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blinde, sorgen- und gramgebeugte Greis doch auch nur mit dem Munde bekennt, nicht mit dem Herzen fühlt, damit nur das Wort des Vertrages wahr werde: so wird er hinweggerafft und durch fremde Fürbitte selig gesprochen. Kaum dass sich eine Spur von Reue noch in dem Bekenntniss des Abscheus vor dem düstren Elemente der Magie findet, wobei nun noch sonderbarerweise diese Magie als ein Verbrechen im buchstäblichen Sinne aufgefasst wird, während sie doch im ganzen Stücke im Grunde nur eine poetische Figur war. Und als ob Faust, der Faust wenigstens des ersten Theils, an den sich hier wieder Alles anknüpfen soll, nicht schwerere Sünden zu büssen hätte! Das alles ist in der That nicht Theorie, es steckt viel Muhamedanismus darin, nein, es ist offenbar Unvermögen, das tiefer Erfasste auch tiefer zu gestalten. Aus Unvermögen flüchtet sich Goethe zum katholischen Himmel. Es wäre kindischer Aberglaube, wäre es ernst gemeint, aber Goethe benutzte offenbar nur die erste beste mythische, möglichst mystische Fiction, um nur einen Abschluss zu finden, und Scherz und Ernst verweben sich an dieser wichtigsten Stelle seines Gedichtes zu einem unerquicklichen Ganzen. Grade hier also, wo es sich um den Abschluss handelt, die Einheit, der Alles zustrebt, hier ist das Gedicht schwach. Lassen wir daher die Einheit, und geniessen wir das Einzelne als Einzelnes.

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Wir wenden uns zu dem französischen Faust-Commentar des Herrn Blanchet. Hier wollen wir uns auf eine kurze Charakteristik des hübschen Buches beschränken, was wir um so eber dürfen, als H. Blanchet nicht den Anspruch erhebt, wesentlich neue Resultate zu geben. Herr Blanchet schreibt für französische Leser. Wenn er diese in Stand gesetzt hat, aus eigner begründeter Kenntniss über den Werth des Gedichtes zu urtheilen, das man in Frankreich bisher beurtheilt hat, ohne es genügend zu kennen und zu durchdenken, so ist sein Ziel erreicht. Im Wesentlichen stützt er sich auf die tüchtigsten deutschen Commentatoren; aber wie schon zur Auswahl und Kritik der verschiedenen Auffassungen eigenes Urtheil nöthig ist, so begiebt er sich keineswegs des Rechts einer eigenen Ansicht. Und allerdings beweist Herr Blanchet durch die vorliegende Schrift, dass er ganz der Mann ist, sich mit Liebe in ein Werk der Dichtung zu versenken und verschlungenen Ideengängen mit Verständniss nachzugehen. Das Buch ist klar und ohne rednerischen Prunk ansprechend geschrieben, athmet überall innige Liebe für den Gegenstand und giebt Zeugniss von gesunder Urtheilskraft. Herr Blanchet giebt eine Einleitung über die Nothwendigkeit und den Nutzen der Commentare für das in vieler Beziehung so dunkle Gedicht. Es folgt sodann eine Darlegung der Faustsage und der Geschichte ihrer Bearbeitungen besonders in der deutschen Literatur vor Goethe, sodann eine Geschichte der Entstehung des Goethe'schen Werkes. Darauf giebt der Verf. einen fortlaufenden Commentar zu dem ersten und zweiten Theile, so dass er den Gang der Handlung und die Entwicklung der Charaktere verfolgt und im Einzelnen die Anspielungen und Allegorien erklärt. In einem Schlusskapitel sucht darauf der Verf. den Ideengehalt und die Einheit des Werkes darzulegen. Wir haben somit in Herrn Blanchet's Buch einen kompendiösen, aber vollständigen Faust commentar, der im Wesentlichen sich auf die einschlagenden deutschen Forschungen begründet. im Thatsächlichen zuverlässig ist und mit Geschick die ansprechendsten Erklärungen auswählt. Am meisten folgt Herr Blanchet dem Commentar von Düntzer in seinem Gange; doch finden wir vor Allem auch Weisse, Weber, Vischer erwähnt und zweimal an entscheidender Stelle hält sich der Verf. an Schnetger, bei der Erklärung des Mummenschanzes und der klassischen Walpurgisnacht. So dürfen wir das Buch auch deutschen Lesern, nämlich solchen, die eine übersichtliche und gedrängte Fausterklärung wünschen, als ein zweckmässiges empfehlen,

