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ich an meinem Geburtstage desselben Jahrs begraben ließ, nachdem er sich selbst und mir lange genug zur Last gelebt, aber durch sein über ihn verhängtes träges Mönchsübel mich wider meinen Willen thätig, geschäftig, gesellig und fruchtbar gemacht hatte.

2. Johann Gottfried von Herder. 1744-1803.
(§. 135. 2.)

Johann Gottfried von Herder wurde den 25. August 1744 in Mohrungen im Königreiche Preußen geboren. Sein Vater Gottfried Herder war daselbst Mädchenschullehrer und zugleich beim polnischen Gottesdienste Glöckner (Küßter) und Cantor; seine Mutter, Anna Elisabeth Pels, eines dortigen Huf- und Waffenschmidts Tochter. Der Vater starb 1763, die Mutter 1772. Die Familie stammte aus Schlesien. In großer Ordnung, Rechtlichkeit und Frömmigkeit wurde Herder erzogen. Der Vater war ein ernster Mann. Wenn er mit dem Sohne zufrieden war, verklärte sich sein Gesicht, er legte seine Hand sanft auf des Sohnes Haupt und nannte ihn Gottesfriede. Der Mutter sanftes Betragen milderte des Vaters Ernst und ihre empfindungsvolle zarte Natur theilte fich ganz dem Sohne mit, welcher sie wie eine Heilige im Herzen trug. Den Schulunterricht genoss Herder bei dem strengen, gelehrten, oft pedantischen Schulrector Grimm, welchen er hoch achtete und dem er auch gründliche Kenntnisse im Generalbasse und der Harmonie verdankte. Seine ganze Liebe wendete aber Herder seinem milden und liebenswürdigen Religionslehrer, dem Prediger Willamovius, zu, welcher ihn auch eins segnete und dessen Unterricht den tiefsten Eindruck ächter Frömmigkeit und Menschenfreundlichkeit in ihm zurückließ. Wie die häusliche Erziehung und der Einfluss des Glaubensunterrichtes; so wirkte auch der Umgang mit der Natur auf Herder's Gemüth und die stillen Gänge um den Mohrunger See und das Paradieseswäldchen, wie sein Lesen in den Zweigen eines Kirschbaums unter Blüthen und Vogelgesang gehörten zu seinen höchsten Freuden. Schmerzlich beklagte er bei seinem Durst nach Bildung den Mangel an Büchern, und die Benutzung der Bibliothek des Diakonus Sebast. Friedrich Trescho bewog ihn, dessen Famulus und Abschreiber seiner ascetischen Schriften zu werden, obschon sonst sein Aufenthalt in dem Hause dieses gutmeinenden, aber sehr hypochondrischen und bisweilen

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1. Dem Vater des bekannten Dithyrambendichters Joh. Gottlieb Willamov. S. Th. IV. S. 586-594. 2. Er hat dem edlen Manne in dem Auffaße „der Redner Gottes" Th. X. S. 475. der Werke, zur Religion und Theologie“ ein Andenken gestiftet.

unfreundlichen Mannes wenig Erfreuliches darbot und ihm vielmehr als Gefangenschaft und Unterdrückung erschien. Da dem 17jährigen Jüngling bei der Armuth seiner Eltern keine Aussicht sich zeigte, seinen Durst nach Kenntnissen durch Universitätsstudien zu befriedigen, und ihn in seiner Schüchternheit und Verschlossenheit der Gedanke plagte, zum Militairdienst ausgehoben zu werden; so nahm er mit Freuden, um nicht ein Handwerk erlernen zu müssen, den Vorschlag eines russischen Regimentschirurgus an, ihn nach Königsberg mitzunehmen, die Chirurgie zu lehren, ihm für sein krankes Auge Hülfe zu leisten und ihm behülflich zu sein, in Petersburg unentgeltlich Medicin studiren zu können. So verließ Herder im Sommer 1762, obschon er keine Neigung zur Chirurgie hatte, mit seinem Erretter Mohrungen und sah seine guten Eltern nie wieder.

