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Am 24 Oktober las Lafource eine lange, von ihm ausgearbeitete, Rede in der Konvention ab. Er schilderte in derselben bie Revolution, und sagte: in folchen fürmischen Zeiten gebe es allemal auch Böser wichter, welche aus ihren Schlupfwinkeln hervor kros chen, welche die Schande und die Plage solcher Revolus tionszeiten wären, welche die Grimmigkeit wilder Thies re mit dem Zorne der Menschen verbänden, und welche der Dolche der Meuchelmörder nicht weniger, als der Keule des Volkes, sich bedienten. Marat erkannte sich in dieser Schilderung, ungeachtet sein Nahme nicht genannt wurde. Er unterbrach den Redner, und rief: „, das schickt sich nicht!“ Sobald die Rede zu Ende war, bat er um das Wort. Der President schlug es ihm ab, endlich aber erhielt er es, da er darauf bestand, dennoch. Nicht einige im Verborgenen lebende Staatss „bürger,“ sprach er, „welche unaufhörlich die Rechte ,, des Volks vertheidigen, sind die Feinde der Nation, „sondern die ungetreuen Stellvertreter des Volks, die bestochenen öffentlichen Beamten; vorzüglich aber die ,, infamen Minister, welche, um ihrem Ehrgeize zu fröh„nen, willkührliche Verhaftbefehle gegen die Staats„bürger erlassen! Hier ist ein solcher Verhaftbefehl von Roland (er zog ihn aus der Tasche). Nur das thut ,,mir leid, daß der Minister nicht selbst hier ist, um „mich zu hören.«

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Barbarous trat auf die Rednerbühne und klagte Marat an. Marat sei nach der Kaserne der neu anges kommenen Marseiller gegangen und habe sie zu verführen gesucht; er habe drei Mann von jeder Kompagnie zu sich zum Frühstück gebeten; dann habe er sich ger stellt, als nåhme er Antheil an ihrem Schicksale; er

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habe zu den Marseillern gesagt: er bedaurte, daß sie¦ss schlechtes Quartier hätten; die Dragoner in der Milis tairschule wohnten weit besser, und zwar deßwegen, weil sie Gegenrevolutionairs und Aristokraten, ehemalige Kammerdiene. Kutscher und Leibgarbisten wären, die sich für Patrioten ausgåben; die Marseiller hätten Marats treulofe Absichten gemerkt, und das Frühstück ausgeschlagen.

Die Girondisten riefen von allen Seiten: Barba, rour solle diese Anzeige auffeßen, und dieselbe dem Siz cherheits- Ausschusse der Konvention zur näheren Uns tersuchung übergeben. Marat nahm Himmel und Erde zu Zeugen der Reinheit seiner Absichten, und sags te, die Sache sei ganz klar. Er habe seine Freunde, seine Brüder, die Marseiller besucht; er habe Soldas ten und Offiziere zu sich gebeten, damit sich keiner bez flagen könne, zurückgeseht zu seyn; sein Herz habe sich empört, als er gesehen habe, wie schlecht sie behandelt würden, während die Dragoner in schönen himmelblauen Röcken einher gingen, und gut bezahlt wären. Nun sei man frech genug, aus dieser patriotischen Höfs lichkeit einen politischen Plan machen zu wollen.

Die Versammlung beschloß dessen ungeachtet, daß der Sicherheits: Ausschuß über diese Anklage gegen Marat nächstens einen Bericht abstatten solle. Ein Deputirter seßte binzu: er habe Marat fagen gehört, es müßten noch 170,000 Köpfe springen, che die Ruhe hergestellt seyn würde. a) Ein anderer Deputirter erklärte: auch er hätte diese Rede aus Marats Munde gehört. Mit frecher Stirne stand

Mercure François 1792. Novembre 6. 23.

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jest Marat auf, und sagte ganz gelassen: „Freilich, das habe ich gesagt. Ist es ein Verbrechen, so bringt mich um. Ich wiederhole es, es ist meine Meinung.“→→ Alles verftummte vor Entseßen. Da fing Marat wies der an:,,Ja, ja, das ist meine Meinung. Wer darf sich unterfangen, hier einen Deputirten wegen seiner Metnung zur Rede zu stellen? Meinungen müssen frei feyn. Nun, was rechnet Ihr mir dann so hoch an? Ich sagte: eher habt Ihr weder Frieden noch Ruhe, ehe Ihr nicht den Unterdrückern des Volks die Köpfe würdet abgeschlagen haben. Sehr bescheiden nahm ich an, es wären ihrer nur 270,000. Und darum will man mich verklagen! Auch deßwegen, weil ich dem neulich von Marseille gekommenen Bataillon mehr Achs tung bewiesen, als irgend ein anderes Mitglied der Konvention. Sind dieß Verbrechen, so schneidet mir den Hals ab.“ Hiebei strich er sich mit der Schärfe seiner rechten Hand über den Hals.

