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hervorbringen (Oudin 60). Was die Form dieser Wörter betrifft, so liegt der mit unserem Worte übereinstimmende Stamm klar vor in dem französischen und dem spanischen Ausdrucke. Der italienische ist aber dadurch zu erklären, dass (wie in inchiostro aus encaustum, chioma aus coma) hinter dem Anlaut c ein 1 eingeschoben ist, das sich dann wieder in i verwandelte.

Im Italienischen giebt es noch einen Ausdruck für gackern, schiamazzare, von clamare, rufen, gebildet. Er hat ausserdem die Bedeutung schreien, lärmen (fare strepito, gridare) und wird zu manchen Sprüchwörtern verwandt.

Schiamazza come una gallina. Giusti 370.

Gallina che schiamazza, perde l'uovo (durch unzeitiges Plaudern verliert man oft sein Glück).

Gallina che schiamazza, ha fatto l'uovo fr. Qui s'excuse, s'accuse.

Far l'uovo senza schiamazzare, etwas thun, ohne viel Rühmens zu machen.

Chi vuol l'uovo, deve soffrire lo schiamazzo della gallina.

Giusti 198.

Ridere senza schiamazzare, still vor sich hin lachen.

Die ausgebrüteten Küchlein, die Brut, heissen it. covata, fr. couvée, engl. brood und breed. Alle diese Ausdrücke werden in demselben verächtlichen Sinne, wie unser Brut, von einer Familie, einem Geschlechte gebraucht: it. una cattiva covata; fr. toute la couvée n'en vaut rien; engl. a bad brood; he is of a different breed from.

Bekannt ist die mütterliche Liebe der Henne für ihre Brut, und der Muth, womit sie dieselbe vertheidigt, so dass sie dann den Charakterzug, den, wie wir oben sahen, die Sprache in den Ausdrücken une poule mouillée, hen-heartet aufgefasst hat, völlig ablegt. Diese Liebe steigert sich aber noch, wenn die Henne nur ein Küchlein hat. Von dem hübschen Bilde der um ihr einziges Küchlein besorgten Henne macht nun das Französische und Englische Gebrauch in der Redensart: fr. Il est empêché comme une poule qui n'a qu'un poussin, engl. As busy as a hen with one chicken (Ray 149), er ist so geschäftig wie ein Huhn, das nur Ein Küchlein hat.

Hierher gehört auch der Ausdruck: il est le fils de la poule

blanche, er ist der Sohn der weissen Henne, d. h. er ist ein Glückskind, ein Sonntagskind. Wie ist er aber zu erklären?

Sollte er daher rühren, dass überhaupt die weissen Hühner viel seltener sind als die dunkelfarbigen? Dass dies der Fall ist, sagt Buffon: Les bonnes fermières donnent la préférence aux poules noires, comme étant plus fécondes que les blanches, et pouvant échapper plus facilement à la vue perçante de l'oiseau de proie, qui plane sur les basses-cours. Auch die Eier der weissen Hennen unterscheiden sich von denen anderer, und zwar durch eine dünnere Schale und bekommen so etwas Durchsichtiges, im Lichte Schimmerndes und Leuchtendes. Es kann also leicht der Glaube entstehen, dass das aus einem solchen Eie entstandene Küchlein in ähnlicher Weise ausgezeichnet sei, wie ein Kind, das mit der Glückshaube geboren wird. So könnte also die Metapher auch entstanden sein. In den französischen Wörterbüchern sieht man sich natürlich vergebens nach einer Erklärung um.

Der Name des Küchleins oder des Hühnchens wird auch zuweilen als Liebkosungswort gebraucht, so im Französischen poulet, poulette als Liebkosung für Kinder: Viens, ma poulette, mon petit poulet (Komm, mein Hühnchen, mein Putchen),

Hé bien, mon poulet, me dit-il, lorsque nous fùmes hors de table, es-tu content de mon ordinaire?

Le Sage, G. Blas, IV, 10.

im Englischen: my dear chicken und chuck

Pray, chuck, come hither. Shakesp., Othello IV, 2. und im Lateinischen mi pulle (Antiqui puerum, quem quis amabat, pullum ejus dicebant. Festus). Und weil nun solche Liebkosungsworte wahrscheinlich auch unter Liebenden vorkommen und in Liebesbriefen gebraucht werden, so liegt nichts näher als die Vermuthung, dass die Bedeutung Liebesbrief, welche fr. poulet (écrire un poulet, recevoir des poulets) hat, auf diese Weise entstanden sei.