und hoffen, dass es seinen nächsten Zweck, gesundere und richtigere Urtheile über die Dichtung Goethe's in Frankreich zu begründen, erreichen werde. Was den Standpunkt des Herrn Verf. im Einzelnen anbetrifft, so hält auch er den Faust für ein wesentlich philosophisches Gedicht. Goethe habe sein ganzes reiches Gedankensystem in demselben niedergelegt. Jede andre Einheit des Gedichts sei zweifelhaft: aber die Einheit des Gedankens sei offenbar vorhanden. Dante und Goethe haben die Dichtung für eine rechtmässige Form der Philosophie betrachtet. Danach gestaltet sich auch die Auffassung der Charaktere. Faust ist ein Vertreter der ganzen Menschheit und seine Seele ist die unsrige. Goethe hat es unternommen, die menschliche Seele überhaupt und im Allgemeinen darzustellen; sein Faust könnte sich auch die Menschheit nennen. Ja der Herr Verf. geht so weit, zu erklären, Faust müsse der Sünde unterliegen, müsse Gretchen verführen, weil er sonst nicht den Menschen im Allgemeinen symbolisiren würde! Wir meinen freilich, Faust sei ein einzelner Mensch und nicht die Menschheit, und vertrete einen allgemeineren Inhalt nur in sofern, als jede wahrhaft poetische Gestalt, weil sie eben eine poetische ist, einen allgemeinen Gehalt in sich fasst der schlechten und singulären Concretheit gegenüber, wie sie in den Charakteren des gemeinen Lebens erscheint. Richtiger scheint es uns zu sein, wenn der Verf. sagt: was Goethe im Faust habe schildern wollen, das seien die Qualen eines edlen Geistes, der von dem Trieb nach Wahrheit verzehrt, von dem Bedürfniss des Glaubens ergriffen und in den Zweifel versenkt ist, die Qualen eines Menschen, der getheilt sei zwischen Herz und Vernunft, von denen jenes nach dem Unendlichen sich sehne, dieses dasselbe nicht erreichen könne. Das ist denn aber doch die Stimmung eines Individuums, nicht der Menschheit. Dagegen begreifen wir nicht, dass Herr Blanchet dem Faust bestreitet, dass er, wenigstens im ersten Theil, ein Ideal verfolge: wo er es zu thun scheine, folge er nur seinem natürlichen Drange. Ist denn das ein Gegensatz, und kann man nicht von Natur auf ein ideales Streben angelegt sein? Ja, ist ein solches Streben ohne die entsprechende Naturanlage auch nur denkbar? Nicht von der gemeinen Leidenschaft lässt sich Faust hinreissen, die bloss auf Sinnliches ginge. Kann man nicht mit edler Leidenschaft auch Idealen nachjagen? Mephisto sodann ist nach dem Verf. der Vertreter des Bösen in allen seinen Formen, des sittlich Bösen wie des physischen Uebels. Mit einer solchen Allegorie, meinen wir, könnte ein dramatisches Gedicht nicht zu Stande kommen. Mephisto ist ein Charakter, nicht ein Begriff.

Was den Zusammenhang zwischen dem ersten und zweiten Theile anbetrifft, so will der Verf. die Verschiedenheit in der Behandlung nicht leugnen; aber er meint, dass sie die innere Einheit der beiden Theile nicht aufhebe; diese liege vielmehr nothwendig in der Sache selbst. Es darf uns nicht wundern, das Faustgedicht bei dem Franzosen vor Allem wegen seines Gedankeninhalts, seiner mystischen Tiefe bewundert zu sehen. Denn nichts bewundert man so leicht, als das Fremdartige, Dunkle, Ahnungsvolle. Den ersten Theil lobt der Verf. ohne Einschränkung: nur die literarischen Anspielungen überlässt er der Strenge der Kritik um so eher, als er in ihnen einen Fehler des Geschmacks sieht. Dass Goethe einen philosophischen Gegenstand poetisch behandelt hat, will er nicht tadeln. Er möchte das Werk nicht als ein Drama, am ehesten als eine grosse Epopöe betrachten, etwa Dante's Werk ähnlich. Er gesteht zu, dass Goethe's Allegorien Räthsel ohne Klarheit sind und leitet diese Dunkelheit zum Theil aus Goethe's Verachtung des Publicums ab. Aber gleichwohl wäre es unsinnig, das Gedicht für einen Ausfluss kindischer Geheimthuerei anzusehen. Faust hat aufgehört, ein Räthsel zu sein, wenigstens für die Gelehrten und für Diejenigen, welche die Zeit gehabt haben, ihre dicken Commentare zu lesen. Der Wortverstand wenigstens ist überall gesichert. An Dunkelheit mag das Gedicht der Apocalypse gleichen. Aber wie diese enthält es ein Wort des Lebens: nämlich die Ansichten des Dichters über die Natur, die Kunst, das

