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Beide Zeitschriften besprechen die Hauptfrage des gelehrten Schulwesens, aber fie sind zugleich die einzigen Organe für diese Interessen in dem besondern engern Vaterlande und behandeln natürlich mit besonderer Rücksicht die eigenthümlichen Schulverhältnisse Bayerns und Desterreichs. Schon hierdurch sind sie von großem Werthe, da sie eine Menge von Mittheilungen geben, die uns sonst so leicht nicht zugänglich find. Wir erwähnen beispielsweise die sorgfältigen Berichte über die Schulprogramme, von denen wir nächstens das dieser Blätter vorlegen werden. Außer einer Reihe wiche im Auszuge den Lesern gischen Arbeiten und mehreren Aufsäßen über die verschiedenen Zweige des Gym nasialunterrichts verdienen die beiden Zeitschriften schon deshalb von unserer Seite rühmender Erwähnung, weil sie auch dem Studium und dem Unterrichte in den neueren Sprachen die gebührende Beachtung widmen, und Ref. macht in dieser Beziehung auf folgende. Aufsäße aufmerksam :0 hard day at zuby?) .sldäit

beachtenswerthen pädago

In I. Beiträge zur Behandlung der Rhetorik von Schöppner. – Gliederung des deutschen Unterrichts auf Gymnasien von Kehrein. — Die Einrichtung der Schulausgaben von Elesca, u. A. m.

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Ju II. Erklärung deutscher Lesestücke von Seidl. Ueber den Unterricht in der deutschen Sprache und ihrer Geschichte an den Gymnasien von Karajan. Ueber denselben Gegenstand von K. Weinhold. Ueber Abfassung deutscher Lesebücher von P. Riepl. Ueber den Unterricht in der deutschen Literaturgeschichte Ueber Klopstock's Wingolf von A. Wilhelm und Seidl. — Unterricht in der Muttersprache von F. Cupr. u. A. m. taba

von Ueber

Passow.

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Ueber die gegenseitige Einwirkung von Deutsch und Böhmisch in Oesterreich.

So eben kam mir der Abdruck meines frühern Auffages zu Gesicht, und ich kann nicht umhin, den des Slawischen kundigen Leser wegen der Entstellungen in den dort angeführten böhmischen Wörtern um Entschuldigung zu bitten, welche durch den Mangel an slawischen Typen entstanden sind.

Den früher bemerkten, auf slawischen Einfluß zurückzuführenden Eigenthümlichkeiten der im nördlichen Theile der österreichischen Monarchie geläufigen deutschen Sprache fügen wir noch Folgendes bei.

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Mit Präpositionen zusammengesetzte Zeitwörter werden mit Vorliebe auch dann nicht getrennt, wenn es die deutsche Sprachregel erheischt; man sagt und druckt z. B. die harten Laute übergehen in weiche; er hat sich überzogen (Kleider gewechselt); den Fluß überseßen“ u. s. w. Im Slawischen ist die Präposition stets untrennbar mit dem Zeitworte verwachsen, dieß wird im Deutschen nachgeahmt. Besonderer Gebrauch der Präp. „auf“: „auf etwas denken“, „auf etwas vergessen", wörtliche Uebersezung des böhmischen na. Das Hülfszeitwort „sein“ wird auch da gebraucht, wo der Deutsche haben" anwendet, offenbarer Slawismus, denn das Slawische braucht nur das Verbum „sein“ zur Umschreibung des Präteritum, z. B. „ich bin darauf (doppelter Slawismus !) vergessen“ anstatt „ich habe es vergessen", wörtlich dem Böhmischen nachgebildet. „Fuß“ gilt auch für,,Bein“ gemäß dem böhmischen noba, welches Fuß, pied, und Bein, jambe, be deutet; der Böhme hat keine besonderen Ausdrücke für diese Theile; man speist z. B. einen Hasenfuß, den Fuß vom Kapaurer (sic) u. f. w., was dem Deutschen Anfangs vom Geschmacke der hiesigen Feinschmecker eine seltsame Vorstellung giebt. „Finger“ wird auch für „Zehen“ gebraucht, böhm. prsty bedeutet Beis des. Für entweder oder" gilt „oder oder" entsprechend dem böhmischen aneb. Bei Häusernamen, Gasthäuserbezeichnungen wird bei" statt „zu" gebraucht: „beim Roß, bei drei Karpfen, beim Igel" 2c. statt „zum Roß“ u. s. w., wörtlich dem Böhmischen nachgebildet.

aneb

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Rostock bei Prag, Juli 1851.

