Page images
PDF
EPUB

lasse es Allen, die daran Interesse nehmen, namentlich den Herren Schulmännern, meine Behauptungen zu prüfen, zu berichtigen, zu verbessern und zu vervollständigen, bitte dann aber, mit aller Energie dahin zu wirken, dass das für richtig Erkannte zur Geltung gebracht werde.

Liesegar,

in der Niederlausitz.

Justizrath Schmidt.

Ueber den Ritter Kei,

Truchsess des Königs Artus.")

Eine mehr beliebte und interessante, als gerade schöne Gestalt unter den Rittern des Königs Artus und dessen Tafelrunde ist der Ritter Kei. Das Interesse an demselben ist in der Blüthezeit mittelalterlicher Poesie so bedeutend gewesen, dass seine Person nicht bloss überall in den Artus-Romanen auftritt, sondern dass einzelne Gedichte ohne seine Persönlichkeit einen wesentlichen Theil ihres Gehalts einbüssen würden, dass er an einigen Stellen in sprichwörtlicher Weise als ein typischer Charakter auftritt.

[ocr errors]

Es scheint mir daher vom literarhistorischen, wie vom ästhetischen Gesichtspunkte aus der Gegenstand wichtig genug, Alles, was sich über denselben in unserer Literatur vorfindet, so weit dies Zeit und Hülfsmittel gestatten, zusammenzustellen; um SO mehr, da derselbe den Meisten nur wenig oder gar nicht bekannt sein dürfte, da selbst die Gelehrten ihn entweder nur oberflächlich, oder gar nicht berührt haben.

Kurz, aber treffend hat Benecke in seinem Wörterbuch zum Wigalois sich über Kei ausgesprochen, während das neueste mittelhochdeutsche Wörterbuch von Benecke-Müller-Zarncke

*) Nachstehende Abhandlung, welche vor ganz kurzer Zeit als Gelegenheitsschrift im Druck erschien, ist nur in einem sehr kleinen Kreise bekannt geworden. Das Lob, welches ihr Prof. Franz Pfeiffer in der Germania VI, 116 ertheilt, wonach der Verf. „zur richtigen Würdigung der eigenthümlichen und bisher fast räthselhaften Gestalt durch seine sorgfältige Untersuchung Wesentliches beigetragen und uns das Verständniss Kei's eigentlich erst erschlossen hat," rechtfertigt hinlänglich den nochmaligen Abdruck derselben.

D. Red.

ihn unbegreiflicher Weise nur mit Citaten aus Wolfram von Eschenbach und einer Hinweisung auf eine Anmerkung Lachmanns zum Iwein abfertigt. Sodann hat Rosenkranz in seiner Geschichte der Deutschen Poesie im Mittelalter (Halle 1830) über Kei's Charakter gesprochen, aber sehr einseitig und oberflächlich, weil ohne vollständige Berücksichtigung des Ueberlieferten. Dagegen hat er in seiner Aesthetik des Hässlichen (Königsberg, 1853), wo man fast berechtigt war, eine Würdigung von Kei's Wesen zu erwarten, denselben nicht einmal genannt. Es muss dies schon deswegen befremden, weil er in jener älteren Schrift Kei einer gewissen Ausführlichkeit gewürdigt hat und in seiner übrigens sehr lehrreichen und geistvollen Aesthetik des Hässlichen andere weniger bedeutende und charakteristische Gegenstände der mittelalterlichen Deutschen Literatur berücksichtigt, z. B. Ulrich von Lichtenstein, den armen Heinrich, Gregorius auf dem Steine, Meier Helmbrecht u. A. m.

Gervinus hat in seiner Literaturgeschichte (1. Bd. S. 372, neueste Aufl.) in geistreicher Weise ihn mit Hagen und Ganelon zusammengestellt; aber seine Darstellung ist zu kurz und für Leser, die mit der ganzen Sache nicht vertraut sind, völlig unverständlich. Im Laufe der Untersuchung wird sich auch ergeben, dass sie einer wesentlichen Modification bedarf. SanMarte (Regierungsrath Schulz) ist der Einzige, der zuerst in einer Anmerkung zu seiner Uebersetzung des Parcival (1. Aufl. S. 596), dann in seiner Arthursage und in den Anmerkungen zu seiner Ausgabe Gottfrieds von Monmouth einige dankenswerthe Fingerzeige zu einer richtigeren Würdigung Kei's gegeben hat.

Der Ritter Kei war Truchsess, nach Wolfram von Eschenbach und in Französischen Gedichten auch Seneschal, am Hofe des Königs Artus. Sein Name ist in den Handschriften und daher auch in den Ausgaben und Schriften neuester Zeit verschieden geschrieben und ohne Zweifel auch gesprochen worden. In der Latein. Chronik Gottfrieds lautet er gewöhnlich Cajus, an einer Stelle jedoch Cheudo; in den alten wälschen Dichtungen heisst er durchweg Kei. Dieser Form entsprechen am meisten die Deutschen, man mag sich nun für Kai oder Kei, oder gar für die zweisilbige Form Keie oder Keii entscheiden, denn

alle diese und noch andere kommen vor; 1) nicht die französischen Keu, Keus, Kex, so dass nach Lachmanns Meinung der Name in einer anderen, dem Wälschen näheren Form nach Deutschland gekommen wäre. Mit Sicherheit wird sich hier nicht leicht über das Richtige oder Richtigste eine Entscheidung treffen lassen. Die grosse Verschiedenheit in den Deutschen Gedichten mag theils von Willkür herrühren, hauptsächlich ist sie eine Folge der oft nur mündlichen Ueberlieferung, welche, wie wir ja hinlänglich wissen und erfahren, nicht bloss Thatsachen und Begriffe, sondern auch Wörter und Namen oft wunderlich verändert.

