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sen. Im Interesse des Katholicismus, auch wohl aus mißverstandener Begeisterung für sogenannte Idealitåt der Kunst hat man diese Richtung auf das scheinbar Prosaische und Komische als eine höchst untergeordnete darzustellen versucht. Man hat zu verstehen gegeben, daß der Protestantismus, der vorzüglichste Pfleger dieser Gatz tung, in die Gemeinheit des Alltagslebens, versinken und der überschwänglichen Hoheit Raphaelischer Kunst auf immer fern bleiben müsse. Man hat die Niederländer als Maler für den philisterhaften Sinn geistloser Spießbürger, für das rohe Gefühl plumper Bauern angesehen, Aber wenn irgend ein Zweig der Malerei einen åchtprotestantischen Charakter hat, so ist es die Genremalerei, weil sie die unendlich reiche Welt des wirklichen Daseins als eine geistig bedeutende, als eine Offenbarung der Idee zu würdigen versteht. Man sollte daher einsehen, daß sie eine nothwendige Ergänzung der historischen Malerei ist. Daß im Protestantismus als solchem keine Unfähig keit zum idealen Schwung, keine Unempfänglichkeit für die erhabene Sphåre des Religiösen liegt, kann man schon daraus schließen, daß er keine der Alts und Neutestamens tischen Erinnerungen in sich annullirt hat. Warum sollten diese also den Genius der Künstler nicht von Neuem begeistern können? Sind z. B. v. Kügelgen's Magdas lena und Johannes nicht aus tief christlichem Sinn ente sprungen? Auf Dürer, duf den ålteren und jüngeren Cranach, auf Holbein, die den größten Sinn für Con ception des Heiligen zeigen, will ich mich nicht berufen,

denn hier könnte man entgegnen, daß dieselben, obzwar protestantisch, dennoch mit ihrer Jugend dem Katholicis mus angehörten und durch die unmittelbare Nähe des höchsten Glanzes seiner Malerei getragen wurden. Wenn die protestantischen Kirchen die Malerei bisher wenig bes schäftigt haben, so liegt dies theils darin, daß man zuz nächst auch in der äußeren Form des Cultus von den Kas tholiken sich unterscheiden und deswegen den Schmuck des Heiligthums durch Bilder absichtlich vernachläßigen mußte, theils darin, daß jene Tendenz der Malerei zur Auffafsung des Gewöhnlichen sich erst, wie die heilige und mys thologische, in vollem Maaß erschöpfen mußte, denn auch in der Kunst ist Vollkommenheit nur durch relative Einseitigkeit erreichbar. Die Landschafterei und Genremales rei blühen folglich in unserer Zeit aus innerer Nothwendigkeit. Gewiß, in solchen Gemålden, wie wir sie aus der Düsseldorfer, aus der Berliner Kunstschule besigen, z. B. in Sonderlands Tanzbår, in Schröders Bairischem Bauerntanz, in Pistorius Dorfgeiger, ist mehr Reichthum der Phantasie, mehr Tiefe des Gemüths, mehr Wahrheit der Empfindung, mehr Gediegenheit der Form, als in den todten Nachahmungen jener Maler, welche ohne eis gene Productivitåt bald die engelhafte Naivetåt der Eykschen Schule, bald den zauberisch-åtherischen Glanz der Römischen in religiösen Motiven zu erneuen sich vergeblich anstrengen, und nur leere Madonnengesichter, todte Christusköpfe herausquålen. Und ein Glück noch, wenn das Streben nach ernster Strenge zu mumienhafter Starr

heit führt, wenn nicht, wie bei so: manchen jüngeren Mas donnen, ein weltlich buhlerisches Gesicht das Heilige zur unausstehlichen Frazze macht. Wir müssen den Tact jes ner Maler für richtig halten, die, wie Scheffer, in unses ren Tagen lieber Fausts Gretchen als die Maria, lieber die markirten Züge eines Mephistopheles, als die verblas senen Mienen charakterloser Engel malen.

