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Pfade des Lebens." Wenn aber nicht grosse Tugenden kleine Schwächen sühnen, und freundliche Handlungen unfreundliche Worte, müssten sie die Berge anrufen, sie zu bedecken; denn wer von ihnen könnte vor dem prüfenden Blicke des Allwissenden ein reines und ganz fehlerloses Leben aufweisen?

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Schön und wahr ist daher Lord Byron's
Sonnet an Rogers.

Sei mir verehrt, fiel gleich Dich ohne Schonung
Die dreiste Leerheit an und roher Witz;
Ein Heiligthum erschien mir Deine Wohnung,
Der Kunst, des Genius, der Tugend Sitz,
Du selbst der Hohepriester.

Stern und Krone
Sind dort mit schüchternem Verdienst gesellt;
Dort fand oft das Talent die warme Zone,
Die frost'ge Knospen noch zu Früchten schwellt.
So hat noch Keiner wahren Werth gepriesen,
So Keinem vor herzlosem Stolz gegraut.
Wie vielen Duldern hast Du Trost erwiesen
Im Stillen! Wozu würde es auch laut?

Der Elende ist doch der Scham entwöhnt,

Der um sein Brod verdorbnen Gaumen fröhnt. *)

(Alexander Schmidt.)

Zwei Jahre nach „Columbus" erschien 1814 Rogers' Gedicht „Jacqueline" in einem Bande mit Byron's „Lara.“ Beide Dichter hatten sich nicht genannt, obgleich ihre Verfasser

Sonnet to Samuel Rogers, Esqu.

*) Rogers! much honour'd howsoe'er assail'd
By wanton ignorance or ribald mirth,
Thy dwelling as a temple has been hail'd
Sacred to art, to genius, and to worth,
Thyself the high priest. Star and coronet

Are mated there with blushing merit; there
The frost-nipp'd bud or talent oft hath met

The warmth that nursed it till its fruit it bare.

None more than thou have true desert extoll'd,

None more than thou have scorn'd the heartless proud.

How many sufferers hast thou consoled

All silently! Nor need they speak aloud,

In hopes to shame the wretch condemn'd to carve
Food for foul stomachs, or himself to starve.

schaft kein Geheimniss war. Der Verleger, Murray, zahlte ihnen den enormen Preis von einer halben Guinea für die Zeile, und anstatt sich über dieses Geschäft zu beklagen, gestand er später, es sei sehr vortheilhaft für ihn ausgefallen. Es war dies übrigens das einzige Mal, dass Rogers nicht selbsteigen den Druck seiner Arbeit veranlasste. „Jacqueline" ist zwar kein hervorragendes, aber doch ein sehr ansprechendes kleines Gedicht, mit ausgezeichnetem Versbau, welches, so leicht der Gegenstand ist, doch Stellen enthält, die durch das Ohr auf das Herz wirken und von Allen, deren Geschmack nicht ganz dem neuen Style mystischer Wortfügungen und schlechter Reime ergeben ist, immer werden festgehalten werden. Als Beispiel stehe hier folgende Stelle:

„Der Sonne Demantstrahl kaum drang
Durch's Fenster auf den rothen Flur,
Sang seine Lieder sie und sang,
Bis dunkel die Natur.

Tag' aus und ein, die Gott beschied,

Träumt er und schlummerte beim Lied.
Sie starb für ihn, für Alle! still
Hängt an der Wand ihr Saitenspiel,
Und von der Stieg und Thüre her
Erklingt ihr Feentritt nicht mehr!
Ein leerer Stuhl bei jedem Mahl

Sagt ihm, sie weile nicht im Saal."*)

(A. Kaiser.)

Doch, die sanfte, liebenswürdige, anmuthige „Jacqueline“ war eine unpassende Begleiterin für die finstere, geheimnissvolle,

*) „Soon as the sun the glittering pane
On the red floor in diamonds threw,
His songs she sung, and sung again,
Till the last light withdrew.
Every day, and all day long,

He mused or slumbered to a song.
But she is dead to him, to all!
Her lute hangs silent on the wall;
And on the stairs and at the door
Her fairy foot is heard no more!
At every meal an empty chair
Tells him that she is not there."

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rachsüchtige „Lara“ und wurde Veranlassung zu manchem Scherz; daher löste der Verleger die Verbindung bei der zweiten Auflage auf. Wie hoch Byron das Gedicht von Rogers stellte, besagt sein an denselben am 27. Juni 1814 gerichteter Brief, welcher mit den Worten beginnt: „Sie hätten mir kein angenehmeres Geschenk als „Jacqueline“ machen können, sie ist ganz Grazie, Sanfmuth und Poesie. Letztere ist so vorherrschend, dass man gar nicht den Mangel der Handlung fühlt, die einfach, aber hinreichend ist. Ich wundere mich, dass Sie nicht öfter dergleichen arbeiten. Ich habe Sympathie für sanftere Regungen, wenngleich sehr wenig in meiner Weise, und Niemand kann sie so treu und glücklich malen, wie Sie." Und als ein Kritiker sich's herausnahm zu behaupten, „Jacqueline“ sei eine fleissig ausgearbeitete, aber etwas alberne Idylle, da sagte Byron „der Mann ist ein Narr; „Jacqueline“ ist Lara" so überlegen, wie Rogers mir," ein Ausspruch, den er übrigens mit andern Worten bereits in der Vorrede zur ersten Auflage that.

