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Klarheit des Denkens der Schüler sehr wichtig, sie an Genauigkeit in ihrem Gebrauch zu gewöhnen. Auf diese Läuterung des Denkens habe ich durch meinen ,,Lehrstoff für den deutschen Unterricht in Prima" hinzuwirken gesucht; Klaucke nennt die Ausführungen des kleinen Buches ein reichhaltiges Material, meint aber, ich wolle damit den deutschen Unterricht belasten (S. 23 Anm.), während ich ihn doch nur von Unklarheit befreien will.

Ob man statt der Fremdwörter deutsche technische Ausdrücke vorziehen sollte, ist eine andere Frage. Treffen diese genau die Sache, sind sie bequem in der Anwendung und jedem leicht verständlich, so sollte es natürlich immer geschehen. So gebraucht Klaude statt Peripetie den Ausdruck Wendepunkt, und, soweit ich sehe, würde dies Wort wohl auch immer passen. Wenn er aber S. 44 Voraussetzungen statt Exposition gebraucht, so ist das schon bedenklicher; man wird jedenfalls bei der Vermeidung des Fremdworts oft zu sehr weitläuftiger Rede gezwungen werden. Ich wundere mich nur, warum der Verf. selber so ungemein häufig ein so unbestimmtes Fremdwort wie Moment anwendet, das oft kaum einen andern Inhalt hat, als das Wort etwas.

Von irgend welcher Kritik des gelesenen Kunstwerks will Klaude durchaus nichts wissen; er will entweder das Bedenkliche so erklären, daß ein Tadel wegfällt, und wenn das nicht geht, solche Dichtung in der Schule überhaupt nicht lesen lassen. Die Bemerkung (S. 20) ist gegen eine von mir in meiner Schrift,,Zur Methodik des deutschen Unterrichts" S. 61 geäußerte Ansicht gerichtet, die ich dort durch eine Besprechung des Schillerschen Gedichtes,,Das Glück" erläutert und begründet habe. Leider läßt uns nun Klaude darüber gänzlich im Dunkeln, ob er dort das Bedenkliche rechtfertigen kann oder ob er das Gedicht von der Schullektüre ausschließen will. Will er das Zweite wirklich thun, ein so schönes, gedankenreiches Gedicht, eine Perle der Gedankenlyrik der einen Stelle wegen den Schülern vorenthalten? Mir wird es schwer, das von ihm zu glauben. Aber warum vernichtet er denn nicht durch eine Antikritik meine Kritik und beraubt dadurch die von mir geäußerte Ansicht dieser Stüße?1)

1) Statt dieses nahe Liegende zu thun, führt er mir in der Anmerkung zu S. 20 zu Gemüte, daß es mir begegnet sei, eine „eben nicht schwere Stelle falsch zu erklären“, nämlich die Lessingsche Fabel von den Sperlingen. In der Fabel liege nicht der von mir angegebene Gedankeninhalt: „Was für Menschen das Brauchbarste ist, kann für Tiere ganz wertlos sein“, sondern vielmehr der: „Der Pöbel, der das Große und Erhabene nicht versteht, giebt auch den geringen Anteil, welchen er ihm zu schenken pflegt, alsdann auf, wenn ihm dasselbe keinen Nußen mehr bringt". Und die Gründe für die Verwerfung meiner, für die Empfehlung seiner Erklärung? Die Moral habe es immer nur mit Menschen zu thun, und gerade

Wie gegen meine Ansicht über die zuweilen sich geltend machende Notwendigkeit einer Kritik richtet er sich auch in langer Ausführung S. 38 Anm. gegen meine Warnung jemals etwas zu erklären, was der Erklärung nicht bedarf, natürlich nicht gegen den Inhalt der Warnung jelber, sondern, wie es scheint, gegen das Aussprechen derselben, weil leicht dadurch die Gefahr entstehen könne, daß man auch manches der Erklärung Bedürftige unerklärt lasse. Der Verf. citiert dabei meinen Sah aus der Schrift „Zur Methodik" S. 40: „Das Tiesinnerste der ganzen Menschennatur ist entweder jedem Menschen, auch dem ungebildetsten, von vornherein verständlich, oder bleibt ihm, wenn sein eigenes Seelenleben von den geschilderten Stimmungen nie ergriffen war, immer dunkel und verschlossen". Leider ist das mit dem Druckfehler „Tiefernste" (statt Tiesinnerste, derselbe Druckfehler auf derselben Seite noch einmal) citiert, und leider hat der Verf. hinter Menschennatur nur Punkte gesezt statt der Worte sein Fühlen und Wollen, wie es in Lust und Liebe, Schmerz und Haß und Zorn sich spiegelt".