Der Ritter Kei ist nach den altenglischen Darstellungen einer der tapfersten Helden des Königs Artus. Er gehörte nach der 69. Triade zu den drei gekrönten Hauptleuten der Schlacht auf der Insel Britannien. 2) Nach dem Mabinogi Kilhwch und Olwen 3) schlug er mit seinem Schwerte Wunden, die kein Arzt heilen konnte. Er war nicht bloss höchst schlau, sondern auch im Besitz übernatürlicher Kräfte. Er konnte 9 Tage und 9 Nächte schlaflos zubringen, ohne zu ermatten. Er konnte Jede beliebige Gestalt annehmen und, wenn es ihm gefiel, sich ausstrecken bis zur Höhe des höchsten Baumes im Walde. Die Hitze seiner Natur war so gross, dass ihn der heftigste Regen nicht durchnässte, dass, wenn seine Gefährten fror, sie an seiner Gluth sich erwärmten. Er führt oft den Beinamen „der Lange“ und sein Ross heisst in Gedichten der langnackige Braune." Er war so tapfer, dass selbst der König Artus Bedenken trug, mit ihm zu kämpfen, wenn er, was oft geschah, mit ihm in Zwiespalt gerieth. In einem alten Bardenliede1) wird Kei's Tapferkeit von Gwenhwivar, der späteren Gemahlin des Königs

[ocr errors]

1) S. Lachmann zur Ausgabe des Iwein, S. 372, 2. Ausgabe.

2) S. San-Marte zu Gottfrieds von Monmouth: Historia Regum Britanniae, p. 409,

3) S. ebds. p. 411. Vgl. Beiträge zur bretonischen und keltisch-germanischen Heldensage von San Marte.

4) De la Villemarqué: Contes populaires des anciens Bretons I. p. 20, theilt dies angeblich dem 10. Jahrhundert angehörende Gedicht in Französischer Uebersetzung mit. S. auch San-Marte in den Anmerk. zu Gottfried von Monmouth p. 381.

--

Artus, auf Kosten des Königs selbst gepriesen. Sie. Wer ist der Tapfere, der an der Spitze des Heeres einherzieht? Es ist der Held, den Niemand besiegen kann; Kei der Lange ist's, Seunis Sohn. Er. Ich werde reiten, wenn es mir gefällt und mein Ross tummeln; Kei zu besiegen, wird mir ein Leichtes sein. Sie. Sonderbar ist's, junger Mann, dich so reden zu hören. Wenn du nicht tapferer bist, als es scheint, würdest du mit hundert deines Gleichen Kei nicht besiegen. Er. Gwenhwivar, du Schöne, reize mich nicht, obgleich ich klein bin, werde ich hundert Krieger ganz allein besiegen. Seine meisten Abenteuer besteht Kei mit Bedwir, dem Mundschenken des Königs. Er fiel nach Gottfried von Monmouth (X, 9) in einer grossen Schlacht gegen den Römischen Feldherrn Lucius, in welcher ihm Bocchus, König von Medien, eine tödtliche Wunde beibrachte. Er ward nach Camum gebracht, einer Stadt, die er selbst in der ihm von Artus geschenkten Provinz erbaut hatte. Nach seinem kurz darauf erfolgten Tode wurde er in der Kirche der Eremiten beigesetzt. Andere nehmen abweichend von dieser Erzählung Gottfrieds (X, 13) an, dass die Stätte seines Grabes Cair-Hir bei Aberavan in Glamorganshire sei.

Wie wenig wirklich Geschichtliches in diesen Erzählungen enthalten ist, bedarf wohl kaum der Bemerkung. Doch glaube ich Lappenbergs Ansicht über den König Artus mit gutem Recht auch auf einen seiner ersten Hofbeamten und tapfersten Ritter anwenden zu dürfen. 1) Hat die Dichtung die Wahrheit überflügelt, so ist das vorzugsweise leicht begreiflich in einer Zeit, in der es noch kein geschichtliches Bewusstsein, also auch keine historische Ueberlieferung giebt; der dichterisch schaffende Volksgeist dagegen sich in eine Fülle von Gestaltungen ergiesst, an denen sich die Nachwelt erfreut und erhebt. Für unseren Zweck ist jene Frage ohnehin von keinem Belange, denn in den Deutschen Dichtungen, zu denen wir jetzt übergehen, ist es das poetische Interesse, der ästhetische Gesichtspunt allein, von welchem aus wir den Gegenstand einer näheren Betrachtung zu unterziehen haben.

1) Lappenberg: Geschichte von England, 1. Bd. S. 107.

« PreviousContinue »