In Königsberg fühlte er sich bald in einem neuen Element; aber eine Ohnmacht, welche ihn bei der ersten Section überfiel, welcher er beiwohnte, entschied auf immer seine Abneigung gegen die Chirurgie, und ob er gleich ohne alle Hülfsmittel war, ließ er sich auf den Rath seines Jugendfreundes Emmerich nach rühmlich bestandener Prüfung als Student der Theologie einschreiben, zeigte seinem Regimentschirurgus die nothgedrungene Studienveränderung an und meldete dieselbe seinen Eltern mit dem Zusah, er vertraue sich durch eignen Fleiß ohne ihre Unterstützung fortzuhelfen. Seine anfänglich bedrängte Lage änderte sich auch bald, als er seinen Lehrern, unter denen Lilienthal und Kant den ersten Rang bei ihm hatten, und dem Buchhändler Kanter, welcher ihm die Benußung seines Buchladens öffnete, bekannter wurde, und schon Ostern 1763 erhielt er eine Lehrstelle am Collegium Friedericianum, welche er unter eifrigem Studiren mit dem glänzendsten Erfolg bis zum November 1764 verwaltete, dabei allgemeiner Achtung und Liebe genoss und sich viele Freunde erwarb. Dadurch wurde auch sein schüchternes Wesen umgewandelt und er trat unbefangen, kräftig und lebendig auf, ohne daß der ihm gespendete Beifall seinen Stolz genährt hätte. Zu seinen älteren Freunden gehörte J. G. Hamann, der so bedeutend auf sein Leben eingewirkt hat und bis an sein Ende der Seinige geblieben ist.

Im Herbst 1764 erhielt Herder auf Hamann's Veranlassung einen Ruf als Collaborator an die Domschule zu Riga. Er erlebte noch die schreckliche Feuersbrunft in Königsberg vom 11. bis 17. November 1764 und ging dann, noch scheidend durch den abgeforderten Eid, zurückzukehren, wenn er als Soldat requirirt würde"; gequält, nach Riga ab. Hier wurde er als Collaborator der Domschule am 7. December 1764 eingeführt, im Februar 1765 noch theologisch geprüft, weil er auch zu

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1. Er soll Schwarzerloh geheißen haben und ein Curländer gewesen sein. 2. Er hatte seit dem fünften Lebensjahre eine Thränenfistel am rechten Auge.

predigen hatte, und bald gewann er als Lehrer und Prediger den allgemeinen Beifall. Er lebte viel in Familienkreisen, unter denen die Häuser Hartknoch, Berens, Schwarz u. a. sich auszeichnen, und fühlte sich hier in einer freien und genussreichen Lage unter dem Umgange mit edlen Freunden sehr glücklich. Im Jahr 1766 trat er in den Freimaurerorden, wohin schon seine Kenntniss des Orients und sein Erforschen der Symbole und Bilder der alten Zeit ihn leitete, ohne späterhin als Maurer sich öffentlich zu bekennen. Als er im Jahre 1767 einen Ruf nach Petersburg erhielt, wurde für ihn eine ganz neue Predigerstelle als Adjunct des Stadtministerii in Riga gestiftet, bei welcher er sein Schulamt behielt. In dieser Zeit erschienen von ihm 1767 die Fragmente zur deutschen Literatur, welche seinen Namen zuerst berühmt machten, 1768 das Denkmal auf Thomas Abbt und 1768 und 1769 schrieb er die kritischen Wälder vornehmlich gegen Kloß. Mancherlei Urtheile und unangenehme Erfahrungen über seine Schriften bewogen ihn, 1769 seine Ämter niederzulegen, um eine Reise ins Ausland zu unternehmen, und so reiste er am 24. Mai mit seinem Freund Gustav Berens aus Riga mit einem Schiffe nach Nantes ab.

