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Die Geschichte des Königs Arthur,

nach einer Chronik des Britischen Museums.

Von

Dr. K. Böddeker.

Der nachfolgende Auszug aus der Handschrift No. 24 der Harleyanischen Bibliothek des Britischen Museums enthält die vollständige Geschichte des Königs Arthur oder Arthus. Das Manuscript ist ohne Zweifel in den ersten Regierungsjahren Heinrichs V. verfasst. Der grössere Theil desselben ist Copie einer Vorlage. Bis zu welcher Zeit diese Vorlage reichte, von wo ab also die Chronik einen unabhängigen Bericht des Verfassers giebt, möchte schwer zu entscheiden sein. Die erzählende Sprache jener Zeit ist schlicht und einfach, so dass von dem individuellen Stile einer Handschrift nicht die Rede sein kann. Die Art der Darstellung historischer Thatsachen ist rein objectiv, ohne jede Reflexion, weshalb auch der Inhalt über die Individualität des Chronisten nichts aussagt. Die Spuren von Urtheil, welche sich in den älteren Handschriften historischen Inhalts finden, sind ganz allgemeiner Natur urd zeichnen nicht einzelne Chroniken aus, sondern sind in allen anzutreffen. Es sind dies: die Anerkennung der Treue, der Tapferkeit und des Gehorsams gegen die Kirche, andererseits Verwerfung des Treubruchs, der Feigheit und der Kirchenschändung. Da diese Chroniken wahrscheinlich ohne Ausnahme von Klerikern nieArchiv f. n. Sprachen. LII.

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dergeschrieben worden sind, so ist diese Uebereinstimmung sehr natürlich.

Für die folgende Mittheilung dieses bedeutungsvollen Bruchstückes der englischen Ueberlieferung sind drei Gesichtspunkte massgebend gewesen. Der nationale Heldenkönig Arthur soll gezeigt werden in der Gestalt, in welcher er im Volksglauben fortlebte, entblösst von dem romantischen Flitterstaat, mit welchem die Kunstdichter ihn ausschmückten. Mit Absicht habe ich ihn einen nationalen Helden genannt; er ist in den Chroniken stets „unser König“, während die Sachsen, die Vorfahren des Schreibers der Chronik und die Ahnen der Generation, die zu seiner Zeit das Volk bildete, als fremde, unruhestiftende Feinde geschildert werden. Ferner möge dieser Abdruck, in welchem die Orthographie und Interpunction der Handschrift möglichst genau beibehalten sind, über die Schwankungen in der Schreibweise desselben Wortes sie finden sich auch in den sorgfältigsten Sprachdocumenten - und über die Eigenthümlichkeiten der Zeichensetzung zu Anfang des 15. Jahrhunderts und vorher belehren. Die emendirten und modernisirten Ausgaben altenglischer Texte lassen darüber nichts erkennen, da in ihnen eine einheitliche Orthographie durchgeführt und das jetzt gültige Interpunktionssystem angewandt ist. Drittens endlich soll durch die Zusätze ein Einblick in das Abhängigkeitsverhältniss zwischen Gottfried von Monmouth, Maître Wace, Robert von Gloucester und einem Specimen der altenglischen Prosachroniken ermöglicht werden. Die Werke der ersteren sind hinreichend bekannt. Man liest in den Einleitungen zu den Ausgaben derselben von den Beziehungen des Einzelnen zu seinem Vorbilde. Die Nebeneinanderstellung desselben Theiles der Ueberlieferung Arthurs Kampf mit dem Riesen Denabus oder Dynabus-in den verschiedenen Darstellungen soll zu einem Urtheile über ihr Verhältniss zu einander den Stoff liefern.

