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g) Einkehr und Buße.

Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust,
Die eine will sich von der andern trennen.
Die eine hält in derber Liebeslust

Sich an die Welt mit klammernden Organen,
Die andre hebt gewaltsam sich vom Dust
Zu den Gefilden hoher Ahnen.

Faust I. 2.

Sie (Frl. v. Klettenberg) fand an mir, was sie bedurfte, ein junges, lebhaftes, nach einem unbekannten Heile strebendes Wesen, das, ob es sich gleich nicht für außerordentlich fündhaft halten konnte, sich doch in keinem behaglichen Zustand befand und weder an Leib noch Seele ganz gesund war.

Dichtg. u. Wahrh. VIII (1768). H. 21, 116. [458.

Meine Unruhe, meine Ungeduld, mein Streben, mein Suchen, Forschen, Sinnen und Schwanken legte sie (die Genannte) auf ihre Weise aus und verhehlte mir ihre Überzeugung nicht, das alles komme daher, weil ich keinen versöhnten Gott habe. Nun hatte ich von Jugend auf geglaubt, mit meinem Gott ganz gut zu stehen, ja bildete mir nach mancherlei Erfahrungen wohl ein, daß er gegen mich sogar im Rest stehen könne. Und ich war kühn genug zu glauben, daß ich ihm einiges zu verzeihen hätte. Dieser Dünkel gründete sich auf meinen unendlich guten Willen, dem er, wie mir schien, besser hätte zu Hilfe kommen sollen.

Ebendas. H. 21, 117. [459.

Hier (gegenüber Friderike Brion) war ich zum erstenmale schuldig. Ich hatte das schönste Herz in seinem

Tiefsten verwundet und so war die Epoche einer düsteren Reue höchst peinlich, ja unerträglich.

Dichtg. u. Wahrh. XII (1771-72). H. 22, 71. [460.

Bin ich der Flüchtling nicht, der Unbehauste,
Der Unmensch ohne Zweck und Ruh,

Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste,
Begierig wütend nach dem Abgrund zu?

Und ich, der Gottverhaßte

Hatte nicht genug,

Daß ich die Felsen faßte

Und sie zu Trümmern schlug? u. s. w.

Faust I. 13 (Urfaust). H. 12, 108. [461.

Großer, herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennst und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden, der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt?

Faust I. 22 (Urfaust). H. 12, 143. [462.

Ich bin ein Armer, Verirrter, Verlorner

An Auguste Gräfin v. Stolberg, den 18. Sept. 1775. [463.

Das erbärmliche Liegen im Staube, Fritz, und das Winden der Würmer! Ich schwöre dir bei meinem Herzen, wenn das nicht Kindergelall und Gerassel ist, der Werther und all das Gezeug, gegen das innere Zeugnis meiner Seele.

An Fritz v. Stolberg, den 26. Okt. 1775. [464.

Bin ich denn nur in der Welt, mich in ewiger unschuldiger Schuld zu winden? Reisetagebuch v. 30. Okt. 1775. [465.

Ich unstäter Mensch! Was rechte Weiber sind, sollten keine Männer lieben; wir sind's nicht wert.

An Auguste Gräfin v. Stolberg, den 18. Mai 1776. [466.

Jch bleibe immer der ganz sinnliche Mensch.

An Frau von Stein, den 8. Nov. 1776. [467.

Stiller Rückblick aufs Leben, auf die Verworrenheit, Betriebsamkeit, Wißbegierde der Jugend, wie sie überall herumschweift, um etwas Befriedigendes zu finden. Wie ich besonders in Geheimnissen und dunklen imaginativen Verhältnissen eine Wollust gefunden habe. Wie ich alles Wissenschaftliche nur halb angegriffen und bald wieder habe fallen lassen. Wie eine Art von demütiger Selbstgefälligkeit durch alles geht, was ich damals schrieb. Wie kurzsichtig in. menschlichen und göttlichen Dingen ich mich umgedreht habe. Wie des Thuns, auch des zweckmäßigen Denkens und Dichtens so wenig, wie in zeitverderbender Empfindung und Schattenleidenschaft gar viele Tage verthan. Wie wenig mir davon zu Nußen kommen und, da die Hälfte des Lebens vorüber, nun kein Weg zurückgelegt ist, ich vielmehr nun dastehe wie einer, der sich aus dem Wasser rettet und den die Sonne anfängt wohlthätig abzutrocknen.

