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Wir überspringen, wenn auch mit schwerem Herzen, wieder einige Abschnitte und fahren mit des Dichters Worten fort:

Höchst ausserordentlich gedeiblich
Gehts hier zu Land dem Judenthum;
Es macht Cultursprüng unverzeiblich,
Erwirbt sich Bildung, Geld und Ruhm.

Wie prachtvoll die gleich englisch rede!
Das Deutsche kommt en schnell abhand,
Als ob die Leut sich schäme thäte,
Vielleicht auch, weil sie's nie gekannt.

Zum Beispiel nehmt en Mann aus Pole.
Der bringt nur, ausser seinem Stock,
De Wille mit sein Glück zu hole,
Sein' Locke und sein Kaftanrock.

Er lauft sofort durch alle Strasse,
E gut Geschäftche hat er schon,
Verbrochne Fenster neu zu glase
Ist seine ganze Ambition.

E halb Jahr druf is er schon weiter,
Das erst Bankrottche is gemacht!
Er handelt schon mit alte Kleider,
Er schläft net, lauert nur, bei Nacht.

Sein' Kinner sin gewiegte Mensche,
Die wälze sich im Gold herum;
Sie fahrn spaziern in Glaçehänsche
Und sitze in Proscenium.

Ich wäble ferner aus einem kurzen Abschnitt über die Aerzte:

E gut Geschäftche is hier Dokter,

Um reich zu werde jedenfalls;

Heut kommt er, und schon morge hockt er,
Fest in der Butter, bis an Hals.

Spricht er kein Englisch's kein Schade,
Kriegt doch meist Deutsche zu kurirn;
Der Yankee will Homöopathe

Und lässt sich langsam massakrirn.

Bei euch verspricht mer eim sechs Batze,
Nach Jahr und Tag, vor e Visit;
Hier kriegt er Doller, und er hat se
Erst in der Tasch', sonst thut er's nit.

Ein Zehner for in's Obr zu gucke,
For zwei Ohr'n zwanzig, und so fort;
Kriegt einer gar Arznei zu schlucke,
Dann kost's en Nibelungehort.

Sag's nur herum, es sollte komme
Was medizinisch is gebild't;

Manch Haus noch, hab ich wahrgenomme,
Hat in Neujork kein Dokterschild.

In diesem prächtigen mit der schärfsten Beobachtungsgabe gepaarten Humor geht das „Büchelche“ weiter. Die Schnelligkeit, mit welcher Städte entstehen und wohnlich gemacht werden, schildert folgende Strophe:

Da gibt's gleich Gas und Wasserleitung

Und Kirche, Bäder und Hotels;

E bettuchgrosse Morgezeitung,
Dampfspritze, Eis und Putzmamsells.

Der in Newyork unerträglich heisse Sommer treibt Jeden hinaus, dem es die Umstände nur erlauben:

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Welches unendliche Gefühl birgt der eine, kurze Vers! Tausende deutscher Landsleute haben gewiss empfunden, was der Dichter in so schlichten Worten ausdrückt, und wer es liest, muss es nachfühlen. Gerade bei dieser Stelle fühlen wir uns (merkwürdig genug!) versucht, unseren Dichter mit dem sein deutsches Gemüth meist absichtlich verleugnenden und niederspottenden Heine zu vergleichen, denn bei ihm gerade sind wir die Meisterschaft gewohnt, mit den einfachsten Worten die stärksten Wirkungen hervorzubringen. Wenn wir aber Humor und Gefühlstiefe zusammen betrachten und dabei des uns so lieblich anmuthenden Dialektes nicht vergessen, so sind wir wohl am meisten geneigt, den Verfasser des Skizzebüchelche neben Fritz Reuter zu stellen, dem grössten Vorbild für die Vereinigung dieser Eigenschaften in unserer deutschen Literatur.

Nahe am Ende des ersten Bandes giebt uns der Verf. eine Charakteristik der hauptsächlichsten amerikanischen Städte, wie sie in der Kürze treffender nicht gedacht werden kann. Wir geben auch hieraus einige Proben:

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Der „Ohm in Hesse" und der aufmerksame Leser hat bis jetzt denken müssen, dass der Schreiber ihm aus purer Menschenfreundlichkeit, zu seinem (des Lesers) Nutz und Frommen, das Land hat schildern wollen. Aber siehe da, der schlaue Verf. ist, wie jeder Sterbliche, ein Egoist, denn der eigentliche Zweck des Schreibens geht aus dem Schlusse hervor:

Nur eins hier noch, Du wirst Dich freue!
Vorgestern hab ich mich verlobt;
Se hat zwar nix, doch ihre Treue
Hab ich seit dere Zeit erprobt.

E Schönheit über die Beschreibung,
So jung und gut, grad sechszehň Jahr;
Se hat auch, ohne Uebertreibung,
In ganz Neuyork das schönste Haar.

