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und Außerungen Schillers im Prolog zu Wallenstein. 3. Ein edler Gegenstand darf nicht gemein behandelt werden." Hinweis auf Gellerts Fabel, welche er dem König von Preußen bei der Audienz vortrug und die von einem Maler erzählt, der den Mars im Bilde dargestellt hatte, sowie auf Schillers Aufsatz (als reiche Fundgrube für die gestellte Aufgabe überhaupt bezeichnet):,,Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst." 4. „Unedle Eigenschaften, die Laster und Verbrechen, müssen so dargestellt werden, daß sie abschrecken, nicht locken" - der Schüler entwickelt diesen Gedanken an der Charakteristik des Geizigen, des Scheinheiligen (Tartüffe) von Molière, an Lessings Riccaut de la Marlinière, an Kriemhilde, insofern der Dichter des Nibelungenliedes seine Feindseligkeit gegen deren Nachsucht nicht verbirgt. 5. Aber Niedrigkeit des Zustandes, wenn sie nur mit Hoheit. der Gesinnung verbunden ist, kann ins Erhabene übergehen, also sehr wohl in der Dichtung verwendet werden" - prächtiges Beispiel die Heldin des Gudrunliedes (Treue gegen den Bräutigam und Stolz des töniglichen Bewußtseins). 6. Insbesondere ist es die Schaubühne, die sehr viel zur Erziehung des Volkes nicht bloß, sondern auch der Menschheit beitragen kann und dann in die Reihe der höchsten Bildungsanstalten gehört" der Schüler liest zuvor Schillers Vortrag über „Die Schaubühne als moralische Anstalt betrachtet", wo ausgeführt ist, daß die Schaubühne 1. die Aufklärung des Verstandes, 2. die Bildung des Herzens, 3. die edelste Unterhaltung gewährt Widerlegung von Rousseaus Behauptung (in der Preisschrift von 1750), daß die Künste und Wissenschaften die Verderbnis der Sitten herbeigeführt haben durch Äußerungen Lessings in,,Das Neueste aus dem Reiche des Wißes" 1751.— Schiller ist selbst das erhabenste Beispiel eines echten Künstlers" die schönen Worte Goethes über ihn im Epilog zur Glocke!

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Man sieht, Niemeyer weiß den Schüler auf festen Grund und Boden zu stellen; wenn dies aber geschehen ist, dann wird die Leistung des Schülers auch Hand und Fuß haben. Schon der gegebene Auszug aus der vortrefflichen Abhandlung des Verfassers über den genannten Gegenstand wird das von Niemeyer eingehaltene Verfahren, welches in der That des höchsten Lobes würdig ist, veranschaulichen; aber auf jeder Seite finden wir es strenge beobachtet: geschickte Anleitung, wie der Schüler das Thema zu erfassen hat und seinen Ideenkreis erweitern und leeres Phrasentum vermeiden kann; zugleich werden bei dieser Methode die Kräfte des jungen Stilisten voll und ganz in Anspruch genommen, eigenes Nachdenken über die aus der unerläßlichen, vorbereitenden Lektüre gewonnenen Anschauungen geweckt und herausgefordert. - Welcher Lehrer des Deutschen hat nicht bei dem Studium von Hildebrands Schrift über

den deutschen Sprachunterricht seine herzliche Freude gehabt an dem erfrischenden und belebenden Odem, der aus diesen Anleitungen weht, wie es in der deutschen Stunde gemacht werden soll, damit die hohen Ziele, Veredlung des Gemüts und Stärkung der Schaffensluft unsrer Jugend auch erreicht und die Sinne geschärft werden an dem wunderbaren Bildungsstoff unsrer Sprache - in den Niemeyerschen Aufsatzentwürfen haben wir ein Stück des ins Praktische überseßten Hildebrand. Materialien und Dispositionen sind gerade in neuerer Zeit in nicht geringer Anzahl erschienen; aber ich wüßte kein einziges dieser Erzeugnisse zu nennen, welches durch eine solche Summe erzieherischer Erfahrung, durch gereifte Erkenntnis, planmäßige Durchführung und anregende Einzelheiten derart sich auszeichnete, wie das Werk Niemeyers, das ich am liebsten als eine Art pädagogischen Testamentes bezeichnen möchte, als ein wertvolles Erbe für die jüngere Generation. Man müßte das ganze Werk abschreiben, wollte man zeigen, in wie hohem Grade charakterbildend und zugleich formveredelnd stilistische Übungen werden können, wenn die Art und Weise dieser Entwürfe zur Richtschnur genommen wird. In Bezug auf die gestellten Aufgaben, deren Bearbeitung der Verfasser, wie er im Vorwort mitteilt, entweder selbst vorzunehmen oder zu denen er wenigstens die Quellen ausfindig zu machen pflegte, sei hier noch bemerkt, daß eine Fülle von neuen Themen sich findet, teils in ausgeführten Aufsägen, teils bei mehr oder minder größeren Entwürfen mit wegweisenden Angaben für den Lehrer. Der erste Teil bringt auf 244 Seiten, der zweite Teil (Aufgaben aus der Litteratur) auf 274 Seiten Themen für die ganze Stufenleiter von Quarta bis Prima.