Tagebuch v. 7. Aug. 1779. [468.

Gott helfe weiter und gebe Lichter, daß wir uns nicht selbst so viel im Wege stehen. Ebendas. [469.

Erst hier (bei Lavater) geht mir recht klar auf, in was für einem sittlichen Tod wir gewöhnlich zusammenleben und woher das Eintrocknen und Einfrieren eines Herzens kommt, das an sich nie dürr und nie kalt ist. Gebe Gott, daß unter mehr großen Vorteilen auch dieser uns nach Hause begleite, daß wir unsere Seelen offen behalten.

An Frau v. Stein, den 30. Nov. 1779. [470.

Ich war mir edler, großer Zwecke bewußt, konnte aber niemals die Bedingungen begreifen, unter denen ich wirkte. Was mir mangelte, merkte ich wohl, was an mir zuviel sei, gleichfalls. Deshalb unterließ ich nicht, mich zu bilden. nach außen und innen. Und doch blieb es beim Alten. Ich verfolgte jeden Zweck mit Ernst, Gewalt und Treue. Dabei gelang mir oft, widerspenstige Bedingungen vollkommen zu überwinden, oft aber auch scheiterte ich daran, weil ich nachgeben und umgehen nicht lernen konnte. Und so ging mein Leben hin unter Thun und Genießen, Leiden und Widerstreben, unter Liebe und Zufriedenheit, Haß und Mißfallen anderer. Hieran spiegele sich, dem das gleiche Schicksal ges worden. Biogr. Einzelheiten (bezüglich der Zeit um 1779/80). H. 27, 299. [471.

In meinem jezigen Kreis habe ich wenig, fast gar keine Hinderung außer mir. In mir ist noch viele. Die menschlichen Gebrechen sind rechte Bandwürmer. Man reißt wohl einmal ein Stück ab, und der Stock bleibt immer sizen. Ich will doch Herr werden. Niemand, als wer sich ganz verleugnet ist wert zu herrschen und kann herrschen.

Tagebuch v. 13. Mai 1780. [472.

Lieber Bruder, du könntest mich schon von manchem fliegenden Fieber des Grimms reinigen. In mir reinigt sich's unendlich, und doch gestehe ich gern, Gott und Satan, Höll' und Himmel, die du so schön bezeichnest, sind in mir Einem. Un Lavater, den 7. Mai 1781. [473.

Wenn man älter und die Welt enger wird, denkt man manchmal mit Wunden an die Zeiten, wo man sich zum Zeitvertreib Freunde verscherzt und in leichtsinnigem Übermute die Wunden, die man schlägt, nicht fühlen kann noch zu heilen bemüht ist. An Jacobi, den 2. Okt. 1782. [474.

Vogel, Goethe.

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Wenn du eine glühende Masse Eisen auf dem Herde siehst, so denkst du nicht, daß so viele Schlacken darin stecken, als sich erst offenbaren, wenn es unter den großen Hammer kommt. Dann scheidet sich der Unrat, den das Feuer selbst nicht absonderte, und fließt in glühenden Tropfen und Funken davon, und das gediegene Erz bleibt dem Arbeiter in der Zange. Es scheint, als wenn es eines so gewaltigen Hammers bedurft habe, um meine Natur von den vielen Schlacken zu befreien und mein Herz gediegen zu machen. Und wie viel Unrat weiß sich da noch zu verstecken!

An denselben, den 17. Nov. 1782. [475.

Ich brachte reines Feuer vom Altar;
Was ich entzündet, ist nicht reine flamme.

Ilmenau, 3. Sept. 1783. H. 1, III. [476.

Ach, warum versäumt

man so viele Augenblicke,

An Jacobi, den 3. März 1784. [477.

Freunden wohlzuthun!

Gebe der Himmel, daß bei meiner Rückkehr auch die moralischen Folgen an mir zu fühlen sein möchten, die mir das Leben in der weiten Welt gebracht hat!

Ital. Reise, v. 20. Dez. 1786. H. 24. 139. [478.

daß dem Menschen nichts Vollkommnes wird,
Empfind' ich nun. Du gabst zu dieser Wonne,
Die mich den Göttern nah und näher bringt,
Mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr
Entbehren kann, wenn er gleich kalt und frech
Mich vor mir selbst erniedrigt und zu nichts
Mit einem Worthauch deine Gaben wandelt.

Faust I. 13 (1786-88?). H. 12. 105. [479.

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