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am Pfingstfeste in Glanz und Klarheit erteilt, deutete ich mir auf eine etwas abstruse Weise, nicht geeignet, sich viele Teilnehmer zu verschaffen.

Dichtg. u. Wahrh. XII (1771 72). H. 22, 62. [697.

Ich bin ein sehr irdischer Mensch. Mir ist das Gleichnis vom ungerechten Haushalter, vom verlorenen Sohn, vom Säemann, von der Perle, vom Groschen u. s. w. göttlicher (wenn ja etwas Göttliches da sein soll) als die sieben Botschafter, Leuchter, Hörner, Siegel, Sterne und Wehe. Ich denke auch aus der Wahrheit zu sein, aber aus der Wahrheit der fünf Sinne und Gott habe Geduld mit mir wie bisher.

Un Lavater, den 28. Okt. 1779. [698.

Verdirb nichts an der Apokalypse.

Werke des Gedankens feilt und säubert man nicht genug. Aber so etwas verliert, wenn du das wegnimmst, was Auswuchs scheint. An dens., den 6. März 1780. [699.

Ich

Du findest nichts schöner als das Evangelium. finde tausende geschriebene Blätter alter und neuer von Gott begnadigter Menschen ebenso schön und der Menschheit nützlich und unentbehrlich u. s. w. Nimm nun, lieber Bruder, daß es mir in meinem Glauben so heftig ernst ist, wir dir in deinem, daß ich, wenn ich öffentlich zu reden hätte, für die nach meiner Überzeugung von Gott eingesetzte Aristokratie mit ebendem Eifer sprechen und schreiben würde, wie du für das Einreich Christi schreibst, müßte ich nicht alsdann das Gegenteil von vielem behaupten, was dein Pilatus enthält, was dein Buch uns als unwidersprechlich auffordernd ins Gesicht sagt? An dens., den 9. Aug. 1782. [700.

Wir sehnen uns nach Offenbarung,
Die nirgends würd'ger und schöner brennt
Als in dem Neuen Testament.

Faust I. 3 (nach 1790). H. 12, 42. [701.

Vom Himmel steigend Jesus bracht
Des Evangeliums ew'ge Schrift,

Den Jüngern las er sie Tag und Nacht;
Ein göttlich Wort, es wirkt und trifft.
Er stieg zurück, nahm's wieder mit.
Sie aber hatten's gut gefühlt

Und jeder schrieb so Schritt für Schritt,
Wie er's in seinem Sinn behielt,
Verschieden. Es hat nichts zu bedeuten.
Sie hatten nicht gleiche Fähigkeiten;
Doch damit können sich die Christen
Bis zu dem jüngsten Tage fristen.

Divan X. 9 (den 24. Mai 1815). H. 4, 196. [702.

Indem ich das Testament Johannis als das meinige schließlich ausspreche und als den Inhalt aller Weisheit einschärfe: Kindlein, liebt euch", darf ich hoffen, daß das Wort meinen Zeitgenossen nicht so seltsam vorkommen werde als den Schülern des Evangelisten, die ganz andere, höhere Offenbarungen erwarteten.

An Carlyle, den 1. Jan. 1828. (Engl. Ausg. der Briefe S. 39.) [703.

Es ist ein Meer auszutrinken, wenn man sich in eine historische und kritische Untersuchung dieserhalb (über die Abweichungen der Evangelisten von einander) einläßt. Man thut immer besser, sich ohne weiteres an das zu halten, was wirklich da ist, und sich davon anzueignen, was man für seine sittliche Kultur und Stärkung gebrauchen kann. Gesp. mit Eckermann, den 13. febr. 1831. [704.

