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Damit sie dem Trotzgen fallen
Auf dess Freiheit, so erfreuts mich
Ihn zu sehn in engen Schranken.
Auch im Tode nicht entgeh' er
Meines Grimms denkwürdgen Strafen,
Und so soll er dastehn Jedem,

Der vorübergeht, zur Schande."

Darum bereut er auch seine That nicht, sondern klagt nur, als Alfonso ihn besiegt, die Unbeständigkeit des Glückes an. Ja er zeigt sogar Charakterstärke, als er die Bedingung, Fernando für Phönix zu tauschen und in Freiheit zu setzen, nicht erfüllen kann, da dieser schon todt ist. Er sagt zu Alfonso: ,Gib den Tod der schönen Phönix,

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Nimm mein Blut für deins zur Rache!"

Und da Alfonso auch mit der Leiche zufrieden ist und sie zur feierlichen Bestattung nach den Schiffen tragen lässt, ruft der König aus: „Ihn begleiten sollen Alle!" Er hat keinen Groll mehr gegen seinen Feind, er verherrlicht seine letzten Ehren. So ist denn der König von Fez durchaus kein unedler Charakter. Als König hat er recht gehandelt, und auch als Mensch, aber nicht als Christ. Auch in seinen übrigen Verhältnissen gegen seine Tochter, gegen Muley und Tarudante zeigt er sich untadelhaft. Er ist königlich und voll Mut. Er sagt zu Muley:

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Er ist ruhig und höflich in dem Wortwechsel des Alfonso und Tarudante, selbst milde und väterlich gegen seine Tochter, soweit es ihm seine Absichten als König verstatten.

Wenn sich so in dem Könige von Fez der Muhamedanismus als Gegensatz des Christenthumes ausspricht, und gleichsam als Mittelpunkt des ersteren zu betrachten ist, bilden Tarudante und Muley die beiden Pole, welche den Islam einschliessen. Tarudante ist die gröbere, Muley die feinere Eigenthümlichkeit desselben. Jene durfte nicht übergangen werden, aber sie ist mit vieler Schonung behandelt. Theils spielt Ta

rudante eine weit geringere Rolle und tritt nur ein paarmal auf, theils ist auch er nicht von allen edlen Gefühlen verlassen. Als Fernando ihn anfleht, äussert er sein Mitleid mit den Worten; „Welch kläglich Wehe!" Seine Liebe zu Phönix ist freilich etwas gewöhnlich und hastig, ohne doch gemein und roh zu sein. Am stärksten tritt seine Eigenthümlichkeit in dem Benehmen gegen den König Alfonso hervor. Er ist leidenschaftlich, zornig, ja fast grob; und wenn Alfonso es nicht minder scheint, so hat der Dichter es doch verstanden, den christlichen König zu heben, indem dieser Anfangs des Muhamedaners hochtrabende Reden echoartig wiederholt, und von dem König von Fez dennoch zuerst zum Sprechen aufgefordert wird, sodann aber Heftigkeit nur mit Heftigkeit erwiedert, um seiner Würde und seinem Mute nichts zu vergeben, und endlich weit edlere Beweggründe hat zum starken Ausdruck seiner ihn fast überwältigenden Empfindungen.

