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Menschen gemäß und erträglich wäre. Die Kirche aber tritt als wohlthätige Vermittlerin ein, um zu dämpfen und zu ermäßigen, damit allen geholfen und damit vielen wohl werde. Dadurch, daß der christlichen Kirche der Glaube beiwohnt, daß sie als Nachfolgerin Christi von der Last menschlicher Sünde befreien könne, ist sie eine sehr große Macht.

Gespr. mit Eckermann, den 11. März 1832. [845.

p) Kirchengeschichtliches.

Wer nicht von dreitausend Jahren
Sich weiß Rechenschaft zu geben,
Bleib im Dunkeln, unerfahren,
Mag von Tag zu Tage leben.
Divan V. 15.

Der kirchliche Protestantismus, den man uns überlieferte, war eigentlich nur eine Art trockner Moral; an einen geistreichen Vortrag wurde nicht gedacht, und die Lehre konnte weder der Seele noch dem Herzen zusagen. Deswegen ergaben sich gar mancherlei Absonderungen von der gesetzlichen Kirche. Es entstanden die Separatisten, Pietisten, Herrnhuter, die Stillen im Lande.

Dichtg. u. Wahrh. I (ca. 1756). H. 20, 37. [846.

Die trefflichen Männer, die ich auf dem (herrnhutischen) Synodus zu Marienborn . . . kennen gelernt hatte, hatten meine ganze Verehrung gewonnen und es wäre nur auf sie angekommen, mich zu dem Jhrigen zu machen. Ich be schäftigte mich mit ihrer Lehre, der Herkunft und Ausbildung derselben. Ich mußte jedoch bemerken, daß die Brüder so wenig als frl. v. Klettenberg mich als einen Christen wollten gelten lassen, welches mich anfangs beunruhigte, nachher aber meine Neigung einigermaßen erkältete. Dichtg. u. Wahrh. XV (in Bezieh, auf 1769). H. 22, 177. [847

Ein protestantischer Landgeistlicher ist vielleicht der schönste Gegenstand einer modernen Idylle. Er erscheint, wie Melchi

sedek, als Priester und König in einer Person. An den unschuldigsten Zustand, der sich auf Erden denken läßt, an den des Ackermanns, ist er meistens durch gleiche Beschäftigung sowie durch gleiche Familienverhältnisse geknüpft; er ist Vater, Hausherr, Landmann und so vollkommen ein Glied der Gemeinde. Dichtg. u. Wahrh. X (1770). H. 21, 196. [848.

Die Kirchengeschichte war mir fast noch bekannter als die Weltgeschichte, und mich hatte von jeher der Konflikt, in welchem sich die Kirche, der öffentlich anerkannte Gottesdienst, nach zwei Seiten hin befindet und immer befinden wird, höchlichst interessiert.

Dichtg. u. Wahrh. XI (1771). H. 22, 26. [849.

Mir kommt nichts beschwerlicher vor, als nicht Mensch sein zu dürfen. Armut, Keuschheit und Gehorsam drei Gelübde, deren jedes, einzeln betrachtet, der Natur das unausstehlichste erscheint, so unerträglich sind sie alle. Und sein ganzes Leben unter dieser Last oder unter der weit niederdrückenderen Bürde des Gewissens mutlos zu keuchen!

Gesch. Gottfriedens v. Berlichingen I (1771). H. 11, 23. [850.

Wir bitten doch ein für allemal unsere Leser, keine Ketzereien in unserem Blatte (den Frankf. Gel. Anzeigen) zu suchen, so werden sie gewiß keine darin finden. Denn Freimütigkeit ist in unserer Kirche, wo man von keiner Hierarchie und keinem Gewissenszwang weiß, keine Keßerei, sondern von jeher der Vorzug des wahren Christen und ehrlichen Mannes gewesen. Und dann bitten wir noch eins: uns nicht eher zu beurteilen, bis man uns versteht.

Anz. von meine Vorsätze' (Frankf. Gel. Anz. 1772). H. 29, 52. [851.

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Es gehörte diese Schrift (Bahrdts Eden") zu den neueren menschenfreundlichen Bemühungen der erleuchteten

Reformatoren, die auf einmal die Welt von dem Überreste des Sauerteigs säubern und unserem Zeitalter die mathe matische Linie zwischen nötigem und unnötigem Glauben vorzeichnen wollen. Ebendas., vom 19. Juni 1772. H. 29, 32. [852.

Seit meiner Annäherung an die Brüdergemeinde hatte meine Neigung zu dieser Gesellschaft, die sich unter der Siegesfahne Christi versammelt, immer zugenommen.

Dichtg. u. Wahrh. XV (bez. d. Zeit v. 1769–1773). H. 22, 176. [853.

Ich weiß nicht, ob's Eurem Verstand oder Eurem Herzen mehr Ehre macht, daß Ihr so jung und so friedfertig seid, ohne deswegen schwach zu sein; denn freilich ist's auch kein Vorteil für die Herde, wenn der Schäfer ein Schaf ist. Brief des Pastors zu **, 1773. H. 27, 87. [854.

Wer die Geschichte des Wortes Gottes unter den Menschen mit liebevollem Herzen betrachtet, der wird die Wege der ewigen Weisheit anbeten. Ebendas. S. 91. [855.

Luther arbeitete, uns von der geistlichen Knechtschaft zu befreien. Möchten doch alle seine Nachfolger soviel Abschen vor der Hierarchie behalten haben, als der große Mann empfand!

Ebendas. S. 92. [856.

Ich schwör bei meinem Leben,

Hätte man St. Paulen ein Bistum geben,
Poltrer wär er worden, ein fauler Bauch
Wie ceteri confratres auch.

Ewiger Jude, Fragm. 1774 (?). H. 3, 182. [857.

Reformation hätt ihren Schmaus

Und nahm dem Pfaffen Hof und Haus,
Um wieder Pfaffen nein zu pflanzen,
Die nur in allem Grund der Sachen.

Mehr schwätzen, weniger Grimassen machen.

Ebendas. H. 3, 188. [858.

Man wiederholte so oft in jenen toleranten Zeiten, jeder Mensch habe seine eigene Religion, seine eigene Art der Gottesverehrung. Ob ich nun gleich dies nicht geradezu behauptete, so konnte ich doch ... bemerken, daß Männer und Frauen einen verschiedenen Heiland bedürfen.

Dichtg. u. Wahrh. XIV. 1774. H. 22, 156. [859.

Das Himmlische, Ewige wird in den Körper irdischer Absichten eingesenkt und zu vergänglichen Schicksalen mit fortgerissen. Dichtg. u. Wahrh. XIV (1774). H. 22, 171. [860.

Wir schienen freudiger zu folgen, wie denn die Gebräuche der katholischen Kirche dem Protestanten durchaus bedeutend und imposant sind, indem er nur das Erste, Innere, wodurch sie hervorgerufen, das Menschliche, wodurch sie sich von Geschlecht zu Geschlecht fortpflanzen, und also auf den Kern dringend, anerkennt, ohne sich gerade in dem Augenblicke mit der Schale, der Fruchthülle, ja dem Baume selbst, seinen Zweigen, Blättern, seiner Rinde und seinen Wurzeln zu befassen.

Dichtg. u. Wahrh. XVIII (1775). H. 23, 68. [861.

w.

Allein die Welt, des Menschen Herz und Geist!
Möcht jeglicher doch was erkennen.

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