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zeigen hoffe, so darf ich dagegen auch eine Bitte wagen, welche mir unter diesen Umständen sehr am Herzen liegt, deren Erfüllung mich in dem gegenwärtigen Falle allein beruhigen könnte. Es wäre des Herzogs von Braunschweig Durchl. zu gleicher Zeit in Berlin zu sehen, wenn ich mich dort, um die Befehle des Königs zu vernehmen, einfände. Ew. Hochwohlgeb. billigen gewiß die Gesinnungen, welche mich zu dieser Bitte veranlaßen. Ich wünschte nicht den Schein zu haben als wenn ich mich bei einer so wichtigen Gelegenheit zudrängte und ein unverdientes Vertrauen einzeln zu erzwingen suchte.

Versammeln aber Ihro Maj. in einem so wichtigen Momente Ihre Anverwandten und die auf welche sie Ihr größtes Vertrauen setzen, wird mir alsdann aufgetragen etwas auszuführen was nothwendig und heilsam scheint, so kann mich das Publicum nicht als einen unruhigen Kopf ansehen, der seine Existenz darin findet zu stören und anzustiften und dergleichen Aufträge mehr zu veranlaßen als zu übernehmen. Wie mich nun bey dieser Gelegenheit mein Eifer Ihro Maj. zu dienen gewiß nicht verlaßen wird, so wird mich dagegen die Anweßenheit des Herzogs von Br. beruhigen und mir Muth geben auch über äußere Bedenklichkeiten hinaus zu gehen, die sich mir bey diesem Geschäfte allenfalls in den Weg stellen könnten.

Schließlich ersuche ich Ew. Hochwohlgeb. mich Ihro Maj. zu Füßen zu legen und überzeugt zu seyn, daß ich mich freue bald mündlich bezeugen zu können wie bei dieser Gelegenheit auch das von Ew. Hochwohlgeb. mir bewiesene Vertrauen mich gerührt hat.<<

Es ist unnöthig, diese Verhandlung weiter zu verfolgen; es genügt zu bemerken, daß Karl August zwar nach längerem Aufenthalt bei dem Herzog, seinem Onkel, in Braunschweig nach Berlin ging (Februar 1790), daß aber die Verhandlung mit Sachsen von dem Marquis Lucchesini übernommen und zum Ziele geführt wurde.

II. ABHANDLUNGEN.

I.

DIE OSTERSCENEN

UND DIE

VERTRAGSSCÈNE IN GOETHES FAUST.

VON

JOHANNES NIEJAHR.

ie Kritik hat sich bisher mit den Stücken des ersten Theils des Faust, die der abschließenden Epoche der Dichtung angehören, nur wenig beschäftigt. Abgesehen von dem vielumstrittenen Auftritt »>Vor dem Thor« und der »>Walpurgisnacht«, über die Witkowski kürzlich eingehend gehandelt hat, sind die übrigen Scenen kaum je einer ernsten Analyse unterworfen worden. Man kann ja hier freilich keine Aufschlüsse erwarten, wie sie eine Betrachtung des Urfaust und der an ihn anknüpfenden Scenen im Fragment ergiebt. Goethe stellte die Dichtung, als er an ihre Vollendung ging, mit Bewußtsein auf eine völlig neue Grundlage, wobei nothwendig die von der Jugendconception auslaufenden Fäden stark gelockert wurden. Ueberdies fanden sich für den größten und wesentlichsten Theil der neuen Scenen, für die der großen Lücke, offenbar nur wenige vorbereitende Entwürfe und Skizzen in dem alten Manuscript vor. Aber gewiß ist es, daß Goethe gerade für die entscheidende Stelle, an der er den leeren Raum für die noch auszuführenden ersten Mephistoscenen gelassen

hatte, schon in der Jugendzeit einen festen Plan im Kopfe trug, und ebenso gewiß ist es, daß er diesen später, so weit er ihm noch gegenwärtig war, zwar stark geändert, aber nicht gänzlich aufgegeben hat. Eine genaue kritische Erörterung dieser Scenen kann demnach nicht ganz ohne Ergebnis für die Reconstruction des Jugendentwurfes sein, und selbst ein negatives Resultat wird in einer Frage, die sich doch immer nur bis zu einem gewissen Punkte lösen läßt, als ein Gewinn zu betrachten sein. Die für die Kritik wichtigsten dieser Auftritte sind die Osterscenen und die Vertragsscene, denen die folgende Untersuchung gilt. Ich schicke einige allgemeine Bemerkungen voraus.

Ueber den Gang der letzten Ausbildung der Dichtung sind wir durch Goethes Briefe und Tagebücher in den Hauptpunkten unterrichtet. Fest datirbar ist darnach Folgendes. Es entsteht: 5. Juni 1797 »Oberons goldne Hochzeit«<, in demselben Monat »die Zueignung«. In den Jahren 1800 und 1801 die Ergänzung der großen Lücke, dazwischen 1800 der Anfang des Helenaactes. Nach langer Pause 1806 die Vollendung der Valentinscene und der Walpurgisnacht. 25. April 1806 Abschluß des ersten Theils. Man sieht, die Ausarbeitung schließt sich im Wesentlichen der natürlichen Folge der Scenen an.

Dies sind für die Entstehungsfrage nur die äußeren, allgemeinen Marksteine. Für die weitere und wichtigere Feststellung, wann und wie innerhalb dieser Grenzen die einzelnen Theile ausgebildet wurden, insbesondere was etwa aus der Jugendconception in die neuhinzugekommenen Scenen übergegangen ist, sind die Gesichtspunkte aus dem Stück selbst zu gewinnen.

Es ist eine lange reiche Epoche im Leben Goethes, in der das Werk seiner letzten allmählichen Ausreifung entgegenging. Es ist die beglückende Zeit des Freundesbundes mit Schiller, jenes neuen dichterischen Lenzes, in dem die frischbefruchtete Schöpferkraft in unnachahmlichen Gebilden der Schönheit aufblühte, es ist eine allgemeine Aera jungen triebkräftigen Keimens in deutscher Dichtung und Wissenschaft, es ist eine Epoche gewaltiger socialer und politischer Umbildungen; es ist andererseits die Zeit des herbsten persönlichen Leides, des Verlustes des einzigen Freundes und mitstrebenden Gefährten. Was ist, so fragen wir, von diesen Eindrücken und Erlebnissen in den Faust übergeflossen? Wüßten wir es nicht besser, wir würden in die trübe Zeit nach Schillers Tod die Osterscene setzen, deren tief elegischer Ton, deren schluchzender Wohllaut nur einer zum Tode wunden Brust, so sollte man meinen, entströmen konnte, wir würden ihr zuschreiben jenen furchtbaren

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