Tarudante tritt beinahe noch mehr in Schatten, wenn man ihn mit Muley vergleicht, mit diesem tapfern und ritterlichen, für Liebe und Freundschaft gleich empfänglichen, feinsinnigen, von Eifersucht und Dankbarkeit, von Pflicht und Gefühl gepeinigten Muhamedaner, der für Phönix eigentlich zu gut ist, und dem zur Vollendung nichts fehlt, als ein Christ zu sein. Muley Scheik ist von hoher Geburt, des Königs von Fez Neffe, sein Geschlecht zählt viele Pascha's und Beglerbey's. Seine Tapferkeit wird nicht bloss von seinem Könige anerkannt, der ihn sehr ehrenvoll behandelt, und, als ein Kanonenschuss ihn meldet, ausruft: „Billig ist's ihn zu begrüssen,“ und ihm, seinem bewährten Feldherrn aufträgt, den Feind zu empfangen, sondern von dem Feinde, von seinem Ueberwinder Fernando, gleiche Anerkennung empfängt, indem dieser sagt, Muley allein habe nach Ueberwindung des muhamedanischen Kriegsheeres sich ihm noch gestellt, sei zwar gefangen, mache aber ihn, den Sieger stolz, auf seinen Sieg. Und aus seiner weitern Erzählung geht hervor, dass Muley sich nicht von seiner Kühnheit hinreissen lässt, sondern die Gefahr mit Besonnenheit ermisst, indem er sich vor der Uebermacht zurückzieht. Da heisst es: „Denn zu fliehn gehörig wissen Hat oft auch für Sieg gegolten." Aber mit dieser Tapferkeit ist Empfänglichkeit für die Reize

des weiblichen Geschlechts verbunden; und diese hat schon früh in seiner Nachbarin ihren Gegenstand gefunden. Seine Liebe ist durch gemeinschaftliche Erziehung mit seiner Angebeteten genährt und endlich durch Gegenliebe belohnt, die sein innerstes Wesen so erfüllt und durchglüht, dass ihn die Gefangenschaft weniger als die Trennung von der Geliebten und die Eifersucht beunruhigt und niederschlägt. Die Eifersucht zumal gibt seinem lebhaften aber doch milden Gemüt eine gewisse Fieberglut, die sich besonders in den Unterredungen mit Phönix und schon bei der Ahnung eines Mitbewerbers, noch mehr bei der Gewissheit desselben, in abgerissnen Worten, in Wunsch und Furcht, in Hoffnung und Verzweiflung, in Vorwürfen gegen die Geliebte, in Bitten um Verzeihung und abermaligen Ausbrüchen der gekränkten Liebe über die Mangelhaftigkeit der Erwiederung kund gibt. Es ist aber schön, dass der Dichter den Muley diese Glut seines liebenden Herzens gleich im ersten Aufzug aussprechen lässt, und dass sie im Anfang des zweiten nur noch leise wieder auflodert. Denn wenn gleich die Liebe das süsseste Gefühl ist, so muss sie doch als Genuss vor der Pflicht weichen; und so wird auch Muley durch das Verhältniss, in welches er zu Fernando tritt, erhöht und veredelt. Er nimmt die ihm von seinem grossmütigen Ueberwinder geschenkte Freiheit mit der zarten Gegenrede an:

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„Nichts erwiedert meine Stimme,
Denn man kann den freien Geber

Einzig durch Empfangen schmeicheln."

Er fühlt sich zur innigsten Dankbarkeit verpflichtet, nicht bloss bei seinem Abschiede gleich darauf:

,,So in gut als übler Zeit

Hast du mich zum ewgen Knechte.
Einst noch hoff' ich dir in Zukunft

So viel Gutes zu vergelten,"

sondern auch nachher, als Fernando in Fez Gefangener ist. Bei dem Mitleid desselben gegen die Christensklaven, und den Versprechungen an sie lernt ihn Muley immer mehr bewundern:

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und macht ihn zum Vertrauten seiner Liebe, hält sich jedoch wegen der Bewerbung des Tarudante für unglücklicher als den Fernando, der, wie er vermutet, bald in Freiheit gesetzt sein wird. Als aber dessen Schicksal sich plötzlich verschlimmert, verzichtet er sogar auf ein Gespräch mit seiner Geliebten, um seinen Befreier, selbst mit eigener Gefahr zu befreien.

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Denn es ist gewiss, erfährt

Diess der König und bestraft mich

Als Verräther nach dem Recht,

So wird mich der Tod nicht kümmern."

