Page images
PDF
EPUB

Christliche Mystiker sollte es gar nicht geben, da die Religion selbst Mysterien darbietet. Auch gehen sie immer gleich ins Abstruse, in den Abgrund des Subjekts.

Spr. in Prosa, Eth. III. Nr. 297 (1826). H. 19, 297. [779.

Die christliche Religion ist ein mächtiges Wesen für sich, woran die gesunkene und leidende Menschheit von Zeit zu Zeit sich immer wieder emporgearbeitet hat, und indem man ihr diese Wirkung zugesteht, ist sie über aller Philosophie erhaben und bedarf von ihr keine Stütze.

Gespr. mit Eckermann, den 4. febr. 1829. [780.

Daß der Mensch ins Unvermeidliche sich füge, darauf dringen alle Religionen; jede sucht auf ihre Weise mit dieser Aufgabe fertig zu werden. Die christliche hilft durch Glauben, Liebe, Hoffnung gar anmutig nach; daraus entsteht denn die Geduld, ein süßes Gefühl, welch' eine schäßbare Gabe das Dasein bleibe, auch wenn ihm anstatt des gewünschten Genusses das widerwärtigste Leiden aufgebürdet wird. An dieser Religion halten wir fest, aber auf eine eigene Weise. Wanderjahre III. 11 (1829). H. 18, 369. [781.

Wir unterrichten unsere Kinder von Jugend auf von den großen Vorteilen, die sie (die christliche Religion) uns gebracht hat; dagegen von ihrem Ursprung, von ihrem Verlauf geben wir zuletzt Kenntnis u. s. w. Ebendas. [782.

Sie wissen, wie ich das Christentum achte, oder wissen es auch nicht. Wer ist denn heutzutage ein Christ, wie Christus ihn haben wollte? Ich allein vielleicht, ob Ihr mich gleich für einen Heiden haltet.

Unterh. mit Kanzler Müller, den 7. April 1830. [83.

Apokrypha. Wichtig wäre es, das hierüber historisch schon Bekannte nochmals zusammenzufasssen und zu zeigen, daß gerade jene apokryphischen Schriften, mit denen die Gemeinden schon in den ersten Jahrhunderten unserer Aera überschwemmt wurden und woran unser Kanon noch jezt leidet, die eigentliche Ursache sind, warum das Christentum in keinem Momente der politischen und Kirchengeschichte in seiner ganzen Schönheit und Reinheit hervortreten konnte.

Spr. in Prosa, Eth. VII. Nr. 573 (veröffent. nach 1832). H. 19, 121. [784.

Mag die geistige Kultur nur immer fortschreiten, mögen die Naturwissenschaften in immer breiterer Ausdehnung und in die Tiefe wachsen und der menschliche Geist sich erweitern, wie er will, über die Hoheit und sittliche Kultur des Christentums, wie es in den Evangelien schimmert und leuchtet, wird er nicht hinauskommen. — Sobald man die reine Lehre und Liebe Christi, wie sie ist, wird begriffen und in sich eingelebt haben, wird man sich als Mensch groß und frei fühlen und auf ein bißchen so und so im äußeren Kultus nicht mehr sonderlichen Wert legen. Auch werden wir alle nach und nach aus einem Christentum des Wortes und Glaubens immer mehr zu einem Christentum der Gesinnung und That kommen.

Gespr, mit Eckermann, den 11. März 1832. [785.

0) Die sichtbare Kirche, Lehre und Kultus.

Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten.
Faust I.

Ich hatte die seltsamsten religiösen Zweifel, die ich gern bei einer solchen Gelegenheit (der ersten Beichte) berichtiget hätte. Ich empfing die Absolution und entfernte mich weder warm noch kalt. Dichtg. u. Wahrh. VII (1763). H. 21, 75. [786.

Es hatte schon sehr früh der Spruch, daß einer, der das Sakrament unwürdig genieße, sich selbst das Gericht esse und trinke, einen ungeheuren Eindruck auf mich gemacht. Dieser düstere Skrupel quälte mich der gestalt und die Auskunft, die man mir als hinreichend vorstellen wollte, schien mir so kahl und schwach, daß jenes Schreckbild nur an furchtbarem Ansehen dadurch gewann und ich mich, sobald ich Leipzig erreicht hatte, von der kirchlichen Verbindung ganz und gar loszuwinden suchte.

Dichtg. u. Wahrh. VII (1765). H. 21, 75. [787.