menschliche Leben. Auch die Sprache kann Herr Blanchet loben. Im Einzelnen findet er eine ganz voltairische Schärfe und Bestimmtheit. Niemals, ausser in der Braut von Messina, habe die deutsche Sprache so viel Biegsamkeit, Reichthum, Harmonie entfaltet. In welchen Punkten wir dabei mit dem Verf. nicht übereinstimmen, geht aus dem früher Auseinandergesetzten hervor.

Was die Erklärungen des Verf. im Einzelnen betrifft, so scheint er uns in dem Streben zu deuten mitunter zu weit gegangen zu sein. So kann man des Verf. Betrachtungen über die Bedeutung des Pentagramms (p. 90), über den Teufel in Faust's Kleidern (p. 97) höchst ergötzlich nennen. Missverständniss scheint es, wenn die Worte: „Du gleichst dem Geist, den du begreifst,“ erklärt werden: allerdings nicht dem niederen Erdgeiste, sondern dem allerhöchsten Gotte, dem Herrn der Geister. Gliche er diesem, so hörte Faust's weiteres Streben auf. Ebenbildlichkeit ist nicht Gleichheit. Faust aber will eben den ganzen Inhalt des göttlichen Geistes ausschöpfen und ist nicht einmal einem der niederen Diener der Gottheit_gewachsen, geschweige denn dieser selbst. Das ist seine Verzweiflung. Lilith in der Walpurgisnacht wird sonderbarerweise auf die jüdischen Frauen gedeutet, die im Anfang dieses Jahrhunderts in der romantischen Schule eine Bedeutung gehabt hätten! Faust's Schlaf im 2. Theil im Anfang des dritten Akts soll die einsame Meditation bedeuten, das Studium, die Sammlung! Dagegen ist die Erklärung des Mummenschanzes und der klassischen Walpurgisnacht durchaus geschmackvoll, ohne indess natürlich den Zweifel auszuschliessen. Der Mummenschanz enthält eine Theorie der Revolutionen unter Goethe'schem Gesichtspunkt, ein allegorisches Gemälde der Gesellschaft, in dem das Gold eine doppelte Rolle spielt, als ideales Gold der Poesie, und als reales Gold des Besitzes, mit dem sich die gemeine Begierde verknüpft. Im Homunculus scheinen uns doch nach dieser Erklärung unvereinbare Momente zusammengefasst zu sein: er sei eine Ausgeburt der falschen Gelehrsamkeit, bedeute den Menschen der modernen Civilisation, zugleich aber das Streben der ganzen Natur zur Schönheit mit besondrer Anwendung auf Faust. Das reimt sich schwerlich zusammen. Die geologischen Theorien der Walpurgisnacht sind nur die Verhüllung tieferer Philosopheme über Grund und Art jedes Werdens und aller natürlichen Prozesse. Seltsamerweise werden die Greifen noch hier auf die Etymologen, das Gold, um das sich Ameisen und Arinaspen streiten, auf die Wissenschaft oder die Hypothesenwuth besonders der Deutschen gedeutet. Es ist doch wohl richtiger, hier an symbolische Bezeichnung der ältesten Gestaltungen der griechischen Kunst zu denken. Doch wir wollen nicht weiter auf das Einzelne eingehen. Es ist dies ein Gebiet, wo man über das Meinen und Scheinen nie weit hinauskommen wird.

Herr Blanchet scheint zu grösserer Bequemlichkeit sich der Faustübersetzung von Henry Blaze bedient zu haben, aus der er fast immer wörtlich citirt, wohl zu grösserer Bequemlichkeit seiner französischen Leser. Man sieht aber auch hier, wie misslich es ist, sich auf Andre zu verlassen. Mehrere arge Missverständnisse sind aus jener Uebersetzung in den Commentar des Herrn Blanchet übergegangen.