Eine jede ältere Manuscriptensammlung in England besteht zum grossen Theile aus Geschichtschroniken in Prosa, welche unter einander eine nahe Verwandtschaft erkennen lassen. Dieselben sind theils lateinisch, theils englisch abgefasst und stammen aus dem 14., 15. oder 16. Jahrhundert. Aus sprachlichen

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und sachlichen Gründen habe ich den Parallelabdruck der entsprechenden Theile zweier solcher Handschriften (des Harl. 24 und des Harl. 53) als nützlich erachtet. Die eine derselben ist, wie bereits erwähnt, unter Heinrich V. geschrieben, während die andere bis tief in die Regierungsjahre Heinrich's VI. hineinreicht. W. Hardy in seinem Descriptive Catalogue of Chronicles and Memorials relating to the Early English History' führt solche Handschriften in der Regel auf weitentlegene Urquellen zurück, wie auf Gottfried von Monmouth, Heinrich von Huntingdon und andere. Ich bin weit eher geneigt zu glauben, dass diese Geschichtsdarstellungen nichts anders als Umarbeitungen zum Theil der Chronik des Robert von Gloucester, zum Theil des Brut von Wace sind. Für die weite Verbreitung des Werkes von Gloucester sprechen die 10 Handschriften, welche, soviel bis jetzt bekannt, von demselben erhalten sind. Sie sind in verschiedenen Dialekten zu verschiedenen Zeiten niedergeschrieben worden. Ein Theil jener zahlreichen Chroniken ist, sich erwarten lässt, nicht selbstsändige Uebertragung einer älteren poetischen Geschichtsurkunde, sondern nur Copie, mag sie den Text der Vorlage nun mit grösserer oder geringerer Freiheit behandeln. Die Frage in Betreff der historischen Quellen dieser alten Geschichtsberichte muss bis jetzt, trotz der Aufstellungen Hardy's, als eine offene betrachtet werden. Zur Lösung derselben ist eine genaue Forschung nach den Beziehungen der einzelnen Chroniken zu einander, nach den Gruppen, in welche sie in Hinsicht ihrer Verwandtschaft zerfallen, und nach der Urquelle jeder Gruppe nöthig.

Bei einem Eingehen in die einzelnen Züge der Darstellung findet sich eine nahe Verwandtschaft zwischen unserer Handschrift, dem Harl. 24, und dem Roman de Brut von Wace. Sie weicht in einigen Punkten, in denen sie mit der Schilderung Wace's übereinstimmt, sowohl von Gottfried von Monmouth, als auch von Robert von Gloucester ab. Es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, dass der Roman de Brut von einem Chro

* Dies Werk ist erschienen in der Sammlung der für den Master of the Rolls veranstalteten Ausgabe der Rerum Britannicarum Medii Aevi Scriptores, welche unter anderen werthvollen Büchern auch Thorpe's Sachsenchronik enthält.

nisten wieder in Prosa umgearbeitet wurde. Ueber das Medium oder die Medien zwischen dem Werke von Wace und dem Harl. 24 letzterer kann nämlich die Umarbeitung selbst nicht sein, da verschiedene Schreibfehler ihn als eine Abschrift erkennen lassen wird erst eine umfassende Kenntniss des Chronikenmaterials ein Urtheil ermöglichen.

Das Manuscript, welchem der nach folgende Text entnommen worden ist, zeigt auf der Rückseite des ersten Blattes, von einer späteren Hand geschrieben, die Worte „Dunstable Chronicle", und unter diesem Titel wird dasselbe in den Katalogen aufgeführt. Es ist eine Pergamenthandschrift in Folioformat, welche auf 218 Blättern in 244 Kapiteln die Geschichte der englischen Könige von Brutus bis auf Heinrich V. erzählt. Es ist sehr sorgfältig geschrieben. Der Anfangsbuchstabe des ersten Wortes eines Kapitels zeichnet sich durch ausserordentliche Grösse und reiche Illumination, d. h. bunten Arabeskenschmuck aus. Der folgende Buchstabe hat Majuskelform. Die Ueberschriften der Kapitel sind mit rother Tinte, die Abtheilungszeichen abwechselnd mit rother und blauer Tinte geschrieben.