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Klaude hält diese Behauptung für unrichtig, citiert, um das darzuthun, zunächst zwei Stellen aus Goethe, in denen ich kein Material zur Widerlegung entdecken kann, weist auf den Othello hin, während ich ganz ausschließlich von Gefühlslyrik spreche, erwähnt, daß der lyrische Dichter häufig die Situation verschweige, über die ich ja (vgl. S. 39. 40) natürlich auch den Schüler aufgeklärt wissen will, und zeigt dann die Möglichkeit, den Leser in den rechten Seelenzustand zu verseßen, der ihn zum Empfinden und zum Genusse solcher Gedichte empfänglich mache, in denen die vorauszuseßende Situation oder die dem Ausbruche des Gefühls voraufgehenden Empfindungen verschwiegen werden, — an den beiden lezten Strophen von Goethes Zueignung".

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Klaude meint nämlich, jene beiden Strophen hätten auch Inhalt gestatte das recht gut - für sich bestehen und ohne die Vorbereitung durch die früheren das Motto zu Goethes Werken bilden können. Ohne jene Vorbereitung? Mit dem Saß im zweiten Verse der vorlegten Strophe,,so wirf ihn in die Luft?" Und es sollte auf der weiten

Sperlinge seien von Lessing gewählt, weil das die Gassenjungen der Tierwelt jeien. Welche andern Tiere sollen denn aber als diesen Gassenjungen gegenüberstehend auch nur von fern gedacht werden können, welche Tiere sollen Interesse haben gerade an einer Kirche und ihren Zwecken? Auch die in den Fabeln mit den alleredelsten Eigenschaften ausgestatteten Tiere müßten hier als zum Pöbel gehörig erscheinen, die ganze Tierwelt also als Pöbel; Pöbel aber ist ein relativer Begriff, man muß also Tierwelt und Menschenwelt einander gegenüberstellen, wie ich gethan habe, oder man könnte bei einer Anwendung auf die Menschenwelt nur im allgemeinen von tierisch beschränkter Auffassung einzelner Menschen sprechen, wobei das Besondere der Sperlinge dann ganz verschwände.

Gotteswelt einen Erklärer geben, der, wenn jene vorbereitenden Strophen fehlten, auch nur von fern auf die Gedankengänge gekommen wäre, die in ihnen enthalten sind? Ich meine, hier hat uns eben nur Goethe durch die zwölf voraufgehenden Strophen,,in den rechten Seelenzustand verseßen" können, um die dreizehnte überhaupt nur verstehen zu können, die selbst dann ganz unverständlich wäre, wenn statt „ihn“ stände „den Schleier".

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Um ein Beispiel von Gedichten zu geben, die nach meiner Meinung gar keiner Erklärung bedürfen, hatte ich auf Goethes Lied hingewiesen Der du von dem Himmel bist", hatte gesagt: „Ich wüßte nicht, welchen Nußen es bringen sollte, solchen Liedern auch nur ein erklärendes Wort hinzuzufügen". Diesen Sah citiert Klaucke und schreibt dann, ich sage das wohl; indes, was man nicht sehe, könne ja doch troßdem vorhanden sein. Ein Primaner könne Worte wie:,,Ach, ich bin des Treibens müde! Was soll all der Schmerz und Lust?" unmöglich klar aufgefaßt und lebhaft empfunden haben; man werde ihn aber in solche Stimmung verseßen können, daß er auch ungewöhnliche, ihm unbekannte psychologische Vorgänge wohl nachfühlen könne. Welche schalkhafte Neckerei ist es nun, mir Kurzsichtigkeit vorzuwerfen, aber den Weg zu verschweigen, auf welchen ein Primaner dahin gebracht werden kann, sich in Goethes Schmerz und Luft hineinzufühlen!

Berlin.

Franz Kern.

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Welche Schriftart sollen wir beibehalten, die Rundschrift oder die Eckenschrift? Von Rudolf Dietlein. Wittenberg. Herrosé. 1886. 30 S. Preis M. 0,40.

