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für uns Deutsche selbst, die wir uns diesen vorgehaltenen Spiegel sehr wohl gefallen lassen können, ohne in Selbstbespiegelei verfallen zu wollen. Der Verfasser hat selbst auf die schönen Seiten unseres Volkswesens, welche sich in diesen Dichtungen ausprägen, in seinem Vorworte hingewiesen; leider hat er es sich nicht versagen können, seinen doch auf Verständigung und Versöhnung gerichteten Bestrebungen einen Tropfen Gift beizumischen in den Worten:

,,Soigneusement étudié, l'ordre des chapitres et des morceaux fera du moins entrevoir, à côté de la Prusse haineuse (!), l'Allemagne pensive (!). Doppelt bedauerlich ist ein solcher Ausspruch in einem für die Jugend bestimmten Buche. Wir hoffen, daß dieser Flecken bei einer neuen Auflage getilgt erscheint.

Es ist Professor Kuhff gelungen, in seine Sammlung auch viel Neues einzufügen. Dabei ist dies Neue gut. Er hat eine Reihe von Dichtern herangezogen, denen nur einmal in ihrer dichterischen Thätigkeit der große Wurf eines wirklich ansprechenden Gedichtes gelungen; indem Professor Kuhff gerade solche Gedichte mehrfach heranzog, hat er seine Sammlung durch ebenso schöne wie noch weniger bekannte Stücke bereichert.

Wenn Kuhff S. 16, 17 das Heideröslein von Goethe überarbeitet aufführt und an den Schluß „Goethe: des Knaben Wunderhorn" seßt, so bedarf es für die Mehrzahl der Franzosen doch sicher eines genaueren Hinweises, daß es sich hier um einen Demant der Volkslitteratur handelt, welchem Goethe durch seine Überarbeitung höhern Glanz verlieh.

Kuhff hat unter die vom Volksliede unmittelbar beeinflußten Lieder auch Lenaus tiefes Schilflied: „Auf dem Teich, dem regungslosen“ (S. 150) aufgenommen. Sollte dasselbe nicht zuviel Reflexion enthalten, um gerade an dieser Stelle eingereiht zu werden?

Das litterarische Problem, welches Kuhff S. 195 stellt, inwieweit die drei folgenden, verschi denen Nationen angehörenden Lieder: ,,The Burial of Sir John Moore",

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,,Stances sur les funérailles du colonel comte de Beaumanoir etc.", ,,Grabgesang",

welche den Tod verschiedener Nationalhelden in ungemein ähnlicher Weise behandeln, aufeinander eingewirkt haben oder gar voneinander abhängen, — ich sage, dieses litterarische Problem stört die Einheit des Buches; eine Behandlung solcher Fragen gehört in eine Fachzeitschrift. Vielleicht kann es Professor Kuhff nüßen, wenn ich anführe, daß er zur Lösung seines Problems der Revue,,Europa" Leipzig 1861, Nr. 10 und das Six-Pence - Magazine, June 1869 bedarf. Ihm ist es nicht gelungen, fich die genannten Nummern zu verschaffen.

Beitschr. f. d. deutschen Unterricht. 2. Jahrg. 4. Heft.

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Die Verlagshandlung hat durch schönen Druck und gediegene Ausstattung das ihrige gethan, um dem Buche die verdiente allgemeine Verbreitung zu sichern.

Dresden.

Wilhelm Scheffler.

Die Grundzüge der Meditation. Eine Anleitung zum Entwerfen von Auffäßen und Vorträgen für die oberen Klassen höherer Lehranstalten als Vorstufe zu den „, Meditationen" von Dr. Ferd. Schulz, Direktor des Kgl. Kaiserin - Augusta - Gymnasiums zu Charlottenburg. Dessau 1887, Baumann. V u. 69 S.