Die Interpunctionszeichen der Handschrift sind folgende:

1. Das Hauptzeichen ist einem P mit dem Bogen auf der linken Seite nicht unähnlich. Es hat aber keineswegs die Bedeutung unseres Punktes, insofern es nicht das Vorangehende abschliesst, sondern vielmehr mit dem Nachfolgenden näher zu verbinden ist. Man findet es niemals am Ende einer Zeile, wo es als Schlusszeichen seinen naturgemässen Platz haben würde, wohl aber am Anfange einer solchen. Ein Satzzeichen in dem Sinne, in welchem wir unsern Punkt als solchen bezeichnen müssen, ist es nicht; es sagt nicht aus, dass eine Satzperiode ihr Ende erreicht hat, auch nicht, dass eine neue Construction beginnen wird. Es ist vielmehr ein Zeichen, welches Bezug hat auf den Gedanken, auf den Inhalt: es soll den Leser darauf aufmerksam machen, dass mit dem Folgenden die Erzählung fortschreitet, dass er nun einem neuen, weiteren Gedanken begegnen wird. In poetischen Werken findet es sich daher zu Anfang der Zeilen, mit denen die Schilderung oder Erzählung in eine neue Phase eintritt. In dem Zwischenraume zwischen je zwei Zeichen dieser Art trifft man in der Regel mehrere

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grammatisch in sich abgeschlossene Satzgefüge, so viele nämlich, als zur Darstellung eines Ereignisses oder zur Beleuchtung eines Gedankens erforderlich waren. Als Ersatz dieses Zeichens sind zwei senkrechte Parallelstriche gewählt worden.

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2. Der Punkt dient in unserer Handschrift zwei verschiedenen Zwecken. Er wird einmal dazu verwandt, eine kleine Lücke am Ende der Zeile auszufüllen, welche nicht genügte, das folgende Wort oder einen hinreichenden Theil desselben aufzunehmen. In dieser Bedeutung finden wir den Punkt auf jeder Seite des Manuscriptes angewandt; natürlich konnte der Abdruck diese Eigenthümlichkeit nicht nachahmen. Ferner soll der Punkt zwei einzelne, an sich selbstständige Gedanken, welche aber zu einem und demselben Gedankenganzen gehören, von einander trennen. So zeigen sich also oft mehrere Punkte zwischen zwei Hauptzeichen, darauf hinweisend, dass das Vorstellungsganze aus mehreren Einzelvorstellungen zusammengesetzt ist. Beispiele hiefür sind zu finden: Fol. 49, b, zwischen wolfes und and; fol. 38, b, zwischen wylle und the kyng; fol. 39, a; fol. 42, b; fol. 43, a; fol. 43, b. Dass wir es auch hier wieder nicht mit einem blossen Satzzeichen zu thun haben, d. h. mit einem Zeichen, welches bei gewissen Constructionsverhältnissen hätte eintreten müssen, sondern dass die individuelle Auffassung des Schreibers auch über dies Zeichen nach freier Wahl verfügt, darüber kann das Beispiel auf fol. 44, a, oben, belehren.

3. Ein senkrechter Strich tritt ein, um den Gegensatz zweier Vorstellungen innerhalb eines Gedankenbildes zu bezeichnen. Er ist nicht zu häufig. Ein Beispiel in dem folgenden Abschnitte findet sich auf fol. 40, b; ein anderes auf fol. 42, a.

4. Während der senkrechte Strich als Trennungsstrich zu betrachten ist, dienen zwei wagerechte Parallels triche (=) dem Zwecke der Verbindung. Sie finden sich nur am Ende einer Zeile und sagen entweder aus, dass die letzten Buchstaben in derselben mit den ersten Buchstaben der folgenden Zeile zu einem Wortkörper zusammengehören, oder dass das letzte Wort der ersteren mit dem Anfangsworte der letzteren begrifflich eng verbunden zu denken ist. In dieser Beziehung unterscheidet sich also die frühere Verwendung dieses Zeichens von der jetzt

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