Seitdem Jakob Grimm für die Ausweisung der sogenannten deutschen Schrist eingetreten, ist diese Frage nicht wieder von der Tagesordnung verschwunden. In dem oben angezeigten Schriftchen ist es ein geachteter Volksschullehrer, der die Frage, ob wir Deutsche auch fernerhin „die graphische Doppelwährung" beibehalten sollen, nach allen Seiten kurz und bündig, aber klar und kurzweilig erörtert. Bietet die Schrift auch nichts wesentlich Neues, so dürfte manchem doch eine knappe Zusammenfassung alles dessen, was man zu Gunsten der Antiqua und gegen die Fraktur vorgebracht hat, willkommen sein. Völlige Unbefangenheit wird niemand von einem entschiedenen Gegner der Eckenschrift erwarten. Doch sind auch wir der Meinung, daß eine unparteiische Abwägung der Gründe für und wider viele, die sich bisher gegen eine gänzliche Beseitigung der deutschen Schrift gesträubt haben, doch nachgerade für die Ansicht gewinnen wird, daß die ausschließliche Herrschaft der Antiqua für alles Deutsche nur eine Frage der Zeit sei. Verhehlen wollen wir frei

lich anderseits nicht, daß einer Betrachtung der Sache aus einem Gesichtspunkte, wie ihn seiner Zeit Frau Rat in einem ihrer prächtigen Briefe1) aufgestellt hat, auch heute noch eine gewisse Berechtigung zu gesprochen werden dürfte.

Leipzig.

Kleine Mitteilungen.

G. Berlit.

Otto Brahm arbeitet an einer Lebensgeschichte Schillers, die demnächst im Verlage von W. Herß erscheinen wird. Eine Biographie der Gebrüder Schlegel beabsichtigt J. Minor herauszugeben.

Der von F. Avenarius in Dresden herausgegebene Kunstwart (Stephanienstraße 1) erscheint seit dem 1. Januar in erweiterter Gestalt. In dem soeben erschienenen 9. Stück ist ein lesenswerter Auffaz: Was ist Kunst? von Adolf Hor wicz enthalten, sowie ein trefflicher Beitrag von Gotthold Klee: Martin Greif als Dramatiker.

Zeitschriften.

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H. Giske, E. Kettner,

Zeitschrift für deutsche Philologie XX, 2 (Halle 1887): J. Kelle, Verbum und Nomen in Notkers Schriften (S. 129-150). E. Matthias, ein Pasquill aus der Zeit des schmalkaldischen Krieges [ein Gespräch zwischen einem Landsknecht und St. Peter, entstanden Novbr. 1546; Textabdruck mit eingehender litterar - historischer und sprachlicher Erläuterung] (S. 151-188). Aneinanderreihung der Strophen in der mhd. Lyrik (S. 189-202). zur Kritik des Nibelungenliedes: VIII, die Texte A und B (S. 202—225). D. Erdmann, Partizip des Präteritums in passivischer Bedeutung mit haben. verbunden (S. 226). K. G. Andresen, der Teufel in deutschen Geschlechtsnamen (S. 227 — 230). G. Kettner, zur Domscene des Goethischen Faust [Vergleichung mit einer 1775 veröffentlichten Kantate Wielands] (S. 230 — 232). - H. Holstein, der Dramatiker Marcus Pfeffer (S. 232 — 237). — A. Birlinger, Lerikalisches [schlesische Provinzialismen] (S. 238-247). - Besprech ungen von W. Braune, ahd. Grammatik (Gering) Radler, germanische Eigennamen in Rawicz (Andrejen). Lenz, sizilianische Vesper, herausgegeben von Weinhold (Erdmann) u. a. Ein vorzüglich gelungenes Bild

1) Rob. Keil, Frau Rath Nr. 122 (vom 12. März 1798). Da heißt es u. a. ,,sie (die lateinischen Lettern) sind wie ein Lustgarten der Aristokraten gehört, wo niemand als Nobleste und Leute mit Stern und Bändern hineindürfen, unsere deutsche Buchstaben sind wie der Prater in Wien wo Kayser Joseph drüber schreiben ließ vor alle Menschen wären deine Schriften mit den fatalen Aristokraten gedrudt, so allgemein wären sie bey all ihrer Vortrefflichkeit nicht geworden Schneider Nähterinnen Mägde alles ließt es jedes findet etwas das so ganz vor sein gefühl paßte u. s. w. Was hat Hufland übel gethan sein vortreffliches Buch mit den vor die größte Menschenhälfte unbrauchbaren Lettern drucken zu lassen sollen den nur Leute von Standt aufgeklärt werden? joll den der Geringe von allen guten ausgeschloßen sein und daß wird er -wenn dieser neumodischen Fraße nicht einhalt gethan wird. Von Dir mein lieber Sohn hoffe ich daß ich nie solches menschenfeindliches Produkt zu sehen bekomme. --"