Möge Niemeyers Werk, diese schöne gereifte Frucht einer 40 jährigen Schulpraxis, in Fachkreisen die Beachtung finden, auf die es gerechter Weise mehr Anspruch hat, als irgend ein Buch ähnlicher Art.

Dresden.

§. Unbescheid. Disposition zu deutschen Auffäßen für Tertia und Untersekunda. Von Dr. Ernst Ziegler. II. Paderborn. Verlag von Ferdinand Schöningh. 1888.

Auch in dem vorliegenden zweiten Teil bietet der Verfasser aus der Lektüre der griechischen und römischen Klassiker eine sehr reiche Auswahl von Stoffen, so daß der Lehrer des Deutschen am humanistischen Gymnasium wohl kaum hinsichtlich eines für Tertia und Untersekunda passenden Themas in Verlegenheit geraten wird. Freilich sezen viele dieser Aufgaben eine außerordentliche Durchdringung des Gelesenen nach der sachlichen Seite voraus, so daß wir einen leisen Zweifel hegen, ob auf diesen beiden Unterrichtsstufen, auf denen noch genug sprachliche

Schwierigkeiten zu überwinden sind, dieser hohe Grad allerdings sehr wünschenswerter lebendiger Erfassung des Gegenständlichen zu erreichen ist. Vor einem zu ausgiebigen Gebrauch von Themen aus der alten Klassischen Litteratur möchten wir überhaupt warnen: gerade dem Schüler des humanistischen Gymnasiums ist es heilsam, wohl auch Herzensbedürfnis, daß er bei den Übungen in der Muttersprache einmal von dem redet, was mit deutschem Geist und Leben erfüllt und durchdrungen ist. Welches Interesse wird er z. B. einer Aufgabe entgegenbringen, die Rede des Volkstribunen Metellius als Beispiel einer demagogischen Hezrede darzulegen? Wir möchten auch deshalb vor solchen Themen warnen, weil ein großer Teil der Schüler bei derartigen Aufgaben nur zu gern zur Eselsbrücke greift und hierdurch Gefahr läuft, an dem schlechten Deutsch derselben seinen Stil zu bilden. Wir befürworten auch für das Gymnasium volle Selbständigkeit des deutschen Unterrichts. Aus diesem Grunde können wir es auch nur für die unteren und höchstens die mittleren Klassen als angezeigt erachten, wenn der Lehrer des Lateinischen und Griechischen zugleich der der deutschen Sprache in derselben Klasse ist, während auf der oberen Stufe eine solche Personalunion, wie sie Ziegler für wünschenswert zu halten scheint, wohl besser zu vermeiden sein wird. -150 Dispositionen (110 aus Cäsar, Ovid, Curtius, Livius, Cicero, Virgil, Xenophon, Homer, 40 aus Uhlands Balladen und aus Ernst von Schwaben, aus Schillers Balladen, aus Maria Stuart und Tell), insbesondere auch die im Anhang gegebenen beiden Reden Ciceros sind mit großer Gedankenschärfe abgefaßt und mit Angabe der Quellen selbst bei den Unterteilen in zweckentsprechender Weise versehen.

Dresden.

§. Unbescheid.

