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Es giebt den Standpunkt einer Art Religion, den der reinen Natur und Vernunft, welcher göttlicher Abkunft. Dieser wird ewig derselbige bleiben und dauern und gelten, so lange gottbegabte Wesen vorhanden. Doch ist er nur für Auserwählte und viel zu hoch und edel, um allgemein zu werden. Sodann giebt es den Standpunkt der Kirche, welcher mehr menschlicher Art. Er ist gebrechlich, wandelbar und im Wandel begriffen; doch auch er wird in ewiger Umwandlung dauern, so lange schwache menschliche Wesen sein. werden.

Gespr. mit Eckermann, den 11. März 1832. [653.

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Sobald man nur von dem Grundsatz ausgeht, daß Wissen und Glauben nicht dazu da sind, einander aufzuheben, sondern einander zu ergänzen, so wird schon überall das Rechte ausgemittelt werden. Unterh. mit Falk, Jan. 1813 (S. 66).

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k) Offenbarung. Die heilige Schrift.

Wir lernen das Überirdische schätzen,
Wir sehnen uns nach Offenbarung.

Faust I.

Überall hörte ich sagen, daß zum Verständnis des Alten Testaments sowie des Neuen die Grundsprachen nötig wären. Das letztere las ich ganz bequem, weil die sogenannten Evangelien und Episteln, damit es ja auch Sonntags nicht an Übung fehle, nach der Kirche rezitiert, übersetzt und einigermaßen erklärt werden mußten. Ebenso dachte ich es nun auch mit dem Alten Testament zu halten, das mir wegen seiner Eigentümlichkeit ganz besonders von jeher zugesagt hatte.

Dichtung u. Wahrh. IV (ca. 1760). H. 20, 116. [654.

Indessen mochte ihm (dem Rektor Albrecht) meine die Bibel nach allen Seiten durchkreuzende kindische Lebhaftigfeit doch ziemlich ernsthaft und einiger Nachhilfe wert geschienen haben.

Ebendas. H. 20, 120. [655.

Ich für meine Person hatte sie (die Bibel) lieb und wert; denn fast ihr allein war ich meine sittliche Bildung schuldig. Die Begebenheiten, die Lehren, die Symbole, die Gleichnisse, alles hatte sich tief bei mir eingedrückt und war auf die eine oder andere Weise wirksam gewesen. Mir mißfielen daher die ungerechten, spöttlichen und verdrehenden Angriffe (auf dieselbe).

Dichtung u. Wahrh. VII (ca. 1766). H. 21, 58. [656.

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Bibelfest wie ich war, kam es bloß auf den Glauben an, das, was ich menschlicherweise zeither geschätzt, nunmehr für göttlich zu erklären, welches mir umso leichter fiel, da ich die erste Bekanntschaft mit diesem Buche als einem göttlichen gemacht hatte.

Dichtung u. Wahrh. VIII (1768). H. 21, 112. [657.

Er (Voltaire) hatte die Religion und die heiligen Bücher, worauf sie gegründet ist, um den sogenannten Pfaffen zu schaden, niemals genug herabsetzen können und mir dadurch manche unangenehme Empfindung erregt.

Dichtung u. Wahrh. XI (1771). H. 22, 38. [658.

Die Bibel als ein zusammengetragenes, nach und nach entstandenes, zu verschiednen Zeiten überarbeitetes Werk anzusehen, schmeichelte meinem kleinen Dünkel, indem diese Vorstellungsart noch keineswegs herrschend, viel weniger in dem Kreise aufgenommen war, in dem ich lebte.

Dichtung u. Wahrh. XII (1771–72). H. 22, 60. [659.

Daß in der Bibel sich Widersprüche finden, wird jezt niemand in Abrede stellen. Diese suchte man dadurch auszugleichen, daß man die deutlichste Stelle zu Grunde legte und die widersprechende, weniger flare jener anzuähnlichen bemüht war. Ich dagegen wollte durch Prüfung herausfinden, welche Stelle den Sinn der Sache am meisten ausspräche; an diese hielt ich mich und verwarf die andern als untergeschoben.

(Es befestigte sich die Grundmeinung), alles Äußere, was auf uns unwirksam oder einem Zweifel unterworfen sei, habe man der Kritik zu überlassen, welche, wenn sie auch imstande sein sollte, das Ganze zu zerstückeln und zu zersplittern, dennoch niemals dahin gelangen würde, uns

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