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Menschen sich ihm vertrauensvoll hingaben und diese Idee als die süßeste Verknüpfung nach oben in sich aufnahmen.

Gespr. mit Eckermann, den 28. Febr. 1831.

757.

Die göttliche und menschliche Natur des Erlösers ist in keinem anderen Falle so identisch darzustellen, ja der ganze Sinn der christlichen Religion nicht besser mit Wenigem auszudrücken (als durch eine Darstellung Christi, der leicht über das Meer wandelnd dem sinkenden Petrus zur Hilfe kommt).

Zu malende Gegenstände (Verschiedenes über Malerei) 1832. H. 28, 540.

758.

Daß ich das Kreuz als Mensch und als Dichter zu ehren und zu schmücken verstand, habe ich in meinen Stanzen bewiesen, aber daß ein Philosoph (Hegel) durch einen Umweg über die Ur- und Ungründe des Wesens und Nicht-Wesens seine Schüler zu dieser Kontignation hinführt, will mir nicht behagen. Das kann man wohlfeiler haben und besser aussprechen.

759.

An Zelter, den 27. Jan. 1832.

Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, ihm (Christus) anbetende Ehrfurcht zu erweisen, so sage ich: durchaus! Ich beuge mich vor ihm als der göttlichen Offenbarung des höchsten Princips der Sittlichkeit. Fragt man mich, ob es in meiner Natur sei, die Sonne zu verehren, so sage ich abermals: durchaus! Denn sie ist gleichfalls eine Offenbarung des Höchsten und zwar die mächtigste, die uns Erdenkindern wahrzunehmen vergönnt ist; ich anbete in ihr das Licht und die zeugende Kraft Gottes, wodurch allein wir leben, weben und sind und alle Pflanzen und Thiere mit uns.

Gespr. mit Eckermann, den 11. März 1832.

Das Urchristenthum. Die unsichtbare Kirche.

Euch ist der Meister nah
Euch ist er da.

Faust I.

760.

Sucht ihr nach diesem Bache (der Sprache des Geistes nach Apostelgesch. 2. 1), ihr werdet ihn nicht finden. Er ist in Sümpfe verlaufen, die von allen wohlgekleideten Personen vermieden werden. Hier und da wässert er eine Wiese insgeheim; dafür danke einer Gott in der Stille. Denn unsere theologischen Kameralisten haben das Prinzip, man müßte derartige Flecke alle eindeichen, Landstraßen durchführen und Spaziergänge darauf anlegen. Mögen sie denn; ihnen ist die Macht gegeben. Für uns Haushälter im Verborgenen bleibt doch der wahre Trost: Dämmt ihr, drängt ihr! Ihr drängt nur die Kraft des Wassers zusammen, daß es von euch weg auf uns desto lebendiger fließe. Wirft aber der ewige Geist einen Blick seiner Weisheit, einen Funken seiner Liebe einem Erwählten zu, der trete auf und lalle sein Gefühl. Er trete auf und wir wollen ihn hören. Gesegnet seist du, woher du auch kommst, der du die Heiden erleuchtest, der du die Völker erwärmst!

Zwo wichtige bibl. Fragen (Febr. 1773). H. 27. 2, 106.

761.

Wo, rief der Heiland, ist das Licht,

Das hell von meinem Wort entbronnen?
Weh, und ich seh' den Faden nicht,

Den ich so rein vom Himmel 'rab gesponnen.
Wo haben sich die Zeugen hingewandt,
Die treu aus meinem Blut entsprungen?
Und, ach, wohin der Geist, den ich gesandt?
Sein Wehn, ich fühl's, ist all verklungen.

Der ewige Jude, Fragment (1774). H. 3, 186.

762.

Jede positive Religion hat ihren größten Reiz, wenn sie im Werden begriffen ist; deswegen ist es so angenehm, sich in die Zeiten der Apostel zu denken, wo sich alles noch frisch und unmittelbar geistig darstellt. Und die Brüdergemeinde hatte hierin etwas Magisches, daß sie jenen Zustand fortzusehen, ja zu verewigen schien. Dichtg. und Wahrh. XV (1774). H. 22, 176.

763.

Es mußte ernste Betrachtungen erregen, daß ein einzelner Funke von Sittlichkeit und Gottesfurcht hier (in Maria-Einsiedln) ein immer brennendes, leuchtendes Flämmchen angezündet, zu welchem gläubige Schaaren mit großer Beschwerlichkeit heranpilgern sollten, um an dieser heiligen Flamme auch ihr Kerzlein anzuzünden. Wie dem auch sei, so deutet es auf ein grenzenloses Bedürfniß der Menschheit nach gleichem Licht, gleicher Wärme, wie es jener Erste im tiefen Gefühl und sicherster Ueberzeugung gehegt und genossen.

Dichtg. u. Wahrh. XVIII (1775). H. 23, 68.

764.

Das Zeichen sieht er (Markus) prächtig aufgerichtet,
Das aller Welt zu Trost und Hoffnung steht,
Zu dem viel tausend Geister sich verpflichtet,
Zu dem viel tausend Herzen warm gefleht,
Das die Gewalt des bittern Tods vernichtet,
Das in so mancher Siegesfahne weht;
Ein Labequell durchdringt die matten Glieder,
Er sieht das Kreuz und schlägt die Augen nieder.
Geheimnisse, 1784-85. H. 1, 126.