Gotthold Klee, Hausmärchen aus Altgriechenland. Deutschen Kindern wiedererzählt. Gütersloh 1888, C. Bertelsmann. VI, 344. Gotthold Klee hat bereits durch seine Bearbeitung von G. Schwabs Sagen des klassischen Altertums, sowie durch ähnliche Arbeiten hinreichend dargethan, daß er wohl berufen ist, die alten Sagenstoffe in geeigneter Form der Jugend zu übermitteln. Auch in der vorliegenden Sammlung weiß er den rechten Herzenston zu treffen, der die Jugend unwiderstehlich gefangen nimmt. Gewiß war es ein neuer und zugleich kühner Gedanke, der vielleicht manchen vergrämten Pedanten zum Widerspruche reizen wird, die altgriechischen Sagen in der Form von Märchen unsern Kindern darzubieten. Der Verfasser meint, daß „diese alten Geschichten in Hellas ebenso gut von den Müttern und Großmüttern ihren Kindern und Enkeln am häuslichen Herde erzählt wurden, wie es

mit den Märchen von Schneewittchen, Däumling und andern bekannten und werten Persönlichkeiten noch heutigestags in Deutschland und anderwärts der Fall ist". Und wir halten diesen Gesichtspunkt in der That für einen sehr richtigen und gesunden; er erinnert an die Art, wie Niebuhr seinen Kindern die alten Sagen erzählte. Obwohl Klee manches geändert, auch hie und da eigene Ausschmückung hinzugethan hat, so hat er doch nie gegen den Geist der griechischen Sage verstoßen, nie den reinen, naiven Ton verlegt, den die griechische Sage fordert und der geradezu herzerquickend auf uns wirkt. In der Fassung Klees blickt die griechische Sage unsere Jugend aber zugleich viel vertrauter, ich möchte sagen inniger und herzenswärmer an, als sonst. Er hat Peter Hebel und den Brüdern Grimm den wahren Ton des Erzählens abgelauscht, und man hat bei der Lektüre des Buches nie den Eindruck des Gekünstelten und Gemachten. Wir können daher Klees vorzügliche und eigenartige Arbeit aufs wärmste empfehlen und wünschen, daß das schöne Buch vor allem in keiner Schülerbibliothek fehlen, daß es aber auch recht bald als ein wahres Schaßkästlein Eingang in jedes deutsche Haus finden möge.

Dresden.

Otto Lyon.

Kleine Mitteilungen.

Die Leser werden sich noch erinnern, daß in früheren Jahren der befannte Schriftvergleicher Kommissionsrat Adolf Henze in Neustadt-Leipzig einen Ehrenpreis auf das schönste und schreibfähigste Alphabet ausgesezt hat. Die zeitgemäße Idee, die darauf abzielte, den Deutschen endlich einmal eine einheitliche und zwar die formvollendetste, schönste Handschrift zu verschaffen, machte in den beteiligten Kreisen und darüber hinaus außergewöhnliches Aufsehen. Alle, die im Schreiben Tüchtiges leisteten, nahmen an dem glücklichen Wettbewerb den lebhaftesten Anteil. Im ganzen waren 754 Konkurrenz - Alphabete eingegangen, darunter 2 sogar von Amerika. Unter den Konkurrenten befanden sich 174 Lehrer, 109 Beamte (unter diesen waren 8 Ministerialbeamte), 61 Kaufleute, 38 Künstler (Maler, Kupferstecher, Lithographen u. s. w.), 34 Kalligraphen, 31 Schuldirektoren, 16 Gewerbetreibende, 12 Militärpersonen (darunter waren 7 Offiziere), 10 Ge= lehrte, 9 Pastoren, 9 Gymnasiallehrer, 8 Professoren, 7 Lehrerinnen, 2 Förster, 1 Gutsbesißer, 1 Justizrat. Die übrigen hatten ihren Stand nicht angegeben. Nach den Staaten verteilen sich die Konkurrenten in folgender Weise: Preußen lieferte 271 Preis- Alphabete, Sachsen 109, Österreich 90, Bayern 65, Baden 30, Württemberg 28, Schweiz 14, Rußland 10, Luxemburg 2, Frankreich 2, Holland 2, Amerika 2, die übrigen verteilen sich auf Sachsen-Weimar, Mecklenburg-Schwerin, Sachsen-Coburg-Gotha, Hessen-Darmstadt, Anhalt, Braunschweig, SachsenMeiningen, Mecklenburg-Strelit. Ein wahrhaft glänzender Erfolg des nationalen Unternehmens! Nachdem nun durch einen engeren Verein von Schriftkundigen unter Vorsiz des Herrn Kommissionsrat Henze aus dem eingegangenen reichen. Borrate eine Auswahl mustergiltiger Handschriften vorgenommen, nachdem ferner diese Auslese je nach der Beschaffenheit der Originale teils photographiert, teils

lithographiert, teils autographiert worden, erfolgte der Versand der vervielfältigten Exemplare an das aus 50 Mitgliedern bestehende Preisrichter-Kollegium. Als Sieger ging der Gymnasiallehrer Gosky in Kottbus hervor. Das angestrebte Ziel war damit erreicht, die schönste nach Form und Geist ausgezeichnetste nationale Schrift geschaffen. Der Begründer der Schrift feiert dies Ereignis mit folgenden Worten:

