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Maule. Die Zeit der Erbauung dieses Kreuzganges lässt sich nur aus dem Baustyl erkennen, nach welchem er ehestens in die spätere Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts zu setzen ist.

Ein Theil der Chorstühle ist alt. In der Wahl sowie in der Behandlung der Gegenstände zeigt sich eine gewisse Aehnlichkeit mit denen zu Gloucester. Hier finden wir den Fuchs, der mit einer Gans wegläuft, grade wie in Gloucester. Ausserdem aber finden wir hier einige Reinekebilder, die einem viel zu denken geben.

Auf einem der Misereres sieht man in der Mitte drei Männer in den Bock (the stocks) gespannt sitzen. Zur Rechten steht ein Fuchs aufrecht und in der Mönchskutte, vor ihm steht ein Tisch oder Altar, auf welchem das Haupt eines Thieres liegt, und auf welches der Fuchs die Hand legt. Zur Linken reitet ein Kaninchen auf einem Hunde. Das Thierhaupt, worauf der Fuchs die Hand legt, ist sehr undeutlich. Ich hielt es erst für ein Wolfshaupt und deutete das Bild auf Bertiliana's Wallfahrt. Es könnte aber eben so gut für einen Schweinskopf angesehen werden. Im Uebrigen erinnere ich daran, dass der Bock (stocks) die gewöhnliche Strafe für Bettler und Vagabonden war. Noch bedeutender erscheint das Bild, wenn wir das nächste Thierbild ihm zur Seite stellen. In der Mitte sehen wir St. Johannes, das Evangelium in der Hand, den Adler zu Füssen. Zu seiner Rechten ist ein Fuchsbau, aus dem man Füchse hinaus und hineinlaufen sieht. Dies möchte ich etwa so erklären: Dieser Mönch, der bettelnd und predigend herumzieht, sollte, wie die drei armen Sünder hier, dieselbe Strafe erdulden; aber seine Kutte schützt ihn. Siehe genau

zu, wen die Kutte verbirgt. Es ist nur ein Fuchs, ein Teufel. Durch seine Schliche (d. h. die Löcher, die er in die Erde bohrt) verdirbt er den Menschen (die Erde selbst). Höre darum lieber auf den Lehrer der Wahrheit, den Evangelisten. Dass diese Deutung aber die richtige ist, scheint mir daraus hervorzugehen, dass fast allenthalben, wo der Gänseprediger und Dieb dargestellt ist, dicht dabei der gute Hirte steht. So in Canterbury, Beverley, Rouen und Ely. An letzterem Orte stehen dicht dabei auch die vier Evangelisten. Es ist der Fuchs also der Irrlehrer, der Teufel, der sich als Reformator

ausgebende Bettelmönch. Sämmtliche Bettelorden traten als Reformatoren auf und als solche war natürlich ihre Hauptbeschäftigung das Predigen. Von Savonarola bis auf Luther sind sämmtliche Reformatoren aus den Bettelorden hervorgegangen. Was Wunder, dass die conservativen Chorherren sie als Irrlehrer, als verkappte Teufel oder Füchse darstellten und das Volk vor ihnen warnten. Es ist hier also nicht an Satire der Mönche zu denken, sondern an Belehrung und Warnung der gläubigen Christen. Wer mit dieser Meinung diese Sculpturen betrachtet, wird sich nicht mehr darüber wundern, dass sie in Kirchen angebracht sind, sondern sie vielmehr ganz an der rechten Stelle finden. Und was Anderes soll es denn bedeuten, wenn man den verrätherischen und falschen Reineke mit dem guten Hirten und den heiligen Evangelisten zusammengestellt findet. Sieht man dann in derselben Reihe den Pelican, der sich die Brust für seine Jungen öffnet, St. Georg, der den Drachen bezwingt und ähnliche Symbole, so kann wohl kein Zweifel daran sein, dass hier Belehrung durch Fabeln und Symbole gemeint sei und keineswegs Satire. Was mich aber besonders in dieser Meinung bestärkt, ist, dass selbst wirkliche Grotesken, nicht nur Thierbilder, sich auf diese Weise deuten lassen. Wenn z. B. auf den Lehnen der Chorstühle der alten Collegiat-Kirche zu Xanten am Rhein ein Monstrum wiederholt dargestellt ist, das den Leib und die Füsse eines Schweines, den Schwanz eines Fuchses, den Kopf eines Menschen hat und dabei eine Kapuze trägt, so liegt die Bedeutung klar am Tage. Wem fällt nicht dabei das geflügelte Wort Papst Innocenz' III. ein, der dem St. Franciscus von Assisi die Bestätigung seiner Ordensregel verweigerte mit den Worten, sie passe sich besser für Schweine als für Menschen. Das Antoniter Schwein (Tony pig, Anthony pig) ist bis zum heutigen Tage sprichwörtlich in England. Wer hier von Satire gesprochen, hat sich nicht klar gemacht, was er eigentlich damit sagt. Es heisst einfach behaupten, dass mehr als zwei Jahrhunderte hindurch es nicht einen einzigen Bischof, Abt oder Chorherrn gab, der an die Wahrheit der christlichen Religion glaubte, und dass Jahrhunderte lang sie an geweihter Stätte öffentlich ihr Amt und den Glauben verhöhnten! Aerger noch. Die da vom Laicismus in

der Kunst reden, müssen zugeben, dass Jahrhunderte hindurch die Laien von dieser Ruchlosigkeit sämmtlicher Würdenträger wussten und sie in den Gotteshäusern selbst deshalb verspotteten, und dass eine Generation von Würdenträgern nach der anderen sich dies gefallen liess! Davor sollte man doch zurückschrecken. Wahrlich, eine Reformation wäre nicht möglich gewesen. Die ganze christliche Religion mit Allem, was darum und daran hängt, wäre längst vor Luther zu Grunde gegangen. Mit Stumpf und Stiel wäre sie ausgerottet worden. Im Gegentheil opferten Tausende von Priestern und Laien Gut und Blut für ihren Glauben.