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Die gehaltvolle und lehrreiche Schrift begrüßen wir als eine willkommene Ergänzung zu den in dieser Zeitschrift Bd. 1 S. 461 flg. angezeigten Meditationen: der Herr Verfasser will darin die Methodik in ihren Grundzügen darlegen, die er in den Meditationen verfolgt hat, zugleich die Wege, die er eingeschlagen, einem größeren Kreise Gleichstrebender kenntlich machen". Seine Ausführungen sind bei aller Knappheit klar und lebensvoll. Von dem hohen Werte des hier Gebotenen, das wirklich erarbeitet" und sichtlich auf dem Wege langjährigen Suchens und Prüfens gewonnen" ist, dürfte auch der sich überzeugen, der bisher der Ansicht zuneigte, als bedürfe man so umständlicher Anweisungen überhaupt nicht, um die Schüler zur Auffindung der Gedanken und zu logischer Anordnung derselben hinzuleiten. Niemand wird dem hier empfohlenen Verfahren die Anerkennung versagen können, daß es denjenigen, der als Schüler genötigt wird, in solcher Weise zu arbeiten, auch für die Zukunft gewöhnt, einen Gegenstand in echt wissenschaftlicher Art von allen Seiten zu betrachten und klar und folgerichtig darzustellen. Ein Nürnberger Trichter oder bequemes Rezeptbuch ist das Büchlein nicht: es muß vom Lehrer, der es nußen will, gründlich studiert sein. Aber wer sich des Herrn Verfassers Führung anvertraut, der darf hoffen, daß ihm die Lösung der schwierigsten Aufgabe, die dem Lehrer des Deutschen in den oberen Klassen gestellt ist, mit der Zeit gelingt, auch wenn er nicht über die vielseitige Bildung des Verfassers und ein so außerordentliches Lehrgeschick gebietet, wie diese Schrift bekundet.

Leipzig.

G. Berlit.

Methodit des Unterrichtes in der deutschen Sprache von Franz Branky, Prof. an der K. K. Lehrerinnen - Bildungsanstalt in Wien. Wien 1887, Alfred Hölder. 80 S. Preis 50 Kr.

Obwohl das hübsche Schriftchen in erster Linie die Volksschule im Auge hat, so glauben wir es doch mit gutem Gewissen auch den Lehrern höherer Schulen, welche in den untersten Klassen Deutsch unterrichten,

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empfehlen zu dürfen. Es ist ein Vergnügen, das Büchlein zu lesen, das aus dem Unterrichte hervorgegangen ist und einen unzweifelhaft gewandten Lehrer, der auch mit der Geschichte der Muttersprache ver traut ist, zum Verfasser hat. Zugleich liefert es den erfreulichen Beweis eine Thatsache, von welcher die Freunde des deutschen Sprachunterrichtes von Rud. Hildebrand gewiß gern Kenntnis nehmen werden, wie das Verfahren, für welches hier erst der Weg gezeigt worden ist, im muttersprachlichen Unterricht immer mehr Anhänger und aller Orten an Boden gewinnt. Denn etwas wie Hildebrandscher Geist ist es, der auch in Brankys Schriftchen den Leser hier und da anweht. Für jeden ausgeführten Lehrplan enthält es schätzenswerte Winke und Ergänzungen, die auch erfahrene Lehrer nicht verschmähen werden. In der sonst guten und gefälligen Darstellung stört nur der österreichische Gebrauch des verhalten" im Sinne von „dazu anhalten".

Leipzig.

G. Berlit.

Klopstocks Oden. (In Auswahl.) Mit Einleitung und Anmerkungen von Christoph Würfl. Wien, 1887, Hölder. 45 Kr.