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Mein Preis-Ausschreiben zur Begründung einer deutschen National-Handschrift hat einen glänzenden Erfolg gehabt. Soweit die deutsche Zunge klingt, ist mein Aufruf mit Sympathie und Begeisterung aufgenommen worden. Der Deutsche hat es gefühlt, daß Deutschland auch in seiner Schrift einig sein müsse." Er schrieb dies im April 1868. ,,Der Zweck meiner Thätigkeit“, fährt Herr Kommissionsrat Henze fort, „für Anbahnung eines allgemeinen deutschen Schriftduktus ist durch das Zusammenwirken der besten Kräfte vollständig erreicht. Ich kann meine Genugthuung über diese allgemeine Teilnahme nicht aussprechen, ohne zugleich den deutschen Geist in seinem Streben für alles Hohe, Edle und Schöne rühmend anzuerkennen."

Die Teilnahme zeigte sich auch bei Einführung der Schrift, dem Schlußstein des ganzen Unternehmens. Nach einer uns neuerdings zugegangenen Mitteilung der Verlagshandlung von Adolf Henze hat sich die deutsche Preis - NationalHandschrift danach in kurzer Zeit eingebürgert. Die nach dieser Schrift bearbeiteten Henzeschen Schönschreibhefte für Schulen gelangten nicht allein in Deutschland, sondern auch in allen anderen Ländern, in welchen sich deutsche Schulen befinden, so in Frankreich, Österreich, Rußland, England, Italien u. s. w. zur Einführung; selbst die Deutschen in Afrika, Australien und Asien bedienen sich dieser NationalHandschrift. In Deutschland wurde sie von den meisten Regierungen den Schulvorständen zur Einführung angelegentlichst empfohlen, sie fand nach und nach in nicht weniger denn 3200 Schulen Eingang. Die deutsche Preis - NationalHandschrift wird mehr und mehr geistiges Eigentum der deutschen Nation.

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Einen höchst lesenswerten Aufsaß von Prof. Dr. O. Brenner in München unter der Überschrift: 3um mittelhochdeutschen Unterricht" bringen die Blätter für das bayrische Gymnasialschulwesen, XXIV. Jahrg., S. 177 bis 185. Der geistvolle Universitätslehrer fordert nachdrücklich, daß das Mittelhochdeutsche zum besseren Verständnis der mittelhochdeutschen Litteratur und zur richtigeren Auffassung der neuhochdeutschen Sprache und ihrer Dialekte von unseren Gymnasiasten erlernt werden solle. Er verlangt Einführung in die nhd. Grammatik und die mhd. Lektüre und beklagt mit Recht lebhaft, daß in Preußen und Österreich das Mittelhochdeutsche aus dem Gymnasiallehrplan gestrichen ist. Für den Beginn empfiehlt Brenner die Sprüche Freidanks, an welche sich der „arme Heinrich" anschließen solle. Zur Privatlektüre empfiehlt er die Gudrun, deren schwierigere Teile jedoch in der Schule zu besprechen seien. Im zweiten Jahre des mhd. Unterrichts sei das Nibelungenlied vorzunehmen, dessen erste Aventiuren zur Wiederholung der Grammatik und Metrik zu verwenden seien. Immer sei streng auf rhythmisch richtiges Lesen zu halten, dann würden später namentlich die lyrischen Verse als Kunstwerke strengen Stiles erkannt werden. Ob sich Parzival als Hauslektüre empfiehlt, läßt Brenner unentschieden; er empfiehlt, einzelne Stücke im Urtext zu lesen und zur Ergänzung derselben Böttichers treffliche Übersetzung zu benußen. Den Schluß solle die Lyrik bilden; nicht bloß Walther, auch die übrigen Minnesänger verdienten gelesen und erklärt zu werden. Der Auffaz Brenners berührt sich auss engste mit den Bestrebungen unserer Zeit

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