Se is, vom Wirbel bis zum Zehche,
Das Feinste was mer sehe kann,
Gewachse is se wie e Rehche,
Und heisst Miss Molli Flanigan.

Se ging zur Schul; im Zuckerlade
Hab ich die Frag' an se gestellt;
Jetzt wolle mer uns heierathe,

Drum schick mir möglichst bald mein Geld.

Hiermit hat der Dichter angefangen uns für seine eigene Persönlichkeit zu interessiren; was dieser alles begegnet, erfahren wir aus dem kurz vorher in Aussicht gestellten zweiten Bande. Wir schauen diesem mit umsomehr Spannung entgegen, als durch die Verlobung mit einer jener Schönen, deren Vorzüge der Dichter selbst in so zweifelhaftem Lichte geschildert hat, zugleich eine tragische Schuld gegeben ist. Wir müssten uns auf das Schlimmste für den armen Helden gefasst machen, wenn die Schlussfolgerungen, welche der allzufrische Humor in uns erweckt, nicht noch hoffnungsfreudiger wären. Wer Kopf und Herz so auf der rechten Stelle hat und dem, was er fühlt, so beredten Ausdruck zu verleihen versteht, dem kann es auf die Dauer nicht schlecht gehen.

Und doch, hart genug ist es dem armen Hessen zuerst ergangen.

Dem hawe se die Späss verdriwe,
Du liewer Gott, dem junge Blut!
Er is gesund un hat geschriwe;
Passt uf was er verzähle duht:

Auf der Ueberfahrt schliesst er Freundschaft mit zwei Newyorker Kaufmannssöhnen, und

in der Rauchstub, so beim Weiñ, Ward hoch und feierlich beschlosse: Mir drei, mir wollte Partners sein.

Das geschieht denn auch ohne Säumen,

Mer wollte nach und nach errichte
Mit Cuba en Produktverkehr;

Hiñ: Butter, Käs und so Geschichte,
Her: Südfrücht und dergleiche mehr.

Da wirft ihnen ein gütiges Geschick einen Chemiker in den Weg,

Der konnt e künstlich Butter mache

Aus ganz gemeinem Ochsefett,

und seine Gründe wirken schliesslich so überzeugend, dass er

als Partner ward genomme

Und kriegt' vorab e runde Summ.

Der Absatz bleibt aber aus; unser Landsmann wird dazu bestimmt, die Waare nach Cuba zu schaffen, aber es tritt unterwegs bei fürchterlicher Sonnenhitze Windstille ein, und

die Butter troppt' aus tausend Ritze,

bis man endlich alle Fässer über Bord werfen muss, denn

die Wasserpumpe gabe Schmalz.

Das Geschäft löste sich auf mit schlecht verhülltem Bankerott. Da kommt zum Unglück das Wechselchen aus Deutschland an, welches am Ende des ersten Büchelchens gefordert war; leichtsinniges Gerede lässt unseren Helden für reich halten und

Es hiess, nun könnt ich wohl prästire

En niedliche Verlobungsschmaus.

Ein Freund erbietet sich, die Sache billig und elegant ins Werk zu setzen und erhält die Erlaubniss.

Flott hatt' ich mich in Frack geschmisse,

Und wartet uf mein' Gäste jetzt;

Mein' Handschuh warn, wie mein' Gewisse,
Zu zart und eng un drum zerfetzt.

Was all die feine Kellner renne!
Ich dacht bei mir im Stille so:

Wär's nur noch möglich durchzubrenne
Die Wirthschaft hiess Delmonico!

Die geladenen Pärchen erscheinen im herrlichsten Putze und man führt die Gesellschaft in den Speisesaal. Beim Anblick der Pracht hätte den armen Gastgeber fast der Schlag gerührt. Ein Blumenfrühling prangte zur Zierde auf dem Tische.

Inmitte von dem Tropekrempel

Stand, funkelnd wie aus Bergkrystall,

E Kandelzuckerliebestempel,

Da drinn war Amorettenball.

Dazu macht ihn auch noch das Benehmen der Molli mit ihrem Nachbar desperat.

Froh musst' ich sein so dazusitze,

Und, in bescheid'ner Zärtlichkeit,
Zu streichle mit de Fingerspitze
E Fältche von ihr'm liebe Kleid.

Fing Einer añ e Red zu halte,
Wie Jungamerika se hält,

Will es nach Tisch Talent entfalte,
Wo es auch sein mag in der Welt.

Von Grenzenlosigkeit des Landes,
Und von dem arme Mann seim Schweiss,
Dass hier kein Unterschied des Standes,
Und dass Europa wär en Greis.

Vom Washington und Sternebanner

Und von dem ausgespreizte Aar,

Doch's Land wär hin, käm net e anner

Partei an's Ruder 's nächste Jahr.

Vom edle Volk un der Verwaltung,

Von der gesprengte Sklavekett,

Von höchster Industrieentfaltung

Und Frankreich's grossem Lafayett.

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