Echt und unecht sind bei Dingen der Bibel gar wunderliche Fragen. Was ist echt als das ganz Unsterbliche, das mit der reinsten Natur und Vernunft in Harmonie steht

und noch heute unserer höchsten Entwickelung dient? Sollte die Echtheit einer biblischen Schrift durch die Frage entschieden werden, ob uns durchaus Wahres überliefert worden, so könnte man sogar in einigen Punkten die Echtheit der Evangelien bezweifeln, wovon Markus und Lukas nicht aus unmittelbarer Ansicht und Erfahrung, sondern erst spät nach mündlicher Überlieferung geschrieben und das letzte von dem Jünger Johannes erst im höchsten Alter. Dennoch halte ich die Evangelien alle vier für durchaus echt, denn es ist in ihnen der Abglanz einer Hoheit wirksam, die von der Person Christi ausging und die so göttlicher Art, wie nur je auf Erden das Göttliche erschienen ist.

Gespr. mit Eckermann, den 11. März 1832. [705.

Vogel, Goethe.

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1) Die Wunder.

Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind.

Faust I. 1.

Seinen (Jungs) Wunderglauben, der ihm so wohl zu statten kam, ließ ich unangetastet.

Dichtg. u. Wahrh. IX (1770). H. 21, 145. [706.

Durch diesen entschiedenen, bibelbuchstäblichen Glauben mußte er (Lavater) auch eine völlige Überzeugung gewinnen, daß man ebenso gut noch heutzutage wie zu jener Zeit Wunder müsse ausüben können, und da es ihm vollends schon früh gelungen war, in bedeutenden und dringenden Angelegenheiten durch brünstiges, ja gewaltsames Gebet im Augenblick eine günstige Umwendung schwer bedrohender Unfälle zu erzwingen, so konnte ihn keine kalte Verstandeseinwendung im mindesten irre machen.

Dichtg. u. Wahrh. XIX (1775). H. 23, 84. [707.

In meinen Augen knüpfte sich bei Lavater der höchste Menschenverstand und der größte Aberglauben durch das feinste und unauflöslichste Band zusammen.

An Frau v. Stein, den 6. April 1782. [708.

Du hältst das Evangelium, wie es steht, für die gött

lichste Wahrheit.

Mich würde eine vernehmliche Stimme

vom Himmel nicht überzeugen, daß das Wasser brennt und das Feuer löscht, daß ein Weib ohne Mann gebiert und daß ein Toter aufersteht. Vielmehr halte ich alles dies für Lästerungen gegen den großen Gott und seine Offenbarung in der Natur.

An Lavater, den 9. Aug. 1782. [709.

Es ist erbärmlich anzusehen, wie die Menschen nach Wundern schnappen (es handelt sich um den Prozeß Cagliostros), um nur in ihrem Unsinn und Albernheit beharren zu dürfen und um sich gegen die Obermacht des Menschenverstandes und der Vernunft wehren zu können.

An Jacobi, den 1. Juni 1791. [710.

Von Lavaters Zug nach dem Norden habe ich gehört, auch daß er den Philosophen des Tages unterwegs gehuldigt hat. Dafür werden sie ihm ja auch gelegentlich die Wunder durch eine Hinterthür in die Wohnung des Menschenverstandes wieder hereinlassen. An dens., den 7. Juli 1793. [711.

Diese Meinung (daß einzelnen eine besondere Offenbarung zu teil wird) wird immer bei denen bestehen, die sich gern Vorrechte wünschen und zuschreiben, denen der Blick über Gottes große Welt, die Erkenntnis seiner allgemeinen ununterbrochenen und nicht zu unterbrechenden Wirkungen nicht behagt, die vielmehr um ihres lieben Ichs, ihrer Kirche und Schule willen Privilegien, Ausnahmen und Wunder für ganz natürlich halten.

Anz. v. Plato als Mitgenosse einer christl. Offenbarung von L. v. Stolberg, 1795, veröffentl. 1826, Kunst u. Altert. V. 3. H. 29, 485. [712.

Alle diese geistigen Wunder (bei den Sakramenten der kathol. Kirche) entsprießen nicht wie andere Früchte dem natürlichen Boden. Da können sie weder gesäet noch ge

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