Die Seereise wirkte auf Herder so wohlthätig, daß ihm der Eindruck davon für sein ganzes Leben blieb. In Nantes lebte er in der Familie des Kaufmanns Babut fast vier Monat, lernte die schönere Seite des französischen Characters in der Provinz kennen und vervollkommnete sich in der französischen Sprache. Dann ging er im November nach Paris, wo er mit mehreren der berühmten Encyclopädisten bekannt wurde, namentlich mit Diderot, gelangte hier zu einer gerechten Würdigung der französischen Nation, konnte aber ihrer conventionellen Kunst (auch ihrem Theater) nicht rechten Geschmack abgewinnen. In Paris erhielt er den Antrag, den Prinzen von Holstein Peter Friedrich Wilhelm, Sohn des Fürstbischofs zu Eutin, als Instructor und Reiseprediger drei Jahre lang auf Reisen zu begleiten, und nahm ihn an. Er ging über Brüssel und Antwerpen, scheiterte an der holländischen Küste unfern vom Haag, besuchte Leiden und Amsterdam, ging über Friesland nach Hamburg, wo er Lessing, den er längst hoch verehrte, und neben ihm Claudius, Bode, Reimarus, auch den Hauptpastor und Senior Göze kennen lernte. — In Eutin wurde Herder mit Achtung und Zutrauen empfangen und lebte angenehm in der edeln Fürstenfamilie. Am 15. Juli 1770 hielt er die Abschiedspredigt in Eutin und trat darauf mit dem sechszehnjährigen, sehr ungleich gebildeten Prinzen und dessen Oberhofmeister die Reise an. In Darmstadt verweilten die Reisenden vierzehn Tage und Herder lernte hier Merk und seine nachherige Gattinn Caroline Flachsland kennen. Hier erhielt er auch den Antrag des Grafen von Bückeburg, Abbt's Nachfolger zu werden, und da sich das Verhältniss mit dem Prinzen wegen des Oberhofmeisters wenig

befriedigend gestaltete, nahm er in Straßburg den Ruf an, verweilte dort aber wegen einer Augenoperation noch vom Oktober 1770 bis April 1771, ohne doch gründlich geheilt zu werden. Hier lernte er Goethe und Jung-Stilling kennen und schrieb seine Preisschrift über den Ursprung der Sprache. Er ging nun über Darmstadt nach Bückeburg, wo er Hauptpastor und Consistorialrath wurde, aber wenig wirken konnte, da er als Geistlicher kaum eine Gemeine fand und zur Herstellung der Schulen und des Gymnasiums Geld fehlte. Auch dem Grafen blieb er fremd, und nur erst als die edle Gräfinn sich ihm näher kund gab, fand er an ihr eine neue Lebensstüße und auch das Verhältniss zum Grafen, der ihn sehr hoch achtete, wurde erfreulicher. Aber erst seine Heirath mit Marie Caroline Flachsland aus Darmstadt, am 2. Mai 1773, beglückte ihn wahrhaft und führte eine schöne Zeit seines Lebens herbei. Wie für das Ländchen, dem er angehörte, so wirkte er auch in dieser Zeit für die Welt. Er hatte zur Freude des Grafen den Preis in Berlin gewonnen 1772. Jetzt erschien 1774 Älteste Urkunde des Menschengeschlechts erster Theil, 1776 zweiter Theil. Im Winter 1773. 74 schrieb er die Provinzialblätter an Prediger, welche Spalding verwundeten, obschon Herder nicht gegen dessen Person schreiben wollte. 1774 schrieb er auch die Philosophie der Geschichte der Menschheit und arbeitete an den Volksliedern. 1775 wurde er Superintendent des Landes, schrieb die Erläuterungen zum neuen Testament und die Briefe zweier Brüder Jesu und erhielt einen zweiten Preis von der Berliner Akademie für die Schrift „über die Ursachen des gesunkenen Geschmackes bei den Völkern, da er geblühet". In diesem Jahre erhielt auch Herder die Aufforderung, als Professor und Universitätsprediger nach Göttingen zu gehen. Diese Stellung sprach ihn sehr an, aber seine Gegner hatten veranlasst, daß er erst, um Doctor der Theologie zu werden, ein Colloquium halten sollte, um seine Orthodoxie hierbei zu prüfen. Da dies Herder unter seiner Würde hielt, kam es zu mancherlei Verhandlungen, während welcher er, als er sich schon zu dem sauern Schritt entschließen wollte, durch Goethe veranlasst, am 1. Febr. 1776 einen ehrenvollen Ruf nach Weimar als Generalsuperintendent und Consistorialrath erhielt. Er nahm den Ruf an, erhielt die Bestätigung drei Tage vor dem Tode seiner verehrten Gönnerinn, der Gräfinn Maria von Schaumburg, welche am 16. Juni 1776 starb, hielt ihr noch die Leichenrede und wenige Tage nachher seine Abschiedspredigt