765.

Dem Mittelpunkt des Katholicismus mich nähernd trat mir so lebhaft vor die Seele, daß vom ursprünglichen Christenthum alle Spur verloschen ist, ja, wenn ich mir seine Reinheit vergegenwärtigte, so wie wir es in der Apostelgeschichte sehen, so mußte mir schaudern, was nun auf jenen gemüthlichen Anfängen ein unförmliches, ja barockes Heidenthum lastet. Da fiel mir der ewige Jude wieder ein, der Zeuge aller dieser wundersamen Ent- und Aufwickelungen gewesen und so einen wunderlichen Zustand erlebte, daß Christus selbst, als er zurück

kommt, um sich nach den Früchten seiner Lehre umzusehen, in Gefahr geräth, zum zweiten Male gekreuzigt zu werden.

766.

Ital. Reise. d. 27. Oft. 1786.

Doch konnte man sich nicht verbergen, daß die reinste christliche Religion mit der wahren bildenden Kunst immer sich zwiespältig befinde, weil jene sich von der Sinnlichkeit zu entfernen strebt, diese aber das sinnliche Element als ihren eigentlichen Wirkungskreis anerkennt und darin beharren muß.

Camp. in Frankreich (1792). H. 25, 156.

767.

Da die Freundin des VI. Buches (der Lehrjahre) aus der Erscheinung des Oheims sich nur so viel zueignet, als in ihren Kram taugt, und ich die christliche Religion in ihrem reinsten Sinne erst im VIII. Buche in einer folgenden Generation erscheinen lasse, auch ganz mit dem, was Sie darüber schreiben, einverstanden bin, so werden Sie wohl am Ende nichts Wesent liches vermissen.

768.

An Schiller, den 18. August 1795.

Ich hatte die Freude, in einigen Hauptpunkten gegen die herrschende Meinung mit ihm (Oberhofprediger Reinhard) vollkommen übereinzustimmen, woraus er einsehen mochte, daß mein scheinbarer liberalistischer Indifferentismus, im tiefsten Ernste mit ihm praktisch zusammentreffend, doch nur eine Maske sein dürfte, hinter der ich mich sonst gegen Pedanterie und Dünkel zu schüßen suchte.

769.

Annalen von 1807. H. 27, 170.

Christen giebt es unter den Heiden, die Stoiker; Heiden unter den Christen die Lebemenschen.

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770.

Aphorismus vom 1. August 1807.

Das Christenthum ist so tief in der menschlichen Natur und ihrer Bedürftigkeit begründet, daß auch in dieser Beziehung mit Recht zu sagen ist: „des Herrn Wort bleibt ewiglich." Zu einem Mitreisenden, 1812 (Fundstelle?)

771.

Dagegen gebührt der christlichen (Religion) das höchste Lob, deren reiner, edler Ursprung sich immerfort dadurch be= thätigt, daß nach den größten Verirrungen, in welche sie der

dunkle Mensch hineinzog, ehe man sich's versieht, sie sich in ihrer ersten lieblichen Eigenthümlichkeit als Mission, als Hausgenossen- und Brüderschaft zur Erquickung des sittlichen Menschenbedürfnisses immer wieder hervorthut.

772.

Noten zum Divan 1815. H. 4, 253.

Warum soll ich hier nicht gestehen, daß mir bei jener großen Forderung, man solle seine Feinde lieben', das Wort lieben gemißbraucht oder wenigstens in sehr uneigentlichem Sinne gebraucht schien?

Kozebue (Biogr. Einzelheiten), 1815? H. 27, 333.

773.

Die ganze Frage (von Kästner in seinem Buche 'Agape') geht darauf hinaus: hat sich das Christenthum bloß durch sittliche Wirkung auf die Menge und durch die Menge, zufällig wogend, hervorgethan und zur Einheit gestaltet oder ist es von einer Einheit, einem entschiedenen Bunde vorsäglich, künstlich ausgegangen? Er behauptet Lehteres und, wenn er es nicht streng beweist, so giebt er uns doch Verdacht genug, es möge wohl so sein.

An Graf Reinhard, den 24. Dec. 1819.

774.

Was gehört dazu, die Erde nicht allein unter sich liegen zu lassen und sich auf einen höheren Geburtsort zu berufen, sondern auch Niedrigkeit und Armuth, Spott und Verachtung, Schmach und Elend, Leiden und Tod als göttlich anzuerkennen, ja Sünde selbst und Verbrechen nicht als Hindernisse, sondern als Fördernisse des Heiligen zu verehren und lieb zu gewinnen! Hiervon finden sich freilich Spuren durch alle Zeiten. Aber Spur ist nicht Ziel und, da dieses einmal erreicht ist, so kann die Menschheit nicht wieder zurück, und man darf sagen, daß die christliche Religion, da sie einmal erschienen ist, nicht wieder verschwinden kann, da sie sich einmal göttlich verkörpert hat, nicht wieder aufgelöst werden mag.

Wanderjahre II. 1 (1821). H. 18, 166.

775.

Dann kritisirte Goethe die Lettres Romaines (Tablettes Romaines etc., Paris 1824), deren Verfasser in Rom nie gewesen sei; sie seien eine Parteischrift, die alles Ideale ins Ge

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