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Was der Lehrer den empfänglichen Kinderherzen mittheilt, sezt sich dort fest und wird Lebensregel; die Richtung, welche er dem Gez schmacke giebt, geht nimmer verloren, sondern bildet sich später nur mehr aus. Dieser Einfluß dehnt sich einerseits auf den Styl und andrerseits auf die Wahl der Worte aus; vom Lehrer hängt es also ab, ob der Styl des jungen Mannes blumen- und floskelreich wire, oder ob er logisch scharf, einfach und kräftig sich entwickelt; von ihm hängt es ab, ob das lateinische oder sächsische Element im Style be= vorzugt wird; von ihm hängt es ab, ob die nöthig werdenden Zusammensegungen auf dem Gebiete der klassischen oder deutschen Sprache vollzogen werden. Minder direct ist freilich der Einfluß der Zeitungsschreiber, allein er ist deshalb nicht weniger beträchtlich. Das Publikum, welches hier bearbeitet wird, steht meistens in einem Alter, wo der Verstand schon selbstthätig ist und die Kritik sich zeigt. Um auf ein solches Publikum zu wirken, muß man Kenntnisse, Talent und Geschmack besizen, man muß die abzuhandelnden Gegenstände in anziehender Form darzustellen wissen, und den Geschmack des Publikums kennen, für welches man schreibt. Ein Mann, der diese Bedingungen zu erfüllen im Stande ist, gewinnt allmälig einen bedeutenden Einfluß über den Geist seiner Leser, er darf es wagen, neue Worte einzuführen, und da sie im Geiste der Sprache geschaffen sind, können sie auf Nachsicht und Berücksichtigung rechnen. Der Ges danke wird Träger und Empfehler des Wortes, der Redensart, der Wendung. Das neue Wort wird dem Auge bekannt, bald schleicht fich's ins Gedächtniß ein, von hier aus theilt es sich der Denkweise mit, und da nun einmal nichts im Gedächtnisse aufgehäuft sein soll, ohne benut zu werden, so finden wir wenige Zeit nachher denselben neugebackenen Ausdruck im Munde und der Darstellung des Publikums. Wenn aber der Einfluß dieser Personen auf die Sprache des Publikums so groß ist, wie ich eben anzudeuten versucht habe, und diese die Sprache beherrschenden Personen, durch Vorurtheile oder Abneigung veranlaßt, das deutsche Element der englischen Sprache bei der Bildung neuer Worte nicht berücksichtigen, dürfen wir uns da noch wundern, daß die Anzahl der durch Zusammenseßung auf dem Gebiete der klassischen Sprachen neu entstandenen Worte so groß und die Anzahl der neuen deutschen Worte im Englischen so`gering ist? Allein wenn wir uns auf diesem Wege auch das Anschwellen von Zusammensegungen klassischen Ursprungs erklären können, so

bleibt die Thatsache nichts desto weniger tadelnswerth, denn es möchte sich wohl ohne viele Mühe nachweisen lassen, daß ein großer Theil der neugebildeten klassischen Worte ebenfalls durch Neubildungen mit angelsächsischen Worten hätte hergestellt werden können. In einem ganz andern Verhältnisse stehen zur englischen Sprache diejenigen Worte klassischen Ursprungs, welche in Büchern über Chemie, Technologie, Botanik, Mineralogie, Geologie, Geographie, Mythologie und Meteorologie gebraucht werden, denn diese finden ihre Erklärung und Entschuldigung in der Klarheit, Schärfe und Kürze, die sie der Darstellung verliehen. Und außer diesen Gründen, die ihre Aufnahme wünschenswerth, ja theilweise nothwendig machen, haben alle eine Art historisches Recht auf Berücksichtigung und oft auch die Ansprüche des Alters für sich. Man weiß ja, daß in früheren Zeiten die Gelehrten einen Staat im Staate bildeten, daß man nicht für das Volk, sondern für die Wissenschaft, für die Gelehrten schrieb, und nur ihnen die neuen Entdeckungen mittheilen wollte. Bei jedem Gelehrten sezte man aber die Kenntniß des Lateinischen und Griechischen voraus, während man von dem Engländer nicht verlangte, daß er Deutsch verstehen sollte, und es dem Deutschen leicht verzieh, wenn er kein Wort Englisch verstand. Und eben so verlangte man vom Schweden kein Italienisch, vom Russen kein Dänisch, vom Dänen kein Französisch, von allen dagegen verlangte man Kenntniß des Lateinischen, und deswegen war man sicher, Werke, in dieser Sprache geschrieben, der allgemeinen Kenntnißnahme angeboten zu haben. Wenn man nun ferner bedenkt, daß auch die mündlichen Vorträge von Leuten gehalten wurden, die der klassischen Sprachen kundig waren, und daß die Genauigkeit des Ausdrucks den Gebrauch des lateinischen Kunstwortes empfahl, fo hat es nichts Auffallendes mehr, einen Zoologen so sprechen zu hören: In the structure of the occiput and base of the cranium this large scull resembled more the Palopteryn, oder The mole cricket emits a phosphorescent light. Als man dann endlich zu der Ansicht kam, daß besonders diese obengenannten Wissenschaften bestimmt waren, mit dem täglichen Leben in Beziehung zu treten, und als man dann anfing, Werke für ein größeres Publikum schreiben zu wollen, fand sich, daß man es vernachlässigt hatte, Worte für die neuen Begriffe in der eigenen Muttersprache zu bilden, und daß dieselbe also troß ihrer Reichhaltigkeit und Biegsamkeit nicht