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Die Anzeichen dafür, daß Klopstock in der Schule allmählich die gebührende Beachtung findet, mehren sich in erfreulicher Weise. Ich erinnere nur an Lichtenhelds Auswahl (Wien, 1885, bei Graeser), an Fricks Auszug des Messias (Berlin, 1886) und an desselben Gelehrten vortreffliche Bemerkungen in den Epischen und lyrischen Dichtungen" (aus deutschen Lesebüchern, 4. Bd.). Auch die obengenannte Ausgabe von Würft ist mit Dank aufzunehmen. Den Vergleich mit Lichtenhelds Arbeit braucht sie in keiner Weise zu scheuen, wobei nicht übersehen werden darf, daß Würft, selbst ein bewährter Klopstockforscher, gegen jenen im Vorteil war, insofern er die Veröffentlichungen der lezten Jahre - namentlich auch Hamels Ausgabe benußen konnte, was er denn auch in der That mit vollem Recht gethan hat. Seine Einleitung, welche sich von überschwänglichen Lobpreisungen ebenso wie von unverständigem Tadel frei hält, giebt eine warme und gerechte Würdigung von Klopstocks Verdiensten, ohne die Frr= tümer und Schwächen des Dichters zu verschweigen. Sie ist bündig und faßlich gehalten, beschränkt sich strenger als die Lichtenheldschen auf das der Schule Dienliche und ist gut geschrieben. Nur ein paar kleine stilistische Unebenheiten fallen auf; so S. IV „seine Lieder überströmten", ohne Akkusativ, statt strömten über"; und S. IX,,wie bei der Sprache verhält es sich auch bei den Versmaßen". Die Erläuterungen beobachten das richtige Maß für ein Buch, das Schüler in Händen haben sollen, d. h. sie wollen keinen fortlaufenden Kommentar

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vorstellen, der den Lehrer schließlich überflüssig macht, sondern beschränken sich auf kurze sachliche und sprachliche Bemerkungen. Dabei bleibt für den Lehrer noch viel, sehr viel zu thun, aber es wird doch beträchtlich an Zeit gespart, die nun für Besprechung des Gedankeninhalts und andre Dinge, welche über das elementare Verständnis hinausliegen, vor allem aber für einen reichlicher bemessenen Lesestoff ausgenutzt wer den kann. Auch was der Herausgeber in den Anmerkungen beibringt, ist wohl erwogen, soviel ich sehe. Wenn über Gellert (S. 7) überhaupt ein Wort nötig war, so durften allerdings seine geistlichen Lieder nicht unerwähnt bleiben. Daß Erzt ältere Form für Erz (S. 113), Ahndung ältere Form für Ahnung (S. 132) sei, kann man nicht wohl sagen, ohne mißverstanden zu werden. Gegen die Auswahl lassen sich kaum viel erhebliche Einwände vorbringen. Ungern vermisse ich gleich am Anfang die älteste Ode, den Lehrling der Griechen, die doch auch Lichtenheld aufgenommen hat; in beiden Ausgaben fehlen leider die Oden: Der Rheinwein, Der Fürst und sein Kebsweib, das ergreifende kleine Gedicht Die Trennung und eins der allerschönsten Die beiden Gräber. Dagegen bietet Würft unter anderen die bei Lichtenheld schmerzlich vermißten: Das Rosenband, Hermann, Der Kamin, Das Wiedersehn und Winterfreuden. Auch die Aufnahme der Genesung" ist durchaus zu billigen, nicht nur, weil sie die älteste Ode in freien Rhythmen ist, sondern vor allem, weil Hamels Verdammungsurteil uns nicht davon abhalten soll, die Innigkeit der Empfindung und die poetische Schönheit des nicht eben gedankenreichen Gedichtes, namentlich der zweiten Strophe, anzuerkennen und nachzuempfinden. Nimmt man dazu, daß der Text bei Würft mit Sorgfalt behandelt ist, so wird man zugestehen müssen, daß seine Ausgabe allen billigen Anforderungen genügt; und darum wünsche ich ihr den besten Erfolg. Sie wird ohne Zweifel mit dazu beitragen, dem mächtigen, viel verkannten Dichter neue Freunde zu gewinnen, was wir im Interesse unserer Jugend nur wünschen müssen. Wenn irgend ein Dichter der Erklärung bedarf und die Erklärung lohnt, so ist es Klopstock. Seine Oden in bloßer Textausgabe zu lesen, ist für Schüler unmöglich; mindestens würde dann der privaten Beschäftigung, dem persönlichen Sichvertiefen (wozu anzuregen ein Hauptzweck der SchulLektüre ist) ein schwerer Riegel vorgeschoben, während bei bescheidener Unterstüßung des jugendlichen Lesers durch verständige Anmerkungen die eigentümliche Schönheit und Größe von Klopstocks Poesie erst recht lebhaft empfunden wird und reichen Segen für Herz und Geist spendet. Munckers vortreffliche Biographie sei bei dieser Gelegenheit dem Studium der Fachgenossen aufs wärmste empfohlen.