Es bleiben noch so viele Darstellungen von Fabelbildern zu besprechen, dass ich hier für's erste abbreche. Ich mache nur auf die mir erst jetzt bekannt gewordenen „,Kunstdenkmäler des christlichen Mittelalters aus den Rheinlanden von Ernst aus'm Weerth" aufmerksam. Ich werde sie im nächsten Artikel besprechen. Ebenso zwei mir zugegangene werthvolle Mittheilungen. Herrn Director Dr. Krause zu Rostock verdanke ich eine Mittheilung über die Strassburger Grotesken. Zu grossem Danke bin ich Herrn C. H. Alting zu Manslagt bei Emden verpflichtet, der mir Copien der Thierbilder an der jetzt abgebrochenen Kirche zu Marienhafen zugesandt hat. Sie sollen in meiner nächsten Mittheilung verwerthet werden.

Queen's College, Belfast.

A. L. Meissner.

Der Torpedo.

Beitrag zur Geschichte der Fremdwörter.

Wie leicht sind wir Deutschen nicht bei der Hand, mit einer fremden Sache auch die fremde Benennung derselben ohne Weiteres einzuführen! Oft ohne auch nur einen Versuch gemacht zu haben, den fremden Namen zu verdeutschen oder ihm ein echt heimisches Wort entgegenzustellen und anzupassen.

Wir sind in solchen Fällen von einer so seltsamen Sprödigkeit (zu der sich wohl auch ein Bischen Trägheit und Gleichgültigkeit gesellt), dass wir es vorziehen, die Hände in den Schoss zu legen und mit offenen Augen zuzusehen, wie unsere, wahrlich nicht arme, Sprache von einer Flut von Fremdwörtern überschwemmt wird, und zwar auch von solchen, die den Gegenstand, um welchen es sich handelt, keinesweges immer in angemessener, nach allen Richtungen hin zutreffender Weise bezeichnen.

Einen solchen Leichtsinn ich weiss dies Verfahren nicht anders zu benennen finden wir bei den übrigen Völkern durchaus nicht in gleichem Maasse, ja schwerlich bei einem einzigen so stark ausgeprägt wieder vor. Ohne heute des Näheren darauf einzugehen, will ich nur an einem Worte darthun, mit welch musterhafter Sorgfalt beispielsweise die Hellenen (die heutigen Griechen*) bei der Begegnung von Fremdwörtern,

*) Unangemessen „Neugriechen" benannt, denn wer spricht von Neuägyptern, Neurömern, Neudeutschen u. dergl.

beziehungsweise bei deren Hellenisirung (ἐξελλήνισις, μεταγλώττισις nicht μετάφρασις) zu Werke gehen.

Es betrifft das Wort Torpedo, das bei der Einführung dieser fremdländischen Erfindung ohne weiteres Besinnen unserer Sprache einverleibt wurde, beim Volke aber so völlig unverstanden ist und bleibt, dass es jüngst vorkommen konnte, dass ein an einen Bediensteten des Torpedo-Bootes,,Elbe" gerichteter Brief die Aufschrift trug: „An N. N. auf dem Trompederboote Nr. 11“*), eine lautliche Anpassung der Benennung dieses Spreng-Ungeheuers, die mindestens ebenso naturgemäss ist, wie die Richtigstellung der Adresse durch den betreffenden Postbeamten genial war.

Wer soll denn auch immer gleich wissen, und wird es dem Volke denn wirklich gelehrt, dass das lat. Torpedo den mit einem elektrischen Organe versehenen Zitterrochen bezeichnet, der auf die geringste Berührung mit einem elektrischen Schlage antwortet, und dass es dem Erfinder dieser unterseeischen Höllenmaschine gefallen hat, seine Vorrichtung gerade nach diesem wenig bekannten, aber wohlklingend benannten Fische zu taufen.

Die griechischen Zeitungen, vor Allem die „Wiedergeburt" (Hahıyyevɛoía), brachten zuerst für Torpedo und dessen gallisirte Form Torpille das völlig zutreffende, aber ganz allgemein gehaltene und umschreibende xoηxtixǹ μnzavý, Eruptions-Apparat, das so lange gegenhielt, bis es sich darum handelte, dies Zerstörungswerkzeug selbst einzuführen und ein passendes Wort dafür festzustellen.

Denn zur Aufnahme eines Fremdwortes entschliessen sich die Hellenen nicht so leicht, wenn überhaupt. Sie haben im Gegentheil ihre Sprache in wahrhaft bewundernswerther Weise von allen fremden An- und Einwüchsen gesäubert und sie den Formen und Ausdrucksweisen der besten antiken Vorbilder so weit entgegengeführt, als mit dem klarsten Verständniss überhaupt vereinbar ist. Man lese nur jedwede Nummer der geradezu klassisch redigirten Kλew, um von der Wahrheit dieser Behauptung überzeugt zu sein.

*) Peder für Peter u. s. w. ist in Mittel- und Süddeutschland etwas ganz Gewöhnliches.

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