Schleicher.

Bibliographischer Anzeiger.

Allgemeine Schriften.

C. Forster, The one primeval language traced experimentally through ancient inscriptions. Part. I. (Longman. London.)

21 s.

F. Körner, Die Bedeutung der Realschule für das moderne Kulturleben. (Costenoble. Leipzig.)

16 Ngr.

G. C. Köhler, Excurs in und durchs Gymnasium. (Weigel. Leipzig.) 72 Sgr.

Grammatik.

J. F. Hempel, Die Adverbien und Adverbiallocutionen der französischen Sprache. (Jacob. Altenburg.)

1 Thlr. C. H. F. Castres Phonologie française au 19. siècle suivie d'un cours de lecture et de débit. (Brockhaus. Leipzig.) 11/3 Thlr. The english language in its elements and forms (with a hist. of its development), by W. C. Fowler. (Harper & Brothers. New-York.) $ 1. 50. I. C. Viebahn, Lehrbuch der holländischen Sprache. I. Cursus. (Hamm. Wickenkamp.) 712 Ngr.

Lexicographie.

Englische Synonymen für Lehrer und Lernende. Nach W. Taylor bearbeitet von Dr. W. Zimmermann. (F. Fleischer. Leipzig.)

Literatur.

1 Thlr. 6 Ngr.

Shakespeare als Protestant, Politiker, Psycholog und Dichter von Dr. E. Vehse. 1. Band. (Hamburg. Hoffmann & Campe.) 1 Thlr. 20_Ngr. Phil. Chasles, Etudes sur la littérature des Anglo-americains. (Paris. Amyot.) 3 fr. 50 c. Christopher North's life and genius of the poet Burns. (A. Hart. Philadelphia.)

Die classischen Dichter und Schriftsteller des Auslandes in Biographien. (Schuberth & Co. Hamburg.)

Hilfsbücher.

1/2 Thlr.

8 Ngr.

Uebungsstücke zum Ueberseßen aus dem Deutschen ins Französische von Dr. A. Keber. (Aschersleben. Mannisfe). Th. Vernaleken, Leitfaden für deutsche Sprach- und Literaturkunde. 2 Thle. 2. Auflage. (Huber. St. Gallen.) 1 Thlr. 9 Ngr. K. J. Graf, Aufgaben zur Uebung des französischen Stils für die obersten Gymnasialklassen. (Hochhausen. Jena.) O. Lange, Grundriß der Geschichte der deutschen Literatur. (Niße. Berlin.)

18 Ngr.

8 Ngr.

Weihe-Denkmale der Uråltern-Tugend. Aus den Schenkungs-Urkunden der Mönche, von Sohnland Schubaur. (Leipzig. Frizsche.) Plattdeutsche Gedichte, meistens altmärkischer Mundart. (Neuhaldensleben.

F. Ahn, Italienische Fabellese für Schule und Haus. (Dumont. Cöln.)

12 Ngr. Eyraud). 71/2 Ngr. 1212 Ngr.

Bur Charakteristik Othello's.

Dritter Artikel.