Indessen scheint diese Vermuthung widerlegt zu werden durch eine positive Notiz, die wir über die Entstehung dieser Bedeutung haben. Sie lautet nach Le Roux de Lincy I, S. 127, der sie aus Voyage d'Italie, par Duval, Paris 1656, anführt, so:

Lorsque l'on donne l'estrapade en Italie, pour punir un maquerelage, on pend deux poulets vifs aux pieds de celuy qui a voulu suborner une femme; et de là vient ce que nous appelons en France porter un poulet quand on envoye un billet de galanterie, parceque

ceux qui se meslaient autrefois de ce mestier portaient des poulets sous prétexte de les vendre, et mettaient un billet sous l'aisle du plus gros, qui estait un advertissement à la dame avec qui on estait d'intelligence. Le premier qui fut descouvert fut puny de l'estrapade avec deux poulets attachez au pied qui ne faisaient pendant que voltiger; et depuis tout maquerelage est puny de ceste sorte en Italie. Sans en savoir l'origine, l'on appelle en France tout petit billet un poulet.

Hiernach wäre alo die Bedeutung von poulet daher entstanden, dass man sich früher zur heimlichen Uebersendung von Liebesbriefen Hühner bediente, denen man den Brief unter einen Flügel steckte und die Hühner so gleichsam Liebesboten waren. Dazu stimmt allerdings sehr gut die Bedeutung von it. pollastriere, pollastriera, Kuppler, Kupplerin, da die ursprüngliche Bedeutung Hühnerhändler gewesen sein muss. Indessen kann diese Bedeutung auch auf andere Weise entstanden sein, daher, dass, wie sp. polla und fr. poulette junges Mädchen heissen, so auch it. pollastra früher denselben Begriff bezeichnete, und so ist vielleicht pollastriere auf dieselbe Weise zum Begriffe Kuppler gekommen, wie tenere le oche in pastura heisst ein lupanar halten. Und was die Entstehung der Bedeutung von poulet Liebesbrief betrifft, so scheint es mir mindestens zweifelhaft, ob man der mitgetheilten historischen Notiz ein solches Gewicht beilegen darf, dass man darum die oben versuchte Erklärung des Ausdrucks aus sich selbst zurückweisen müsste.

Beurtheilungen und kurze Anzeigen.

Iwein und Parzival. Zwei Rittersagen des Mittelalters. Erzählt und erläutert von Albert Richter. Mit einem Titelstahlstich. Leipzig, Brandstetter. 1876. 284 S. 8.

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Das vorliegende Buch ist zu betrachten als Ergänzung zu den „deutschen Sagen des Verf., von denen Ref. eine günstige Beurtheilung im Archiv gegeben hat. Ref. bob mit besonderem Lobe die beigegebenen Erläuterungen hervor, die auf anschauliche Weise in das altdeutsche Culturleben einführen und als Ergänzung des literatur - historischen und auch des eigentlich historischen Unterrichts angesehen werden können. Auch von dem vorliegenden Werke bekennt Ref. gern, dass der Inhalt der Gedichte Wolfram's und Hartmann's, so oft er auch sonst schon der Jugend erzählt sein mag, hier doch auf eine besonders anmuthige und fassliche Weise wiedergegeben ist, so dass nicht zu bezweifeln ist, dass auch dies Werk eine allgemeine Verbreitung finden wird, und dass dasselbe ebenfalls eine neue Auflage erleben wird. Die Erläuterungen, welche beigegeben, sind ebenfalls lobenswerth. Sie sind anders als bei dem früheren Werke, sie erläutern nicht ausführlich Einzeltheile, die bei der Letcüre der Gedichte dem Ungelehrten Schwierigkeiten bereiten, sie sind allgemeinerer Art und ausschliesslich Ergänzungen des literaturgeschichtlichen Unterrichts, zum Theil selbst eine ausführlichere Literaturgeschichte, so dass sie eigentlich mehr als Excurse zu betrachten sind; ein ziemlicher Theil hätte gespart werden können. Der erste Excurs bespricht die höfische Epik. Auffallend ist hier, dass der Verf., als wäre es ein bedeutendes Werk, das Buch „die Heroen der deutschen Literatur von Sonnenburg" citirt und einen längeren Auszug aus demselben bringt; sollte es ihm nicht bekannt geworden sein, dass dasselbe eine vernichtende Kritik erfahren hat? Eben dieser Auszug auch über die Ideale des Ritterthums: „Der ganze Sinn wandte sich in jener Zeit dem Idealen zu, und das Streben ging dahin, alles Thun und Lassen mit den Gesetzen der reinsten Sittlichkeit in Einklang zu bringen u. s. w." ist doch nicht geeignet, ein wahres Bild der Zeit zu geben, und die folgenden Zeilen: „Und der ideale Sinn, welcher mit heiligem Ernste dem deutschen Ritter das hohe Ziel seines Lebens zeigte, leitete ihn auch in allen Verhältnissen des Familienlebeus, keine Stunde, kein Gedanke blieb unberührt von den Forderungen des Ideals", bei denen sich aber nichts denken lässt, wären besser nicht aufgenommen, da sie nur zu geeignet sind, den Hang zur Phrase in der Jugend zu nähren. Unglücklicherweise hat der Verf. weiter unten, wo er von dem Parzival spricht, noch einmal dasselbe Werk angezogen, da doch das nachfolgende

