedocische Sammlungen gibt es nur zwei, von denen keine Anspruch, auf Vollständigkeit macht oder irgend welche Andeutung enthält über Ursprung, Alter, Idiomverwandtschaft und

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Ein Beispiel. Vergebens haben Oudin (Curios. franç.), Quicherat und Andere ihren Landsleuten sattsam bewiesen, dass die sprüchwörtliche Redensart: Chercher une querelle d'Allemand", oder „C'est une querelle d'Allemand", einen grossen Fehler enthalte, indem dieses Wort Allemand mit den Nachbarn jenseits des Rheines Nichts zu schaffen habe, sondern Alleman geschrieben werden müsse, nach der bekannten, mächtigen, stets kampf- und rachesüchtigen Familie der Allemans (12., 13. und 14. Jahrhundert im Dauphiné). Der Franzose liebt es nun eben, diese Redensart, die in seinem Lande so sehr im Schwang ist, auf seine Art und manchmal mit besonderem Nachdruck zu nehmen und schreibt und denkt, nach wie vor, querelle d'Allemand.

dergleichen. Die eine, muthmasslich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter dem sonderbaren Namen „La bugado prouençalo, enfumado e coulado en un tincou de dès sous per la lauar, Sabounar et egessugar coumo se deou"* anonym erschienen, dann 1665 dem ,,Jardin deys Mosos prouençalos" beigedruckt. Sie enthält viel Triviales und Eingeführtes und ist, aus den letzteren Worten ihres Motto's: Voues tu fayre figo a la mouert,

Liege aquest libre et t'en ris fouert.

Wer über den Tod sich lustig will machen,
Der lese dies Buch voll Sprüchlein zum Lachen.

zu schliessen, mehr für scherzhafte Unterhaltung berechnet gewesen. Aus dieser,,Wäsche" kommen mehrere der mit P bezeichneten Nummern meiner Sammlung. Die andere, noch kleinere, bildet einen Zusatz zu dem 1784 von Abbé Sauvage herausgegebenen Dictionnaire und enthält zahlreiche Auszüge aus dem ersteren Büchlein. Sonst gibt es, ausser einigen kleinen Publikationen, wie dem Armana prouençau, worin zufällig einige spärliche Sprüchwörter angeführt werden, keine geschriebenen Quellen, aus denen Material, oder gar sprachwissenschaftliche Auskunft über die Sprüchwörter gezogen werden konnte. **

Immerhin, hätten reichlichere Auszüge und Aufnahme aller der mir im Umgang bekannt gewordenen Sprüchwörter u. s. w. die Sammlung leicht reichhaltiger gemacht; aber wo dann die Auswahl beschränken? Und ohne Auswahl wäre ein Buch daraus geworden. Das war meine Absicht nicht; ich habe mich vielmehr bestrebt, so weit meine Mittel es erlaubten, nur wirklich languedocis che, d. h. eingeborne, oder, wenn ja eingeführte, so doch in Sinn und Form nun ganz eingebürgerte, wirklich im Munde des Volkes lebende Sprüchwörter, Redensarten u. s. w. aufzunehmen. Es mag noch manches Schöne hier im Lande umher gehen von Mund zu Mund", *** das seinen Weg in diese Sammlung nicht finden konnte, aber ich hoffe, auch in diesen wenigen Blättern viel Neues und manches Treffliche mitgetheilt zu haben.

* Die provençalische Wäsche, eingeweicht und abgelaugt in einem Bückefass von 10 Sous, um sie zu waschen, einzuseifen und zu trocknen, wie sich's gehört.

** Das beste Dictionnaire de la langue provençale ist das von M. Honorat, in-8°, Techener, éd. à Paris, 1847; es umfasst auch die andern Dialekte des mittäglichen Frankreichs.

*** Die Langue d'oc ist sehr geeignet zum Ausdrucke solcher Sentenzen, welche das tägliche Salz der Volksrede sind, und wer Ohren hat zu hören,

Bleibt noch ein Wort zu sagen über Zusammenstellung und Uebersetzung. Unter den verschiedenen Formen, in welche solche Sammlungen gebracht zu werden pflegen, und von welchen das Anreihen an den Faden einer fortlaufenden Erklärung manchmal sehr passend erscheint, zog ich für gegenwärtigen Zweck die alphabetische Ordnung vor, deutete aber durch beigesetzte Zahlen auf verwandte Stellen. Die Uebersetzung ist so wörtlich als nur immer möglich, stets treu, nach Volkswährung; wo aber eine etwas gefälligere Form dem Sinn nicht zu nahe trat, da habe ich mich in sehr bescheidenem Maasse der Hülfsmittel des Rhythmus und des Reimes soweit bedient, als es nöthig schien, um die in derartiger Literatur bei uns üblichen Formen einigermassen nachzuahmen.

Die dem provençalischen Idiom angehörenden Nummern sind mit P. bezeichnet; der Unterschied ist übrigens nicht gross und macht sich meist nur bei Endungen geltend, wie in oustau, non, et, amic, libertat u. s. w., welche im languedocischen Idiom des rechten Ufers des Rhose oustaou, noun, e, ami, liberta geschrieben werden.

1. A bon demandaire

Bon refusaire.

2. Abouco barado noun entro mousco.

Oder provençalisch:

Abouco clauso non l'entro mousquo.

The wisdom of many,

The wit of one.

Einem zaghaften Bitter ist gut ab-
schlagen.

Hältst du den Mund geschlossen fein,
So fliegt dir keine Mück' hinein.

der mag Beispiele wie die folgenden bei jeder Gelegenheit aus dem Umgang mit dem gemeinen Mann ziehen:

Lou vi es lou sangue del ome,

E l'aigo es lou sangue des prats.

Der Wein ist das Blut des Mannes,
Und das Wasser das Blut der Wiesen.

Jai dinar embe de banos de cagaraoulo.

Er stellt den Leuten Schneckenhörner auf (zum Mittagessen).

Jai l'ase per manjar de bren.

Er macht den Esel, um die Kleien zu bekommen.

L'argen d'un paour' ome s'en vai coumo l'aigagnaou aou sourel.
Das Geld (der Verdienst) des armen Mannes verschwindet wie der
Thau an der Sonne.

Quan las mountagnos soun blancos,

Las vallados soun frejos.

Wenn die Berge weiss sind,
Dann sind die Thäler kalt.

Weisse Berge,
Kalte Thäler.

Vom Schnee

des Alters.

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8. Aco vai coumo rampan a bacou.* (Das geht wie Lorbeer zum Speck.)

9. Aigo e pan Vido de cam.

Etwa wie:

Das geht, wie Butter auf Brot.

(Wasser und Brot

Das Leben des Landes, Feldes.)

Ganz im Sinn des deutschen Sprüchwortes:

Bei Wasser und Brot

Wird man nicht todt.

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*bacou, gall. Wort, ins Englische übergegangen

= bacon. In England sengt man den Thieren, deren Fleisch eingesalzen werden soll, die Haare ab; das Fleisch soll so feiner schmecken. Hier gibt man Lorbeerblätter bei.

** Gall. Provinzialismus; im Livre des Prov. franç.

*** Lieb han und miden

Ist ein bitter liden. Ldl.

Qu'amo et non es amat,

Wer liebt und ist nicht wieder geliebt,

De malos armos es ornat. P. Der ist mit bösen Waffen angethan.

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