ausreichte, um einen vollständigen Vermittler zwischen den Entdeckungen der Wissenschaft und dem neuen Publikum abzugeben. Man entschloß sich also, die wissenschaftlichen Ausdrücke anzuwenden, und diese gewissermaßen dem Volke zu leihen, allein da man sie in derselben Zeit demselben durch Umbildung der Endungen mundgerecht gemacht hatte, so erbten sie sich bald wie eine Krankheit von Geschlecht zu Geschlechte fort, und erwarben das Bürgerrecht, ohne jemals als ächte Söhne des britischen Sprachgenius angesehen zu sein. Aber auch troß dieser Umgestaltung haben diese Worte für den Uneingeweihten etwas Abstoßendes, Fremdartiges und Unbestimmtes, für den Laien sind sie eine Art von Hieroglyphensprache, und er wird wohl nicht leicht begreifen, wenn er in einem Handbuche der Chemie liest von nitroprussides, alkaline carbonate, provide of tin, carburetted hydrogengas, in der Geologie von tournonites, dolomites u. titaniferous veins of St. Gothard, in der Physik von diamagnetic action u. dioptic dissolving lantern. Ebenso schwer möchte es einem Laien wohl werden, mit folgendem Saße eine klare Idee zu verbinden: The opecculated species of Mollusca constitute a large share of this increase but the dioptea and raphoneis oregonica are the only two species characteristic of the locality. Die Zahl dieser neuen Ausdrücke ist ungeheuer und wächst noch mit jedem Tage. Mag der Lerikograph auch noch so sorgfältig sein bei der Auswahl der neuen Ausdrücke, die er in sein Wörterbuch aufnehmen will, und die ausscheiden, welche mehr der Wissenschaft als dem täglichen Leben angehören, so wird doch auch so die Anzahl der stets neu aufzunehmenden Ausdrücke mit jedem Jahre bedeutend wachsen, und die Wichtigkeit der Wissenschaften, die sich ihrer bedienen, ihn hier und dort zwingen, Concessionen zu machen. Aber selbst bei ruhiger Ueberlegung kann man sich nicht enthalten, diese Ausdrücke mit Schmarozerpflanzen zu vergleichen, denn sie sind dem wahren Körper der englischen Sprache absolut fremd, sie gedeihen auf seine Kosten, und dehnen sich mit einer Schnelligkeit aus, die ans Unglaubliche streift. Hätte das Deutsche in den vorliegenden Fällen dem Wortmangel im Englischen abhelfen können, wie es das leider nicht konnte, da man auch hier versäumt hatte, die deutsche Terminologie auszubilden, so würde es sich auf die Dankbarkeit des Englischen einen bedeutenden Anspruch erworben haben, und dem Umsichgreifen klassischer Neubildungen haben vorbeugen können.

Archiv f. n. Sprachen. IX.