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Der im Frühjahre 1814 nach der Verbannung des Kaisers Napoleon auf die Insel Elba und der Rückkehr der Bourbonen mit Frankreich geschlossene Friede hatte den englischen Reisenden wieder den Continent geöffnet, und Rogers machte sich im Herbste mit seiner Schwester Sarah auf den Weg nach Italien, ging über Paris und die Schweiz und benutzte dabei den Simplon - Pass. Er besuchte Mailand, Venedig, Bologna, Florenz, Rom und Neapel, wo Murat noch als König herrschte. Von Neapel trat er die Heimreise an, bei der Ankunft in Florenz, Anfangs April 1815, erfuhr er die Flucht Napoleon's von Elba, dessen Rückkehr nach Frankreich und den bevorstehenden Wiederbeginn des europäischen Krieges. Dies beschleunigte seine Heimkehr durch Tyrol und Deutschland, wo die Nachhut der verbündeten Heere sich zu einer entscheidenden Schlacht gegen die Franzosen rüstete. Er kam durch Brüssel, als es von Wellington's Armee besetzt war, durch Gent, als Ludwig XVIII. dort residirte, und er erreichte London gerade 6 Wochen vor der Schlacht bei Waterloo.

Am 7. Juli 1818 starb Sheridan, und wieder finden wir Rogers als Helfer und Tröster, wenn alle Anderen sich zurück

zogen. Richard Brinsley Sheridan, berühmt als Schauspieler, Dichter und Gelehrter und einer der thätigsten und beredtesten Oppositionsmänner im Parlamente, war theils durch eigene, theils durch der Seinen Schuld in die härteste Lebensbedrängniss gerathen, aus welcher ihn nur der Tod endlich ganz erlöste. Noch während seiner letzten Krankheit sollte ein Gerichtsdiener einen Personalarrest an ihm vollziehen und ihn, in Decken gehüllt, in's Gefängniss abführen, was nur auf Einspruch der Aerzte unterblieb. Um nun dem sterbenden Dichter das armselige Recht zu verschaffen, ungestört sterben zu können, schoss Rogers 150 L. vor, „nicht die erste Summe dieses Betrages" sagt Moore in seinem Leben Sheridan's. Am folgenden Sonntage wurde der grosse Todte durch ein öffentliches Leichenbegängniss in der Westminster - Abbey geehrt, welchem sich zwei Herzöge aus der königlichen Familie und viele hervorragende Mitglieder des hohen Adels anschlossen; eine Thatsache, die ihre richtige Würdigung in folgenden Versen gefunden:

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Wie stolz sie jetzt eilen zum Leichengeläute,

Obwohl sie ihn mieden in Krankheit und Sorgen;

Wie Schergen entrissen die Decke dem heute,

Dess Bahrtuch von Grafen gehalten wird morgen." *)

Und es war interessant zu beobachten" sagt Moore a. a. O., ,wie in dem Zuge von allen diesen Herzögen, Marquis, Grafen, Baronen, Ehrwürden, Hochehrwürden, Prinzen von Geburt und ersten Staatsbeamten, Seite an Seite die beiden einzigen Männer einhergingen, welche nicht darauf gewartet hatten, bis sie ihre Eitelkeit befriedigen konnten Dr. Bain und Samuel Rogers."

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Während des Aufenthaltes in Italien betrachtete Rogers Alles, was ihm entgegentrat, mit dem Auge des Dichters und

*) „Oh, it sickens the heart to see bosoms so hollow,
And friendship so cold in the great and high-born;
To think what a long list of titles may follow
The relics of him who died friendless and lorn.
How proud they can flock to the funeral array
Of one whom they shunned in his sickness and sorrow,
How bailiffs may seize his last blanket to-day
Whose pall shall be held up by nobles to-morrow.

Archiv f. n. Sprachen. XXIX.

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Malers, füllte sein Tagebuch mit genauen Aufzeichnungen über Landschaft, Klima, Volk und Sitten, brachte auch die ihn auf dem classischen Boden belebenden Ideen zu Papier, um das Ganze für ein späteres Gedicht zu benutzen; vorläufig jedoch wurde es bei Seite gelegt, da ein anderes halbfertiges Gedicht des Abschlusses harrte: wir meinen das im Jahre 1819 veröffentlichte „menschliche Leben“ („Human Life"). In diesem Gedichte erreichte Rogers' Talent den Höhepunkt seiner Begabung; Gefühle, Empfindungen, häusliche Scenen und Lebensregeln sind darin mit einer Meisterschaft, Erhabenheit und Klarheit geschildert, welche selten, wenn überhaupt je übertroffen worden. Schon der Eingang des Gedichtes, welcher die Aufeinanderfolge der Lebensereignisse von der Geburt bis zum Tode beschreibt, ist ein vollendetes Kunstwerk. Er lautet:

„Der Lerche Danklied schmolz in Aetherblau,

Die Biene summte schläfrig heim zum Bau;
Doch rings im Thal blieb keine Glocke stumm,
Auf hohem Schloss geht hell die Freude um.
Dort glänzen Lichter, goldig perlt der Wein,

Und manche Freudenthräne glitzert d'rein;
Denn froh umstaunt, auf Decken hold geschmiegt,
Ein schlummernd Ebenbild des Grafen liegt.

Ein Kurzes wohl

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und jene Glocke grüsst
Durch's Thal den Tag, von Neuem lustversüsst;
Zum Jüngling ward das Kind, der Jüngling Mann,
Der Preis und Ruhm, den Vätern gleich, gewann;

,,The lark has sung his carol in the sky;

The bees have hummed their noontide lullaby;
Still in the vale the village-bells ring round,

Still in Llewellyn-Hall the jests resound;
For now the candle-cup is circling there,

Now, glad at heart, the gossips breathe their prayer,
And, crowding, stop the cradle to admire
The babe, the sleeping image of his sire.

A few short years

-

and then these sounds shall hail

The day again, and gladness fill the vale.
So soon the child a youth, the youth a man,

Eager to run the race his fathers ran.

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