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„Hier,“ rief der Graf, „mein waderer Freund,
Hier ist Dein Preis! Komm her, nimm hin!“
Sag' an, war das nicht brav gemeint?
Bei Gott! der Graf trug hohen Sinn.
Doch höher und himmlischer, wahrlich, schlug
Das Herz, das der Bauer im Kittel trug.

„Mein Leben ist für Gold nicht feil.
Arm bin ich zwar, doch ess' ich satt.
Dem Zöllner werd' euer Gold zu Theil,
Der Hab' und Gut verloren hat!“
So rief er mit herzlichem Biederton,
Und wandte den Rücken und ging davon.

Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang!
Wer solches Muths sich rühmen kann,
Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.
Gottlob! daß ich singen und preisen kann,
Unsterblich zu preisen den braven Mann.

Troft.

Wann dich die Lästerzunge sticht,
So laß dir dieß zum Troste sagen:
Die schlechtsten Früchte sind es nicht,
Woran die Wespen nagen.

Die Efel und die Nachtigallen.
Es giebt der Esel, welche wollen,
Daß Nachtigallen hin und her
Des Müllers Säcke tragen sollen.
Ob recht, fällt mir zu sagen schwer.
Das weiß ich: Nachtigallen wollen
Nicht, daß die Esel singen sollen.

An das Herz.

1792.

Lange schon in manchem Sturm und Drange
Wandeln meine Füße durch die Welt.
Bald den Lebensmüden beigesellt,
Ruh' ich aus von meinem Pilgergange.

Leise sinkend faltet sich die Wange;
Jede meiner Blüthen welkt und fällt.
Herz, ich muß dich fragen: Was erhält
Dich in Kraft und Fülle noch so lange?

Trotz der Zeit Despoten-Allgewalt,
Fährst du fort, wie in des Lenzes Tagen,
Liebend wie die Nachtigall zu schlagen.

Aber ach! Aurora hört es kalt,

Was ihr Tithons Lippen Holdes sagen.
Herz, ich wollte, du auch würdest alt!

Ludewig Heinrich Sölty,

geb. am 21. Dezember 1748 zu Mariensee in Hannover, Sohn eines Predigers, studirte seit 1769 Theologie in Göttingen, wo er Mitglied des Hainbundes wurde, und starb am

1. Septbr. 1776 zu Hannover.

Aufmunterung zur Freude.

1776.

Wer wollte sich mit Grillen plagen,
So lang' uns Lenz und Hoffnung blüh'n?
Wer wollt in seinen Blüthentagen
Die Stirn' in düstre Falten ziehn?

Die Freude winkt auf allen Wegen,
Die durch dieß Pilgerleben gehn.

Sie bringt uns selbst den Kranz entgegen,
Wann wir am Scheidewege stehn.

Noch rinnt und rauscht die Wiesenquelle,
Noch ist die Laube kühl und grün;
Noch scheint der liebe Mond so helle,
Wie er durch Adams Bäume schien.

Noch macht der Saft der Purpurtraube
Des Menschen krankes Herz gesund;
Noch schmecket in der Abendlaube
Der Kuß auf einen rothen Mund.

Noch tönt der Busch voll Nachtigallen
Dem Jüngling hohe Wonne zu;
Noch strömt, wenn ihre Lieder schallen,
Selbst in zerriff'ne Seelen Ruh!

wunderschön ist Gottes Erde,

Und werth, darauf vergnügt zu sein!
Drum will ich, bis ich Asche werde,
Mich dieser schönen Erde freun!

Auftrag.

Ihr Freunde, hänget, wann ich gestorben bin,
Die kleine Harfe hinter dem Altar auf,
Wo an der Wand die Todtenkränze

Manches verstorbenen Mädchens schimmern.

Der Küster zeigt dann freundlich dem Reisenden Die kleine Harfe, rauscht mit dem rothen Band, Das an der Harfe fest geschlungen,

Unter den goldenen Saiten flattert.

Oft, sagt er staunend, tönen im Abendroth
Von selbst die Saiten, leise wie Bienenton;
Die Kinder, auf dem Kirchhof spielend,
Hörten's, und fahn, wie die Kränze bebten.

Göthe,

geb. 28. August 1749 zu Frankfurt a/M., studirte in Leipzig und Straßburg die Rechte, arbeitete am Reichskammergericht zu Wezlar, ging auf eine Einladung des Herzogs von Weimar 1775 nach Weimar, wo er 1782 Kammerpräsident und geadelt wurde; nahm 1786 einen längeren Aufenthalt in Italien, trat nach seiner Rückkehr 1788 zuerst mit Schiller in Bekanntschaft; starb am 22. März 1832 zu Weimar,

Billkommen und Abschied.

Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde!
Es war gethan, fast eh' gedacht.

Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht:
Schon stand im Nebelkleid die Eiche,
Ein aufgethürmter Riese, da,
Wo Finsterniß aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.

Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah kläglich aus dem Duft hervor;
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsaus'ten schauerlich mein Ohr;
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch frisch und fröhlich war mein Muth;
In meinen Abern welches Feuer!

In meinem Herzen welche Gluth!

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