3. Dialektik der Liebe Othello's.

Wir haben zum Schluß unsres ersten Artikels in der Schildes rung, die wir von Othello's Liebe gaben, die Widersprüche aufgedeckt, die in ihr lagen und ihm von Anfang an die Befriedigung vorent hielten, die die auf die Einheit mit der Gattung gestellte Liebe dem liebenden Subject gewährt. Wir gehen jezt dazu über, die Bedeutung dieser Widersprüche für die Geschichte seiner Liebe darzulegen, wobei unser Standpunkt wieder, wie bei Hamlet, kein andrer sein kann, als der der immanenten Gerechtigkeit; denn dadurch gerade sind ja Shakspeare's Dramen wahre Lebensbilder, daß sie von ihrem Schöpfer losgelöste Welten sind, die sich selber tragen, wie das Leben, daß sie also, wie dieses, im Ganzen und in den Schicksalen der Einzelnen das Product ihrer eignen, ihnen immanenten Kräfte sind, die der Forscher bloßzulegen hat, wofern er ihr Product verstehen will.

Schon das war eine Offenbarung des sittlichen Geistes, der unser Drama durchdringt, jener ihm eingebornen Gerechtigkeit, daß Othello der höchsten Befriedigung der Liebe untheilhaftig blieb, doch ist dies nur noch die negative Seite. Die Erniedrigung des Menschen, der er sich schuldig machte, als er Desdemona freilich in Gemäßheit seizum bloßen Werkzeug seiner subjectiven Befriedigung, mithin zur Sache machte, fordert eine Sühne, die nur eine positive Rache geben kann*), und sein Vergehen selbst führt sie über ihn herauf. Sein Standpunkt muß sich selbst vernichten.

nes Standpunkts

*) Um Mißverständnissen vorzubeugen, bemerke ich, daß ich sehr wohl weiß, daß diese Nache in ähnlichen Lagen sich nicht immer vollzieht. Doch ist hier zweierlei wohl zu erwägen. Erstens verlangen wir vom Dichter, daß er uns stets nur Menschen vorführe, nicht wie sie, um mit Aristoteles zu reden, sind, sondern sein Archiv f. n. Sprachen. IX.

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Zunächst ist es die Erhebung, die Erfüllung zur Totalität, die Desdemona ihrerseits und zwar durch ihn gewonnen hat, im Verein mit seiner Eifersucht auf seine Selbstständigkeit, deren der sittliche Geist sich bedient, um seine bisherige Befriedigung aufzuheben. Desdemona nämlich, theils weil sie in ihrem Glück gern Glück um sich her verbreiten möchte, theils weil Cassto's Liebe zu ihrem Gatten, die sie fehr wohl kennt, es ihr unmöglich macht, gerade ihn leiden zu sehen, hat unmittelbar am Morgen nach der Verabschiedung desselben bei ihrem Gatten,,stoutly" für ihn gesprochen (d. h. tapfer, ohne sich durch Widerrede einschüchtern zu lassen) und dadurch auf Jenen als öffentliche Person, als Statthalter Einfluß zu üben verfucht. Nun sahen wir schon gleich im Eingang unsres Dramas, daß Othello sehr geneigt ist, seine Würde als Organ des Staats verlegt zu glauben, wir sahen ihn in Zorn gerathen, als seine Leute ohne seinen Befehl mit Brabantio's Truppen handgemein werden zu wollen schienen, und hörten, wie er ihnen zurief: „Wäre es mein Stichwort, ich hätte es gewußt, ohn' einen Mahner (prompter)." Wir wissen ferner, daß Othello gar nicht sicher davor ist, seine Selbstständigkeit an Desdemona zu verlieren, da er in sie verliebt ist, und dürfen also schließen, daß er vor ihr noch ängstlicher die Aufrechthaltung derselben gewahrt haben werde. Was also wäre wohl natürlicher, als daß ihm Desdemona's Fürbitte für Cassto's Wiedereinseßung, die eine rein politische Angelegenheit war, auch als ein Eingriff in feine Sphäre erschienen wäre? Und in der That erscheint er in seiner Abweisung derselben schon gereizt; denn zwar gibt er ihr Anfangs Gründe an, weshalb er sie ihr nicht gewähren könne, sucht sich also mit ihr zu verständigen und erweist ihr die Achtung, die der Person gebührt - aber dennoch ist er offenbar gereizt, das geht aus seiner Antwort klar hervor: „er versichere, er liebe Cassio und brauche keines andern Fürsprechers als seiner Zuneigung, um ihn