Citat aus Bartsch vollständig genügte. An die allgemeine Charakteristik der höfischen Epik schliesst der Verf. eine Uebersicht über die epischen Dichter, von dem einen mehr, von dem anderen weniger; dieser Theil hätte füglich ausgelassen werden können. Durch einen Druckfehler ist Heinrich von Veldeck zu einem Ritter aus dem Lüneburgischen gemacht. Der zweite Excurs handelt von Hartmann von Aue, giebt den Inhalt des Erek und des armen Heinrich und einige Notizen über des Dichters Leben; dass Hartmann in Schwaben daheim war, ist noch keineswegs ausgemacht. Der dritte Excurs bespricht Wolfram von Eschenbach, sein Leben, wobei eine Schilderung des Lebens auf der Wartburg eingeschoben wird, seine Werke; der vierte die Sage von König Artus und seiner Tafelrunde; der fünfte die vom heiligen Gral. Herford. Hölscher.

Tristan und Isolt in deutschen Dichtungen der Neuzeit von Reinhold Bechstein. Leipzig, Druck u. Verlag von B. G. Teubner. 1876.

Das vorliegende Buch ist seit der kurzen Zeit seines Erscheinens schon in mehreren Zeitschriften besprochen und lobend hervorgehoben worden. Wenn wir an dieser Stelle nochmals darauf hinzuweisen gedenken, so geschieht dies hauptsächlich, um einen Punkt besonders zu betonen.

Von der mittleren Periode unserer Literatur an wurden die alten Dichtungen dem Volke in besonderen Bearbeitungen zugänglich gemacht, wovon eine ganze Reihe noch erhaltener Helden- und Volksbücher Zeugniss ablegt. Als nun die literarischen Schätze unserer Vergangenheit in neuerer Zeit wieder aufgefunden und belebt wurden und das Interesse der Gelehrten sich darauf richtete, wurde der Gedanke angeregt, jene alten Denkmäler nicht nur in der Studirstube mit dem Meissel der Grammatik zerlegen zu lassen, sondern sie auch dem Volke, dessen Gemeingut sie einst waren, zurückzugeben und so wirklich in neuem Leben erstehen zu lassen. Dabei boten sich jedoch Schwierigkeiten dar, welche auf verschiedene Weise bewältigt werden mussten. Die alte Sprache war dem Volke unverständlich geworden; Wenige hätten vielleicht die Ausdauer besessen, sich hineinzulesen, und so versuchte man denn durch Uebersetzungen, Nachdichtungen, Erzählungen in Prosa und allgemein verständliche Ausgaben diese Schätze auch denjenigen, welche sich nicht speciell mit unserer alten Sprache und Literatur beschäftigt hatten, zugänglich zu machen. Gross war der Erfolg. Auch dem weniger Gebildeten sind heute die Namen von Thaten der Haupthelden unserer grossen Nationalepen nicht fremd. Natürlich fanden gerade die bedeutendsten und anziehendsten Dichtungen des Mittelalters die meisten Bearbeiter, und mit besonderer Vorliebe wurde Gottfried's wundervolles Eposfragment von neueren Dichtern in epischer, dramatischer und romanzenartiger Form bearbeitet und weiter ausgeführt. Verhältnissmässig Wenigen ist es aber vergönnt, die Quellen zur Hand zu haben, um sich ein klares Bild von der Weiterentwickelung und den Schicksalen des Tristanepos bilden zu können. Darum muss es als besonderes Verdienst von Bechstein's neuestem Buch angesehen werden, dass darin alle derartigen Dichtungen von Hans Sachs bis auf unsere Zeit zusammengestellt und treffender Kritik unterzogen werden. Der Verfasser, welcher durch seine Tristan-Ausgabe auf diese Untersuchung geführt wurde, hat derselben durch die beigefügten Anmerkungen noch grösseren Werth verliehen. Die vorurtheilsfreie Kritik, die klare und gewandte Darstellung sind a. a. O. schon hervorgehoben worden, so dass wir hier darüber hinweggehen können. Den Besitzern von Bechstein's Tristan - Ausgabe wird dies Buch eine willkommene Ergänzung sein, allen Gebildeten angenehme Unterhaltung und Belehrung gewähren. F. L.

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