Baußen.

G. Klee.

Deutsche Auffah-Entwürfe. Für höhere Schulen von Prof. Dr. Eduard Niemeyer, Rektor a. D. des Dresden - Neustädter Realgymnasiums. 1. Teil: 1886, 2. Teil: Aufgaben aus der Litteratur nebst ausgearbeiteten Auffäßen 1888. Berlin, Verlag von Friedberg und Mode.

Von dem um den Unterricht in der Muttersprache so hochverdienten Verfasser begrüßt man jedes neue Werk mit gerechter Erwartung und Spannung. Aber keine der von Niemeyer bisher veröffentlichten wertvollen litterarischen Arbeiten (die größere und kleinere Grammatik, die deutsche Metrik und Poetik, die Kommentare zu Herders Cid, zu Lessings Philotas, Minna von Barnhelm und Nathan dem Weisen) ist in solchem Maße der Ertrag seines ganzen Lehrer- und Berufslebens, bringt den mit seltener Begabung und reichster Erfahrung im Fache des deutschen Unterrichtes ausgerüsteten Schulmann nach seiner vollen und liebenswürdigen Persönlichkeit zugleich auch unserem Herzen so nahe als diese deutschen Aufsagentwürfe. Welche Hingabe an diesen allerdings wichtigen Gegenstand des deutschen Unterrichtes, der bei oberflächlicher Behandlung das Gegenteil von dem bewirken kann, was er soll, welche Sorgfalt und Gründlichkeit in der Stoffsammlung, welche Sinnigkeit und welche Fülle von Anregung in dem Entwicklungsgange; wie edel und formvollendet die Sprache, so daß schon um des lezten Vorzugs willen das Vorlesen des Auffages durch den Lehrer etwa nach Rückgabe aller Arbeiten — bildend für den Schüler wirken muß! Ich wähle ein Beispiel aus der Sammlung, das ich jüngst in Prima mit bestem Erfolge habe bearbeiten lassen: „Der Menschheit Würde ist in eure Hand gegeben." Die Ausarbeitung dieses Themas ist unbedingt schwierig zu nennen; Schillers philosophisches Gedicht bildet die Grundlage. Niemeyer versteht es, den Schüler auch Schwierigkeiten überwinden zu lehren, nicht spielend, indem er denselben etwa, wie dies in den meisten. Sammlungen sogenannter „Musterauffäße“ geschieht, die auszuführenden Hauptgedanken zum Nachsprechen vorsagt, nein, dadurch, daß er die Selbstthätigkeit des Lernenden in hohem Grade anzuregen weiß: 1. „Ein Künstler, der durch seine Werke die Würde der Menschheit befördern will, muß selbst würdig sein, d. h. einen hohen Stand der geistigen und fittlichen Bildung einnehmen"; damit der Schüler diesen Satz findet, fordert Niemeyer ihn auf, im 7. Buche von Dichtung und Wahrheit Goethes Urteil über Christian Günther, sowie die Recension der Gedichte Bürgers, an dem Schiller die Läuterung des Innern vermißt, zuvor nachzulesen. 2. Aber die edelsten Wirkungen werden die Künstler nur dann hervorbringen, wenn sie die würdigsten Stoffe wählen" hier folgt ein Fingerzeig auf einige Strophen in Uhlands Sängers Fluch

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