Ich schließe diese Abtheilung meines Buches mit einer Schilderung des damaligen Zustandes von Paris, die ich, damit man mich keiner Partheilichkeit beschuls dige, nicht selbst verfertigen, sondern von einem bes kannten Republikanischgesinnten Demokraten entlehnen, und nur die Sprache verbessern will. á)

„Die Republikanische Regierungsform verspricht erst spät Früchte zu tragen; denn wir sind durch die legten Krämpfe wenigstens um zwölf Jahrzehende zus rück gewichen. . . . . Die beffer erzogene Bürgerklasse zu Paris hat sich, halb freiwillig halb aus Furcht, dem Publikum entzogen, oder ist aus den Aemtern verwies

a) Archenholz Minerva. 1793. Februar. S. 295.

fen, oder wagt nicht ihre Stimme zu erheben. Wer sich nicht wie ein Miethkutscher ausdrückt, tolle Einfälle und Brutalitäten schnaubet, auf alle schimpft und lästert, die nicht in Ton, Geberden und Denkungss art, dem Póbel sich gleich stellen, der wird als ein Feuillant zum Stillschweigen gebrüllt, oder gar mit Mißhandlungen bedroht. Kurz alles, was eine bessere Erziehung verräth, ist verdächtig geworden. Und dieß mag wohl der höchste und bejammernswertheste Grad der Anarchie feyn, wann alle gesitteten Bürger das Zus trauen verlieren; wann der Bannstrahl des großen Haufens auf die veredelte Moral fållt; wann man die Begriffe von Unwissenheit und Tugend ausschließlich zusammen gesellt, und alle Aufklärung mit Zetergeschrei verdammt. . . . Eben der Bürgerrath, dessen Dumm heiten und Verbrechen in dem Berichte des Ministers Roland Stück für Stück ans Licht gebracht sind, bestes het noch; eine Bande mit Mord und Diebstahl belades ner Halunken, wovon die Hälfte weder schreiben noch lesen kann, beherrscht willkührlich die Hauptstadt und zeigt Lust die, bis jezt nur vergebliche Dekrete gegen sie schleudernde, Konvention aus derselben zu vertreiben. Die Konvention befindet sich unter der Ruthe einer Handvoll abgedankter Bedienter und Nachttopf- Aus trågerinnen; nämlich derjenigen Leute, welche die Gals lerien füllen, dort die eigentlichen Vertreter des Volkes vorstellen, und Lob und Tadel ausspenden; oder viels mehr bald unfinnigen Jubel, bald Zoten und Schimpfs reden heulen. Die Konvention sieht in ihrer Mitte, ohne sie ausstoßen zu können, die Urheber der Greuels thaten des Septembers; nach Raub und Gewalt dürs

hende Bösewichter; verkappte Königlichgesinnte, die keine andere Absicht begen, als die Republik herabzus würdigen und über den Haufen zu werfen. Sergent, Callien, Robert u. s. w. tragen auf ihrem Leibe die den Ermordeten abgenommene Beute. Marat gesteht in der Versammlung öffentlich: seine Meinung sei, daß noch 250,000 Bürger, das heißt, alle Eredels leute, alle Exprivilegirte, alle aufgeklärten Männer, welche keine Beweise ihres Maratischen Bürgers finnes gegeben, zum allgemeinen Beßten ermordet werden müßten. Robespierre sagt: wir wollen noch ein mal über Paris die Sichel der Gleichheit schwingen; und Danton, welcher mit dem Gelde der Nation die Meuchelmörder bezahlt hat, versichert, daß dieselbe von allen ihren Feinden würde befreit worden feyn, wenn man ihm zehen Millionen mehr anvertraut hätte. Indessen hat er einem jeden Generale einen sichern Mann zugegeben, mit dem Auftrage, den General zu ermorden, sobald er Verråtherei oder Zweis deutigkeit zu bemerken glaube. Im ehemaligen Jako, binerklub erklären die Barfüßer den zweiten Septem ber für den Haupttag der Patrioten; und Anachars sis Cloots (der sich, aus Verzweiflung darüber, daß er allen vernünftigen Leuten verächtlich ist, zu dieser Rotte gesellt hat) behauptet: daß innerhalb kurzer Zeit nicht mehr würde gefragt werden, ob Jemand Pas triot oder Aristokrat sei, sondern ob er den zweiten September billige, oder nicht? und daß ein zweites Blutbad nothwendig sei..... Die Gallerien sind mit Stöcken bewaffnet, und wer sich zum Beßten der Vernunft zu sprechen untersteht, über den

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