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,,Und weil mein Fässchen trübe läuft," puisque mon tonneau fuit trouble (p. 122) ist nicht zu verstehen. ,,Heut' schau ich euch im Schwedenkopf." Der Schwedenkopf gilt Herrn Blanchet, wie Herrn Blaze, für ein bonnet suédois (p. 165). „Es kann die Spur von meinen Erdentagen nicht in Aeonen untergeh'n." La trace de mes jours terrestres ne peut s'engloutir dans l'Oeone. Was ist l'Oeone? „Das Unzulängliche Hier wird's Ereigniss." L'insuffisant arrive jusqu' ici. Nein, vielmehr das Unzulängliche ist das, wozu wir nicht gelangen, das irdisch Unerreichbare, das Unvergangliche, Unbeschreibliche, und dieses wird im Himmel ein Ereigniss, eine Wahrheit. Das Ungenügende dringt eben nicht zum Himmel, sondern ist

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von dort ausgeschlossen. Die Imsen am oberen Peneios sind mit Imses übersetzt, so dass sie sich unter Daktylen, Pygmäen, Greifen wie eine andre Art klassisch mythologischer Wesen ausnehmen, während sie Ameisen bedeuten, aber kleinere, als die ausser ihnen genannten Ameisen.

Encyklopädie des philologischen Studiums der neueren Sprachen. Von Dr. Bernhard Schmitz. 8. VIII. 474. Greifswald. 1859. C. A. Koch. (Th. Kunike.) Dazu: Erstes Supplement. 1860 (X. 135).

In einem frühern Aufsatze dieser Zeitschrift (XXVI, 399 — 411) haben wir die zwei ersten Theile des vorliegenden Buches bereits besprochen und kommen hier darauf zurück, theils weil unsere Erwartung, dasselbe anderweit eingehend beurtheilt zu sehen, bisher nicht erfüllt worden ist, theils weil der Verfasser selbst in dem obengenannten Supplemente Ergänzungen und Berichtigungen seiner Schrift herausgegeben hat, welche zur Betrachtung einladen. Dass er darin auf unsere Beurtheilung mehrfach Rücksicht nimmt, legt es uns noch näher, unsern damals abgebrochenen Bericht fortzusetzen. Wir werden demnach im Folgenden zunächst die zwei letzten Theile der Encyklopädie und die zu ihnen gehörenden Bemerkungen in den Supplemente behandeln, aber auch wo dieses dazu Veranlassung gibt, auf frühere Stellen in soweit noch einmal eingehen, als es für die Sache selbst erspriesslich scheint. Der dritte Theil der Encyklopädie enthält die Methodik des selbständigen Studiums der neueren Sprachen p. 270 336 in vier Capiteln, nämlich 1. der Gegenstand des Studiums überhaupt; 2. die Aussprache; 3. die Lecture und die Literatur; 4. der mündliche und schriftliche Gebrauch der Sprachen. Der Verfasser geht dabei aus von dem Reglement, nach welchem in Preussen die Königl. Wissenschaftlichen Prüfungscommissionen bei der Prüfung in den neueren Sprachen verfahren, und begleitet dasselbe mit Bemerkungen, welche wir als richtig anerkennen müssen. Die Hauptsache ist jedenfalls, dass, bevor das Studium der neueren Sprachen angemessen geregelt und von praktischem Gesichtspunkte aus empfohlen werden kann, dasselbe als ein selbständiges und vollberechtigtes anerkannt werden muss. In ähnlicher Weise, wie jetzt der zukünftige Lehrer bei dem Examen entweder die alten Sprachen oder die historischen oder die mathematischen Wissenschaften als sein Fach bekennen darf, in dem er vorzugsweise seine Kenntnisse nachzuweisen hat, ohne dass eine völlige Unbekanntschaft mit den andern vorausgesetzt oder gestattet wäre, muss ein viertes, die neueren Sprachen umfassendes Fach aufgestellt werden. Jenes Reglement, davon weit entfernt, sucht nur einerseits die Schulen vor den ungenügenden Sprachlehrern zu schützen, ohne andererseits die volle Berechtigung einer modernen Philologie zuzugeben. Es leuchtet ein, dass dieser Gegenstand mit der ganzen Einrichtung unserer Schulen, dem Verhältniss der Gymnasien und der Realschulen, ja mit der Universitätsbildung auf's Engste zusammenhängt, dass selbst trotz der neuern günstigern Wendung in dieser Angelegenheit, hier auf eine schnelle Verwirklichung unserer wohlberechtigten, wenn auch in gewissem Sinne idealen weil der bergebrachten Praxis zuwider laufenden Erwartungen kaum zu rechnen ist. Wie die Sachen eben liegen, scheint es uns grade recht angemessen, abweichend von Herrn Schmitz (s. Suppl. VIII.) die deutsche Philologie mit in das Fach der modernen Philologie als eines besondern, zum Lebensberuf gemachten Studiums hineinzunehmen; mag man auf die wissenschaftliche Bedeutsamkeit oder auf den für die einmal bestehenden Einrichtungen

nöthigen Bedarf sehen, durch die Vereinigung des Studiums der deutschen, französischen und englischen Sprache wird die moderne Philologie am ersten und besten die Geltung erringen und die Achtung erzwingen, welche ihr zu versagen die classische Philologie hin und wieder noch immer hochmüthig genug sein mag. Unsere Ansicht darüber weiter zu entwickeln, so viel es hier der Ort erlaubt, werden wir bei Besprechung der Thesen noch Gelegenheit haben, in denen Herr Schmitz zu Anfang seines vierten Theiles die brennenden Fragen über Real- und Gymnasialbildung und so weiter mehrfach berührt.

