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alle gleichsam um eine Stufe hinter dem eigentlich Nationalen zurückbleiben.

Selbst die verhältnissmässig geringe Zahl „nationaler", oder also richtiger nationeller classischer Dramen*) (in der ersten Gruppe 5, in der zweiten 4, in der dritten 2, zusammen 11), ist ein Beweis dafür, dass die Zeit für das nationale Drama noch nicht gekommen war; dass nicht einmal der Drang nach nationaler Einheit die ganze Masse des deutschen Volkes durchdrungen hatte. Die nationalen Dichtungen fanden noch nicht ein von vornherein für den Stoff sich interessirendes Gesammtpublicum: daher konnten die Dichter nicht allzuhäufig nach jenen Stoffen greifen, die theils, wie die der dritten Gruppe, wegen ihrer zum Abstracten neigenden Natur, theils, wie die der ersten, wegen der geschichtlichen Sprödigkeit, an sich schon einen ganz besonderen Aufwand reflectirender, entwerfender und gestaltender Dichterkraft erfordern, der nur durch eine begeistert entgegenkommende Stimmung der Gesammtnation aufgewogen werden kann.

Wir haben also ein eigentliches Nationaldrama noch nicht gehabt. Jetzt sind wir, unserer Literatur nach, viel weiter davon entfernt, als vor 75 Jahren.

Die Posse, der bei allem Localwitz ein nationaler Zug nicht fehlt, hat bis jetzt noch nicht dramatische Gestalt gewinnen können, weil sie sich keine Handlung zu schaffen weiss.

Ausser ihr florirt, von Richard Wagner ausgebildet, eine nicht nur wie schon bisher der Musik, sondern auch dem Text nach nationale Oper (Musikdrama).

Im Uebrigen haben die französischen Sitten-, oder vielmehr Unsittenstücke, noch nicht aufgehört, das moderne deutsche Repertoire zu beherrschen, soweit nicht auf ältere Dichtungen zurückgegriffen wird. - Nur hier und da, freilich in einer steigenden Zahl, mit immer steigender Zugkraft, taucht ein Drama aus deutscher Geschichte, Sage, deutschem Volksleben auf. Das sind soweit die Werke aus wirklich dichterischem Drange hervorgegangen sind, nicht den Stempel der Mache, der Unkraft unverkennbar in sich tragen-Saatkörner des zukünftigen deutschen National - Drama's. Namentlich scheinen gewisse aufstrebende junge Talente in diese Bahn eintreten zu wollen; möge ihnen Ermunterung und gerechte Würdigung zu Theil werden!

Noch ist das junge deutsche Reich zu sehr in seiner inneren Organisation begriffen, noch ist seine politische Stellung nach Aussen hin in manchen wesentlichen Fragen nicht entschieden oder nicht erkennbar. Noch gährt es im Schosse des deutschen Volkskörpers zu trüb und unklar von unausgetragenen Gegensätzen aller Art; in politisch-kirchlicher, in rein politischer, in socialer und geselliger, in speculativer, in ästhetischer Beziehung.

In künstlerischer Hinsicht stehen wir noch zu sehr unter dem Bann unserer grossen „classischen" Literatur, die noch nicht genug in Blut und Nerven der Nation eingedrungen, noch nicht hinreichend „verdauet" ist, um originalen Schöpfungen Raum zu geben. Sinn und Kraft unseres Volks sind seit Langein von der Kunst hinweg auf das Gebiet nüchterner That in Privatleben, Politik und Wissenschaft hingerichtet gewesen; erst jetzt scheint sich die Sehnsucht nach der Kunst, der Einigerin aller menschlichen Beziehungen, allmälig wieder einzufinden.

*) Vergegenwärtigen wir uns dagegen, dass in der kurzen Blüthezeit des englischen Drama Shakespeare allein 13 Stücke von nationalem Gepräge geschrieben hat. Dahin gehören nicht weniger als 11 in die Zahl der eigentlichen Nationaldramen (1. Gruppe); 8 sind der Nationalgeschichte, 3 (Cymbeline, Lear, Macbeth) dem nationalen Sagenkreis entnommen. Die 3. Gruppe ist durch Hamlet, die 2. durch ein Lustspiel (die Lustigen Weiber von Windsor) vertreten aber auch Heinrich IV. namentlich im zweiten Theil, neigt sehr nach dieser zweiten Gruppe hin.

So sehen wir bis jetzt nur zerstreute Keime zu einem künftigen deutschen Nationaldrama. Ob sie Wurzeln schlagen werden, was sich aus ihnen gestalten wann die Zeit gekommen sein wird, da aus hinreichend durchpflügtem Boden frische Saat alliberall mächtig und üppig emporwächst,

wer will es bestimmen? Dass aber dann die Poesie nicht vereinzelt, sondern innigst vereint mit der Musik, in schwesterlichem Bunde mit den bildenden Künsten ihre wahrhaft nationale Auferstehung im deutschen Lande feiern werde, das mag man ahnungsvoll schliessen aus dem Gesammtstreben und Weben unseres Volks und unserer Zeit.

Bibliographischer Anzeiger.

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