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Allein wird man uns nicht anführen, daß doch gez, rade in diesem Jahrhundert so viele Maler zur Römischkatholischen Kirche übergetreten sind, was denn doch wohl ein Beweis dafür sei, daß sie im Protestantismus keinen Anklang für ihr Streben fanden? Abgesehen davon, daß gar manche dieser Conversionen sehr äußerlich gewesen sein dürften, so muß hier eben jene oben erwähnte Ver wechslung des Deismus mit dem Protestantismus beachtet werden. Håtten solche Künstler in ihrer Jugend den wahren Protestantismus kennen gelernt, wåren sie nicht durch die nüchterne Weisheit jenes Deismus gedrückt worden, so würde gar kein Bedürfniß des Katholicismus in ihnen entstanden sein; der Schimmer vergangener Größe, die Festigkeit der äußeren Form würde sie über den Mangel innerer Freiheit nicht haben tåuschen können. Die bildende Kunst nicht blos, auch nicht blos die Poesie, sondern das gesammte Streben der Zeit hat eine Reaction gegen den Deismus erzeugt, und in solchem Widerspruch sind Einzelne, wie Zacharias Werner, wie Friedr. Schle gel und Andere in den Kotholicismus zurückgefallen. Aber, kann man fragen, waren diese Männer nicht schon vor

ihrer Conversion geistreiche Künstler, und hat sich nicht gerade durch den Katholicismus ihren Productionen etwas Manierirtes, kalt Absichtliches eingedrångt?

Die historische Betrachtung vermag in solchen Fällen die ruhigste Entscheidung zu geben, da sie uns in die Vers mittelung der Erscheinungen durcheinander einführt. Für das Verhältniß des Protestantismus zur bildenden Kunst ist in dieser Hinsicht ein Blick auf die Niederlande beson ders fruchtbar, weil sich hier das Katholische in Belgien das Protestantische in Holland dicht neben einander ges stellt haben. Belgien suchte spåter den Italiånisch-Französischen Typus festzuhalten, während Holland die Genremalerei bis in ihre äußersten Grenzen verfolgte und gleichsam bis in ihre einfachsten Bestandtheile chemisch zerlegte. Das Stillleben, das Thier und Frucht- und Blumen: stück sind das Caput mortuum dieser Analyse. Wie nun Italien und die Niederlande in der bildenden Kunst parallele Wendepuncte darstelleu, so scheint auch die Lites ratur der Kunstgeschichte diesen Parallelismus zu behaup? ten. Für Italien haben wir in den Forschungen des Herrn von Rumohr vor einigen Jahren ein erschöpfendes Werk erhalten. Ein Preuße, ein geborner Danziger, der auch längere Zeit in Königsberg sich aufhielt und gegen: wärtig in Düsseldorf lebt, Karl Schnaase hat sich das Verdienst erworben, die Niederländische Architektur und Malerei in einer Folge von Briefen zu schildern, welche im Lauf dieses Jahres erschienen sind und als höchft be deutend allen Kunstfreunden empfohlen zu werden verdies

nen. Vor seiner Reise durch die Niederlande hatte Schnaase Italien gesehen, und sich überhaupt durch die gründlichsten und mannigfachsten Studien historischer und philosophischer Art zu einer Competenz des Urtheils her: aufgebildet, wie sie nur selten Jemand zugestanden wers den kann. Genauigkeit der Detailkenntniß, Weite des Ueberblicks, zarte Empfänglichkeit für alles Individuelle, Unbefangenheit und eine Gabe glücklicher Darstellung vereinigen sich bei ihm zum schönsten Bunde,

Er hat seine Reise den Rhein hinunter durch Hol land von Scheveningen aus über Antwerpen nach Brüssel und Lüttich zu gerichtet. So hat er mit der jüngs sten Kunstperiode der Niederlande angefangen und ist dann zu den ålteren Epochen übergegangen. Hier finden wir nun eine Darlegung von der Entstehung der Genremalerei, von ihren vorbereitenden Spuren in der antiken Welt und während des Mittelalters, welche durch eben so viel Tief als Scharfsinn zu dem Ausgezeichnetsten gehört, was wir in der historischen Aesthetik besitzen. Die weiter folgende · Würdigung von Schoorel, Hemmling, Quintin Messys, Rubens ist gleichfalls vortrefflich. Na mentlich der Lehtere is so gründlich beleuchtet, daß die Vorurtheile, welche das Studium dieses großen Meisters bisher erschwerten, als für immer vernichtet angesehen werden können.

Was aber dem Schnaase'schen Buch einen eigen thümlichen Werth giebt, das ist die Art und Weise, wie er das Einzelne immer in seinem Zusammenhang mit dem

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