In den drei weitern Capiteln des dritten Theiles wird sodann die Wichtigkeit und Schwierigkeit des Gegenstandes, so wie die Art und Weise entwickelt, wie der Lernende am sichersten sein Ziel erreichen werde, also eine gute Aussprache, umfassende Kenntnisse der Literatur und Fertigkeit im mündlichen und schriftlichen Ausdruck gewinnen könne. Wir dürfen sagen, dass uns dabei sowohl der Ernst strenger Anforderungen wohlthuend gewesen ist, als die Besonnenheit, mit welcher z. B. vor der Eitelkeit gewarnt wird, in der fremden Sprache als Schriftsteller auftreten zu wollen. Die Vorschläge der Bücher, welche bei dem Studium vor allen zu Grunde zu legen seien, die verschiedenen Winke und Bemerkungen über Uebungen in der Aussprache oder über Collectaneen und Analysen zeugen alle von Erfahrung und sind praktisch brauchbar; man wird in einzelnen Fällen anderer Meinung sein, kann aber die allgemeine Richtung und Weise der Belehrung anerkennen. Nur eine allzugrosse Breite, zuweilen Wiederholung ist uns störend gewesen. Wir wissen zwar recht gut, dass gewisse Dinge kaum oft genug gesagt, stark betont und deutlich gemacht werden können; allein davon ausgehend, dass die Encyklopädie doch nicht für den gewöhnlichen Schüler, vielmehr für den angehenden Lehrer berechnet ist, scheint uns des Guten hin und wieder zu viel gethan. So behandelt der Verfasser die Aussprache des englischen R, abgesehen von den Verweisungen auf seine früheren Bücher, an fünf oder mehr verschiedenen Stellen immer von Neuem in ziemlich denselben Worten. Cf. p. 13. 189 ss. 279. 283. Suppl. p. 63. In der Sache selbst hat er freilich Recht, wenn wir auch auf die von ihm erfundene Bezeichnung uvales R für gutturales einen so grossen Werth wie er nicht legen möchten; so lange überhaupt von Gaumen- und Kehllauten, besonders von letztern, also gutturales, die Rede ist, scheint auch das gutturale R so sehr unrichtig nicht, weil der Name wenigstens von keinem andern Laut als dem gemeinten verstanden werden kann. Dieser wird doch, wenn auch durch Vibration der uva, jedenfalls in der Gutturalgegend hervorgebracht.

Die Inhaltsangaben des Polyeucte von Corneille, der Métromanie von Piron, des King John und Hamlet von Shakspeare, zumal da sie nicht als Muster, sondern nur als Beispiele dienen sollen, würden wir nicht aufgenommen haben; für den Zweck des Buches genügte statt der umfangreichen Beigabe p. 299 318 gewiss eine kurze Andeutung, so wie Verweisung auf bekannte und anerkannte Muster. Sehr richtig und angemessen hebt Herr Schmitz in dem letzten Capitel unter andern Punkten hervor, wie der Aufenthalt im fremden Lande keineswegs als das einzige und unfehlbare Mittel zur Erlernung der Sprache angesehen werden darf, wie ferner allerlei oft von dem Philologen verachtete Hilfsbücher als Dialogensammlungen, Briefsteller durchaus nicht zu verachten seien. Ueberhaupt fehlt es in dem ganzen Abschnitte nicht an trefflicben Winken; Einzelnes davon zu bestätigen oder zu bezweifeln würde uns zu weit führen. Nur das können wir nicht verschweigen, dass wir die ganze Darstellung gern viel gedrängter, schärfer, correcter gesehen hätten. Wie in der Anordnung und Behandlung des Stoffes, so lässt in der Sprache selbst der Verfasser sich hin und wieder mehr als billig gehen. Dieser Mangel der letzten Feile ist allerdings keineswegs so merklich, dass wir ihm Einzelnes als Schnitzer gegen die GramArchiv f. n. Sprachen. XXIX.

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