sollen, d. h. Naturen, Menschen, die der Leidenschaft noch fähig sind, nicht jeder Erregung in ihrem schlecht individuellen Interesse sogleich zu gebieten und dadurch üblen Folgen für sich vorzubeugen wissen. Einen solchen Menschen aber haben wir in Othello. Dann aber ist nur der Stoff poetisch, der alle in ihm liegenden Keime zur Entwicklung zu bringen gestattet und uns dadurch die tiefsten Blicke in die Menschenbrust und Menschenwelt gewährt. Nur in diesem Sinn also sprechen wir im Texte von der Nothwendigkeit auch der positiven Rache. Vgl. Vischer Aesthet. I, S. 283 ff.

wieder anzubringen." Diese Antwort nämlich weist nicht bloß die Fürbitte ab, was ihm allein oblag, wenn er bloß die Sache im Auge gehabt hätte, sie weist auch die Person ab, die sie stellt, und zeigt gerade dadurch, daß er subjectiv berührt war, als er sie gab. Auch gibt es noch ein Zeugniß seiner Verstimmung, das nach dem Obigen nicht zu verachten ist. Cassio will ihm eine Musik bringen, und schon aus seinem Wesen, aus seiner gemüthlichen Bedürftigkeit ließe sich mit ziemlicher Sicherheit der Schluß ziehen, daß er die Musik lieben müsse; auch rühmt Othello in der That Desdemona's Gesang in Worten, die beweisen, daß er selbst für Musik empfänglich ist (Act 4, 2. an admirable musician! oh ste fonnte die Wildheit eines Bären zahm fingen!). Nun kommt hinzu, daß der sie ihm bringt, sein Freund ift, der ihn lange kennt, der es also wissen mußte, wenn Othello ein Feind derselben war wie ist es also zu erklären, daß Othello die ihm dargebrachte Huldigung abweist? Die Erklärung, er liebe die Musik nicht, bei der Gervinus sich beruhigt, hält offenbar nicht Stich, dann aber bleibt Nichts übrig, als auf die oben angegebene Verstimmung Othello's zurückzugehen, von der wir, was bei Shakspeare eine wenn auch mangelhafte, doch keineswegs seltene Technik ist*),

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*) Wir verstehen unter dem hier angedeuteten Mangel der Shakspeareschen Kunst die hie und da nicht zu leugnende Unfähigkeit, den Stoff mit der Idee so zu durchdringen, daß dieselbe überall klar durchscheint. Schon Hamlet könnte, als ein Ganzes betrachtet, hier zum Beweise angeführt werden und es würde in der That zur richtigen Würdigung der Kunst Shakspeare's von Wichtigkeit werden können, von diesem Gesichtspunkt aus auf den Hamlet einzugehen. Dasselbe Drama bietet aber auch im Einzelnen Belege für diesen Mangel, hinsichtlich derer wir hier nur auf unsre früheren Abhandlungen verweisen können. Es wird sich bei genauerem Zusehn zeigen, daß derselbe häufig darauf beruht, daß der Dichter sich mit einem Nacheinander der Thatsachen begnügt und es dem Hörer überläßt, sie innerlich zu verknüpfen. An unsrer Stelle dient die Abweisung der Musik, so sehr auch die Späße des Narren drein spielen, die Veränderung der Sachlage anzudeuten, die auch um so greller ist, da wir kaum erst den Herold auf Othello's Befehl ein allgemeines Fest hatten ausrufen hören (every man put himself into triumph) x. Hier folgt die Motivirung durch Emilie dann hinterher. Ebenso möchte ich und bin überzeugt, darin, nicht zu kühn zu sein, auch Othello's Worte zu Jago: That done, I will be walking on the works; repair there to me als nicht zusammenhangslos dastehend fassen, sondern mit dem Vorhergehenden und Folgenden so in Verbindung bringen, daß ich annähme, Othello habe schon jezt die Absicht gehabt, über die Ursache seines Unmuths mit Jago zu reden, wie er es später ausführt, offenbar berechneter Weise, denn er schickt Desdemona ja geradezu fort.

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