Page images
PDF
EPUB

Was ist im Grunde aller Verkehr mit der Natur, wenn wir auf analytischem Wege bloß mit einzelnen materiellen Teilen uns zu schaffen machen und nicht das Atmen des Geistes empfinden, der jedem Teile seine Richtung vorschreibt und jede Ausschweifung durch ein innewohnendes Gesetz bändigt oder sanktioniert?

Gespr. mit Soret, den 2. Aug. 1830. [208.

Der Forscher kann sich immer mehr überzeugen, wie wenig und Einfaches, von dem ewigen Urwesen in Bewegung gesetzt, das Allermannigfaltigste hervorzubringen fähig ist. Der aufmerksame Beobachter kann sogar durch den äußeren Sinn das Unmöglichscheinende gewahr werden, ein Resultat, welches man nenne es vorgesehenen Zweck oder notwendige Folge entschieden gebietet, vor dem geheimnisvollen Urgrunde aller Dinge uns anbetend niederzuwerfen.

[ocr errors]

Recens. von Vaucher, hist. physiol. des plantes, 1830. H. 33, 165. [209.

Im eignen Auge schaue mit Lust,
Was Plato von Anbeginn gewußt.
Denn das ist der Natur Gehalt,
Daß außen gilt, was innen galt.

Zahme Xenien VI (veröff. 1832). H. 2, 391. [210.

Keine Gluten, keine Meere
Geb' ich in dem Innern zu.
Doch allherrschend waltet Schwere,
Nicht verdammt zu Tod und Ruh.
Dom lebend'gen Gott lebendig
Durch den Geist, der alles regt
Wechselt sie, nicht unbeständig,
Immer in sich selbst bewegt.

Ebendas. H. 2, 393. [211.

Wenn im Unendlichen dasselbe
Sich wiederholend ewig fließt,
Das tausendfältige Gewölbe
Sich kräftig ineinander schließt,
Strömt Lebenslust aus allen Dingen,
Dem kleinsten wie dem größten Stern,
Und alles Drängen, alles Ringen
Ist ew'ge Ruh in Gott dem Herrn.

Ebendas. H. 2, 394. [212.

[ocr errors]
[ocr errors]

Die Nüglichkeitslehrer würden glauben, ihren Gott zu verlieren, wenn sie nicht den anbeten sollen, der dem Ochsen die Hörner gab, damit er sich verteidige". Mir aber möge man erlauben, daß ich den verehre, der in dem Reichtum seiner Schöpfung so groß war, nach tausendfältigen Pflanzen noch eine zu machen, worin alle übrigen enthalten, und nach tausendfältigen Tieren ein Wesen, das sie alle enthält, den Menschen. Man verehre ferner den, der dem Vieh sein Futter giebt und dem Menschen Speise und Trank, soviel er genießen mag. Ich aber bete den an, der eine solche Produktionskraft in die Welt gelegt hat, daß, wenn auch nur der millionteste Teil davon ins Leben tritt, die Welt von Geschöpfen wimmelt, so daß Krieg, Pest Wasser und Pestilenz ihr nichts anzuhaben vermögen. Das ist mein Gott. Gespr. mit Eckermann, den 20. febr. 1831. [213.

Ich frage nicht, ob dieses höchste Wesen Verstand und Vernunft habe, sondern ich fühle, es ist der Verstand, es ist die Vernunft selber. Alle Geschöpfe sind davon durchdrungen und der Mensch hat davon so viel, daß er Teile des Höchsten erkennen mag. Ebendas., den 23. febr. 1831. [214.

Wenn ihr an Gott glaubtet, so würdet ihr euch nicht verwundern.

Jhm ziemt's die Welt im Innern zu bewegen,
Natur in Sich, Sich in Natur zu hegen,

So daß, was in Ihm lebt und webt und ist,
Nie Seine Kraft, nie Seinen Geist vermißt.

Beseelte Gott den Vogel nicht mit diesem allmächtigen Trieb gegen seine Jungen, und ginge das Gleiche nicht durch alles Lebendige der ganzen Natur, die Welt würde nicht bestehen können! So aber ist die göttliche Kraft überall verbreitet und die ewige Liebe überall wirksam.

Ebendas., den 29. Mai 1831. [215.