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Hatte aber bisher der Wohlklang der Worte und die Leichtigkeit der Zusammenseßung den klassischen Sprachen schon einen bedeutenden Einfluß bei der Bildung neuer Worte gesichert, hatte ferner der Erfolg Schriften, in denen sich Latinismen fanden, besonders begünstigt, und die exacten Wissenschaften ihren Wortbedarf vorzüglich aus den klassischen Sprachen ergänzt, so hatten das die Freunde des Deutschen zwar beklagen müssen, allein es gab das noch keinen Grund zu Befürchtungen, so lange man annehmen durfte, das 5% der im täglichen Gebrauch vorhandenen Wörter deutschen Ursprungs waren. Indessen scheint seit einiger Zeit ein Feind gegen das Deutsche aufgetreten zu sein, der zwar nicht sichtbar ist, allein nichts destoweniger höchst mächtig und furchtbar, das ist die Mode. Die englische Sprache hat mit den Ursprachen gemein eine gewisse Leichtigkeit im Ausdrucke, eine große Anzahl von Synonymen, deren Unterschiede noch nicht philosophisch genug festgestellt sind, giebt ihr die Möglichkeit, jede Nüancirung und Schattirung des Gedankens auszudrücken. Es läßt sich nicht verkennen, daß diese Reichhaltigkeit in Ausdrücken ein bedeutender Schaß für eine Sprache ist, allein zu gleicher Zeit wird diese Reichhaltigkeit nur zu oft zum Tummelplaß für die Mode. Mit der Willkür und Unbesonnenheit einer Despotin begünstigt sie den einen Ausdruck, während sie den andern in den Abgrund stößt, oder der allgemeinen Verachtung preisgiebt; mit der Zartheit einer Modedame findet sie den einen zu gemein und grob, den andern aber zu unbestimmt oder zu zweideutig; mit der Leichtfertigkeit einer öffentlichen Dirne will sie ihren Liebling zum Himmel erhoben und überall gepriesen sehen, um ihn bald nachher zuerst zu verlassen. Noch immer sendet sie ihre Zöglinge nach Paris, um ihnen feine Sitte und Weltkenntniß zu lehren, noch immer ist ein französisches bon mot eine Empfehlung in guter Gesellschaft, noch immer ist es erlaubt, ein vorhandenes englisches Wort durch ein wohlklingendes französisches zu ersezen. Fragen wir aber, welchem Wortstamm das zu ersehende oder vielmehr zu verdrängende angehörte, so werden wir stets finden, daß es das angelsächsische war, und wenn wir dann dasjenige betrachten, welches an seine Stelle getreten, so werden wir finden, daß es fast ohne Ausnahme lateinischen Ursprungs ist, und das Resultat wird also sein, daß auch die Mode die Ausdehnung und Macht des deutschen Wortstammes bekämpft. Wenn aber die Mode so sehr gegen den deutschen Wortstamm eingenommen ist, daß sie so

gar französischen Worten gegen längst aufgenommene die Concurrenz gestattet, und wenn ferner feststeht, daß der Engländer, weit entfernt, auf seine Verwandtschaft mit dem Deutschen stolz zu sein, sorgfältig eine Handlung vermeidet, die an seine Verwandtschaft mit dem Deus schen erinnern könnte, so dürfen wir uns wohl nicht mehr wundern, daß er auch bei der Bildung neue Worte es vorzieht, sich dem fremden Elemente in die Arme zu werfen.

Bedenken wir nun, daß der menschliche Geist die Veränderung liebt, und sich leicht dem Neuen zuwendet, selbst wenn es das Alte in keiner Beziehung übertrifft, und bedenken wir ferner, daß ein großer Theil des Publikums vom Ausbeuten der Mode lebt, so werden wir die Macht des Hebels ermessen können, der eben die Fabrikation neuer Zusammenseßungen mit klassischen Worten auf diesen hohen Standpunkt erhebt. Zu ihr gesellt sich dann als mächtiger Bundesgenosse der Nußen: quaerenda pecunia primum est, virtus post nummos, und die Erfahrung lehrt, daß es keine leichte Sache ist, als unbekannter junger Mann gleich eine bedeutende Kundschaft zu erlangen. Wenn ein junger Doctor sich die Freiheit nimmt, an seiner Schelle täglich mehrfach klingen zu lassen, und wenn er Wagen bestellt, die vor seiner Thür halten müssen, als ob sie auf die Rückkehr von Patienten aus des Doctors Hause warteten, soll da nicht auch ein Schufter das Recht haben, sich als Eupodistic bootmaker mit resilient boots bem Wohlwollen des Publikums zu empfehlen? Der gute Mann ist als homo novus dem großen Consumenten, Publikum genannt, unbekannt, auch vor seinem Erscheinen und Auftauchen wußte sich das Publikum den angepriesenen Artikel zu verschaffen, es war mit seinen Lieferanten zufrieden, warum soll es also zu einem andern gehen, dessen Geschicklichkeit noch nicht bekannt ist?

Aber unser neuer Schuhmacher will arbeiten, verkaufen, verdienen, er muß mit den schon vorhandenen Gevattern concurriren, in einer Kunst kann er es vielleicht, soll er sich nun nicht der Mittel bedienen, die ihm zu Gebote stehen, úm Kunden anzulocken? Darum nannte er sich Eupodistic bootmaker und er ist sicher, daß dieser fremdartige, unverständliche Titel, sowie die Neugierde des Publikums ihm Leute zuführt, die ihm zu verdienen geben. Derselben Quelle verdanken Worte wie Panklibanon tronworks, Antigropelos, Euknemida ihre Entstehung; das Publikum will aufmerksam gemacht sein, und die betheiligten Personen aus der Unverständlichkeit des

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