Er hält dies für seine Pflicht: er wolle eine Schuld abtragen, die Fernando ihm vorgestreckt habe. Er nennt sich seinen Knecht, der einmal doch habe vergelten müssen, was ihm Grosses geschehen sei. Als freilich der König dazu kommt und aus Verdacht ihn verpflichtet, den hohen Gefangenen zu bewachen,,auf alle Fälle musst du für ihn Rede stehn," da erhebt sich ein Kampf in seiner Brust zwischen der Freundschafts- und der Unterthanenpflicht; aber, obgleich sein Freund ihm räth, dem Könige zu dienen, und so seine Ehre rein zu erhalten, so bleibt er doch dabei, seinen Vorsatz in's Werk zu richten, jenen in Freiheit zu setzen und selbst den gewissen Tod zu leiden, und nur als Fernando schärfer auf ihn einspricht, wird er wieder wankend, und das Unternehmen bleibt unausgeführt. Hier ist denn auch der Punkt, wo der Muhamedaner hinter dem Christen zurücksteht, wo Muley zum zweitenmale und auf eine edlere Art besiegt wird. Hier ficht nicht Schwert gegen Schwert, sondern Grossmut gegen Grossmut. Es ist sehr zu bezweifeln, ob Fernando in einem gleichen Falle eben so gehandelt haben würde, wie er hier den Rath gibt, ob er die Frage, die er hier selbst aufwirft:

,,Soll ich von dem Freiheit nehmen
Der, um für mich auszustehn,
Dann zurückbleibt? Soll ich dulden,
Dass an seiner Ehre wer

Grausam handle mir zu Gunsten ?"

nicht anders beantwortet hätte als Muley. Freilich streiten hier zwei Pflichten; aber edler war es auf jeden Fall, das eigne Leben aufzuopfern; und er hätte in der That hartnäckiger darauf

bestehen können, Fernando würde es wahrscheinlich doch nicht zugegeben haben. Aber der Dichter hat grade durch diese Mangelhaftigkeit, diese Unschlüssigkeit und Schwachheit die Kennzeichnung des Muley fortgesetzt und festgehalten. Um den Kampf der Grossmut mit dem Beschluss der Aufopferung zu beenden, musste er den Liebhaber vergessen und Christ sein. Daher kann er sich nun auch nicht höher erheben; er hat im dritten Aufzug freilich ein tiefes aber doch kraftloses Mitleid mit dem Dulder, und wird endlich zum zweitenmal mit Tarudante und Phönix von den Portugiesen gefangen. Durch das Fürwort wird ihm zwar bei dem Austausch der Gefangenen gegen die Leiche Fernando's von Alfonso die Hand der Phönix als Belohnung für die Freundschaft mit Fernando bedungen; aber wie gering ist dieses irdische Glück gegen das erhabnere, dessen sich Fernando durch seine Leiden für die Religion würdig gemacht hat, durch die Glorie, welche ihn schon auf Erden noch im Tode umstralt. Ja wir können uns Muley kaum durch die Erreichung seines höchsten Wunsches beglückt denken, wenn er sich dessen erinnert, was er für seinen Freund hätte thun können und sollen.

Welch ein wenig ausgezeichnetes Weib ist auch diese Phönix! Die Schönheit scheint ihre Hauptzierde zu sein. Hohe geistige und sittliche Eigenschaften werden wir eben nicht an ihr gewahr. Sie liebt den Muley, aber ohne grosse Zärtlichkeit. Er sagt zu Fernando von ihr:

„Durch ein ewiges Beharren
Haben so auch meine Thränen
Sich in ihres Herzens Stein,

Dem der Demant weicht an Härte,

Eingegraben, und mit nichten

Durch Gewalt vollkommnen Werthes;

Bloss durch meine grosse Liebe

Liess sie sich erweichen endlich.

Sie nimmt zwar das Bild des Tarudante, das der Vater ihr gibt, mit Widerwillen an, aber mehr wol, weil sie den Muley zu beleidigen fürchtet, als weil sie ihn innig liebt. Daher hat sie auch nicht die Kraft und den Mut, es zurückzuweisen, und dem Zorn ihres Vaters Standhaftigkeit entgegenzusetzen. Als

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