Keppler sagte: Mein höchster Wunsch ist, den Gott, den ich im Äußeren überall finde, auch innerlich, innerhalb meiner gleichsam gewahr zu werden'. Der edle Mann fühlte sich nicht bewußt, daß eben in dem Augenblicke das Göttliche in ihm mit dem Göttlichen im Universum in genauester Verbindung stand.

Spr. in Prosa, Eth. VII. Nr. 570 (veröff. erst 1836). H. 19, 120. [216.

Ob wir gleich der Natur gern ihre geheime Encheiresis, wodurch sie Leben schafft und fördert, zugeben und, wenn auch keine Mystiker, so doch zuletzt ein Unerforschliches eingestehen müssen, so kann der Mensch, wenn es ihm Ernst ist, doch nicht von dem Versuche abstehen, das Unerforschliche so in die Enge zu treiben, bis er sich dabei begnügen und sich willig überwunden geben mag.

An H. Wackenroder, den 21. Jan. 1832. [217.

Wir müssen einsehen lernen, daß wir dasjenige, was wir im Einfachsten geschaut und erkannt, im Zusammengesetzten supponieren und glauben müssen. Denn das Einfache verbirgt sich im Mannigfaltigen und da ist's, wo bei mir der Glaube eintritt, der nicht der Anfang, sondern das Ende alles Wissens ist. An S. Boifferée, den 25. febr. 1832. [218.

d) Leib und Geist. Des Menschen Würde.

Wer durch alle die Elemente,

Feuer, Luft, Wasser und Erde rennte,
Der wird zuletzt sich überzeugen,
Er sei kein Wesen ihresgleichen.

Gott, Gemüt u. Welt, Nr. 15.

Es ist keine schönere Gottesverehrung als die, zu der man kein Bild bedarf, die bloß aus dem Wechselgespräch mit der Natur in unserem Busen entspringt.

Dichtg. u. Wahrh. VI (1764). H. 21. 10. [219.

Sorgen Sie doch für diesen Leib mit anhaltender Treue. Die Seele muß nun einmal durch diese Augen sehen, und wenn sie trüb sind, so ist's in der ganzen Welt Regenwetter. An Trapp, den 28. Juli 1770. [220.

Seit ich die Worte CTĥooс und праяídec fühle, ist mir in mir selbst eine neue Welt aufgegangen. Armer Mensch, an dem der Kopf alles ist! An Herder, Juli 1772. [221.

Wir sind mit des Verfassers Vorstellung von dem Be weggrund der Tugend der Liebe zu Gott nicht völlig einverstanden; wir denken: wir lieben Gott, weil diese Liebe ein Teil, weil sie die Seele unseres Glücks ist, und nicht: wir suchen unser Glück, weil wir Gott lieben.

Anz. von 'Meine Vorsätze' (Frankf. Gel. Anz. 1772). H. 29, 52. [222.

Weit, hoch, herrlich der Blick
Rings ins Leben hinein!
Von Gebirg zu Gebirg
Schwebet der ewige Geist,
Ewigen Lebens ahndevoll.

An Schwager Kronos, 1774. H. 2, 154. [223.

Mußte er Menschen machen nach seinem Bilde, ein Geschlecht, das ihm ähnlich sei, was müssen wir fühlen, wenn wir Brüder finden, unser Gleichnis, uns selbst verdoppelt?

An Auguste, geb. Gräfin zu Stolberg, Jan. 1775. [224.

Mir wird je länger, je mehr das Treiben der Welt und der Herzen unbegreiflich. Einzelne Züge, die sich überall gleichen und doch nie daran zu denken, daß der größte menschliche Kopf ein Ganzes der Menschenwirtschaft übersehen werde.

Ein Gott hat
Jedem seine Bahn
Vorgezeichnet,
Die der Glückliche
Rasch zum freudigen
Ziele rennt.

An Lavater, Sept. 1775. [225.

Wem aber Unglück
Das Herz zusammenzog,
Er sträubt vergebens
Sich gegen die Schranken
Des ehernen Fadens,

Den die doch bittre Schere
Nur einmal löst.

Harzreise im Winter, 1777. H. 1, 145. [226.

Des Menschen Seele
Gleicht dem Wasser.
Vom Himmel kommt es,
Zum Himmel steigt es
Und wieder nieder
Zur Erde muß es
Ewig wechselnd.

Seele des Menschen,
Wie gleichst du dem Wasser,
Schicksal des Menschen,
Wie gleichst du dem Wind!

Ges. der Geister über den Wassern, 1779.
H. 1, 141. [227.

« PreviousContinue »