nis (Stahlstich) von Julius Zacher, der die Zeitschrift begründet und 20 Jahre lang mit aufopferungsvoller Sorgfalt geleitet hat, ist diesem Heste beigegeben. Der Abhandlung von E. Matthias, der leßten, welche J. Zacher selbst als Herausgeber aufgenommen hat, sind (S. 188) pietätsvolle Schlußworte angefügt. - d Litteraturblatt für germanische und romanische Philologie. Nr. 10. Oktober: F. Kirchner, Synchronismus zur deutschen Nationallitteratur, besprochen von H. Lambel (das Buch entspricht seinem Zwecke, den Lehrern der deutschen Litteratur als Hilfsbuch zu dienen, nur sehr unvollkommen). G. Könnecke, Bilderatlas zur Geschichte der deutschen Nationallitteratur, besprochen von Max Koch (ein Werk, das nicht nur dem kenntnisreichen unermüdlichen Eifer des Verfassers und dem aufopferungsvollen Verleger, sondern der deutschen Litteratur und deutschem Kunstgewerbe zu dauernder Ehre gereicht). A. Neumann, über das Leben und die Gedichte des Minnesingers Steinmar; R. Meißner, Bertold Steinmar von Klingnau und seine Lieder, besprochen von J. Bächtold (beide Arbeiten sind tüchtige und erfreuliche Leistungen; sie kommen beide zu dem Ergebnis, daß Bertold Steinmar der betreffende Dichter ist, und zwar entweder der von 1251-1288 auftretende Träger dieses Namens, oder dann, wie Meißner annimmt, dessen Sohn, der am 7. September 1290 urkundlich erscheint). Badenfahrt von Thomas Murner. Neudruck nach der Straßburger Ausgabe mit Erläuterungen insbesondere über das altdeutsche Badewesen von Ernst Martin, besprochen von Adolf Socin (mit großem Geschick hat Martin in der vorliegenden schönen Edition neben den verstreuten positiven Zeugnissen auch die Etymologie zur Aufhellung zweifelhafter Punkte herbeigezogen: der Ausdruck Bad zu bähen bestätigt, daß die Germanen bereits in der ältesten Zeit warme Bäder nahmen; Salbader wird in Zusammenhang gebracht mit der Einrichtung des Seelbades, d. i des Freibades für die Armen aus frommer Stiftung; die Seelbader, die um Gotteswillen badeten, schröpften und schoren, entwickelten eine ganz besonders schwer zu ertragende Geschwäßigkeit, in die sich wohl den Spittelleuten gegenüber noch ein frömmelnder Ton einmischte). K. Schüddekopf, Karl Wilhelm Ramler bis zu seiner Verbindung mit Lessing, besprochen von Franz Muncker (eine recht brauchbare fleißige Arbeit, durch welche das Dunkel, das bisher über Ramlers Jugend lag, an sehr vielen Stellen gelichtet wird).

Nr. 11. November: Karl Brugmann, Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen. 1. Band, besprochen von Otto Be haghel (der vorliegende Grundriß stellt sich dar als das Werk einer ganz hervorragenden Energie des Geistes und einer ungemein geschickten Hand). Hugo Gering, Glossar zu den Liedern der Edda, besprochen von E. Mogk (das Buch, der Vorläufer eines größeren Eddawörterbuches, ist in jeder Beziehung gut). Reinhart Fuchs, hrsg. von Karl Reissenberger, besprochen von R. Sprenger (für die Bearbeitung sind die beiden vorhandenen Handschriften neu kollationiert, eine Rekonstruktion des alten Textes aus der Bearbeitung heraus ist mit Recht unterlassen). - Erich Schmidt, Charak teristiken, besprochen von Max Koch (das Werk bietet für die Fachgenossen wie für weitere Kreise eine Fülle von Anregungen und Belehrung).

Nr. 12. Dezember: Felix Bobertag, Erzählende Dichtungen des spå teren Mittelalters, besprochen von J. Meier. G. G. Eysell, Schillers Jungfrau von Orleans, besprochen von R. Weißenfels (troß formaler Mängel

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