Ich mochte mir wohl eine Gottheit vorstellen, die sich von Ewigkeit her selbst produziert. Da sich aber Produktion nicht ohne Mannigfaltigkeit denken läßt, so mußte sie sich notwendig sogleich als ein Zweites erscheinen, welches wir unter dem Namen des Sohnes anerkennen. Diese beiden mußten nun den Akt des Hervorbringens fortsetzen und er

schienen sich selbst wieder im dritten, welches nun ebenso bestehend, lebendig und ewig als das Ganze war.

Dichtg. u. Wahrh. VIII (1769). H. 21, 126. [788.

Wie ich war, so bin ich noch, nur daß ich mit unserem Herrn Gott etwas besser stehe und mit seinem lieben Sohne Jesu Christo. An Limprecht, am Charfreitag 1770. [789.

Mit aller Ihrer Resignation für den zweiten Artikel haben Sie doch gar wenig Empfindung für den ersten. Ja wenn Sie nur ein rechtes Gefühl von der allgegenwärtigen Liebe hätten, Sie würden nicht so jammern. — Ich müßte mehr Ehre haben, von der wahren Nachfolge Christi zu reden, oder ich müßte unverschämter sein, wenn ich mich über die Malerei der falschen Propheten erklären wollte. An einen Unbekannten, wohl im Sommer 1770 geschr. (Schöll, Briefe u. Aufs. S. 35). [790.

Ich bin heute mit der christlichen Gemeine hingegangen, mich an des Herrn Leiden und Tod zu erinnern. Mein Umgang mit den frommen Leuten hier ist nicht gar stark. Ich hatte mich im Anfange stark an sie gewendet, aber es ist, als wenn es nicht sein sollte. Sie sind so von Herzen langweilig, wenn sie anfangen, daß es meine Lebhaftigkeit nicht aushalten konnte. An Frl. v. Klettenberg, den 26. Aug. 1770. [791.

Was sind die Mühseligkeiten eures (des weltlichen) Lebens gegen die Jämmerlichkeiten eines (des priesterlichen) Standes, der die besten Triebe, durch die wir werden, wachsen und gedeihen, aus mißverstandener Begierde, Gott näher zu rücken, verdammte?

Gottfried v. Berlich. I (1771). H. 11, 2. 23. [792.

Ich hatte mir in meinem jugendlichen Sinn festgesetzt, daß der Staat, der Gesetzgeber das Recht habe, einen Kultus zu bestimmen, nach welchem die Geistlichkeit lehren und sich benehmen solle, die Laien hingegen sich äußerlich und öffentlich zu richten hätten; übrigens sollte die Frage nicht sein, was jeder bei sich denke, fühle oder sinne.

Dichtg. u. Wahrh. XI (1771). H. 22, 26. [793.

In eine der Lehren des Luthertums, welche die Brüdergemeinde noch geschärft hatte, das Sündhafte im Menschen als vorwaltend anzusehen, versuchte ich mich zu schicken, obgleich nicht mit sonderlichem Glück. Doch hatte ich mir die Terminologie dieser Lehre ziemlich zu eigen gemacht und bediente mich derselben in einem Briefe, den ich unter der Maske eines Landgeistlichen an einen neuen Amtsbruder zu erlassen beliebte. Das Hauptthema desselbigen Schreibens war jedoch die Losung der damaligen Zeit; sie hieß: Toleranz. Dichtg. u. Wahrh. XII (1772). H. 22, 63. [794.

Diese (die Hallerschen) Briefe sind hauptsächlich gegen die stolzen Weisen unseres Jahrhunderts gerichtet, die in Gott noch etwas anderes als den Strafrichter des schändlichen Menschengeschlechts sehen, die da glauben, das Ge schöpf seiner Hand sei kein Ungeheuer, diese Welt sei in den Augen Gottes noch etwas mehr als das Wartezimmer des künftigen Zustandes, und die sich vielleicht gar vermessen zu hoffen, er werde nicht in alle Ewigkeit fortstrafen.

Rez. von Hallers Briefen üb. die wichtigsten Wahrheiten der Offenbarung. (Frankf. Gel. Anz. 1772.) H. 29. 21. [795.

Er (der Teufel) hängt so sehr mit der Lehre des Morgenländers von der menschlichen Seele, seiner Idee von der Moralität, natürlichem Verderben u. s. w. zusammen, wird durch seine Sittensprüche, Allegorien und Dogmata aller

« PreviousContinue »