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1. Daß Herder, wie Jördens sagt, wirklich nach Göttingen abgegangen wäre und der Tag zum prüfenden Gespräche schon angeseht gewesen sei, er aber am Mittag desselben über Tische den Ruf nach Weimar erhalten hätte, stimmt nicht mit Herder's Leben von seiner Gattinn Th. I. S. 322.

in Bückeburg. Am 2. Oktober 1776 kam Herder in Weimar an und hielt am 20 sten seine Antrittspredigt. So freundlich er bei Hofe und überall empfangen wurde, hatte er doch besonders im Consisterio, das sich allen neuen Einrichtungen widerseßte, viel zu kämpfen; doch mehrte sich bald die Zahl seiner Freunde, zu denen, außer Goethe, Wieland, Graf Görz, Fräulein v. Volgstedt, Bergrath v. Einsiedel, v. Knebel, die Herzoginn Mutter und das junge herzogliche Paar zu zählen sind. Er litt in den ersten Jahren seines neuen Wirkens viel an Krankheit und musste im Frühling 1777 Pyrmont gebrauchen, wo er Sturz und den Prinzen Auguft von Gotha näher kennen lernte. Sein Amt war fünf Jahre lang unbeseßt gewesen und so hatte er viel zu thun, sich erst mit dem ganzen Wirkungskreise desselben bekannt zu machen und darin fest zu sehen. Daneben wendete er sich auch wieder den eigenen Geistesarbeiten zu, die mit seinem häuslichen Kreise sein stilles Glück ausmachten. Im Jahre 1778 erschienen von ihm: Volkslieder, erster Theil; Lieder der Liebe; vom Erkennen und Empfinden; die Plastik, und von der Münchner Akademie erhielt er den Preis für die Schrift: „von der Würkung der Dichtkunst auf die Völker"; im Jahre 1779: Volkslieder, zweiter Theil; das Buch von der Zukunft des Herrn; in den folgenden Jahren: Briefe über das Studium der Theologie, 4 Th. in 2 Bänden; 1782 und 1783 die beiden Theile vom Geist der ebräischen Poesie, 1784 Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit Th. 1. 1785-87 drei Sammlungen der zerstreuten Blätter und 1788 Gespräche über Gott, welche ihm Jakobi entfremdeten. In dieser Zeit hatte er auch die Bekanntschaft von J. G. Müller und Johannes Müller gemacht und auf einer Reise nach Wandsbeck 1783 Claudius und Klopstock persönlich kennen gelernt. Im Jahre 1788 erhielt er von unbekannter Hand ein Geschenk von 2000 Gulden zugesendet und wenige Tage nachher eine Gehaltszulage von 300 Rthlr. und vom Freiherrn Friedrich v. Dalberg eine Einladung zu einer Reise nach Italien. Mit Freuden folgte er der leßtern und reiste am 6. August 1788 von Weimar ab. In Italien fand er auch die Herzoginn-Mutter Amalia, war dort in ihre Gesellschaft aufgenommen und fühlte sich vornehmlich bei dem Aufenthalte in Neapel sehr glücklich. Über Florenz, Bologna, Venedig und Mailand kehrte Herder am 9. Juli 1789 zu den Seinigen zurück. Unterdessen war ihm ein ehrenvoller Ruf nach Göttingen gekommen, welchen anzunehmen er sich vielfach versucht fühlte; doch hielt ihn Dankbarkeit gegen das herzogliche Haus und manche freundschaftliche Verbindung in Weimar zurück. Er war hier Oberhofprediger, Generalsuperintendent, Oberpfarrer an der Stadtkirche, Oberconsistorialrath und Ephorus der Schulen; seit 1789 Vicepräsident und seit 1801 wirklicher Präsident des Oberconsistoriums, und war mit mannigfachen Arbeiten vornehmlich in den Schulangelegen

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