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steht hier indess als Substantiv mit demselben Sinn, wie als Verbum in Othello: I cannot, 'twixt the heaven and the main, descry a sail, und in main steckt der Begriff: the main army, so dass die Stelle zu übersetzen ist: wir erwarten stündlich, des feindlichen Hauptheeres ansichtig zu werden.

(Ibid.) Let not my worser spirit tempt me again.

Delius: Bei worser spirit denkt Gloster des vermeintlichen bösen Geistes, der ihn in der Maske eines besessenen Bettlers auf die Klippe bei Dover geführt. Der Entschluss, sich das Leben zu nehmen, steht bei Gloster wohl schon fest, ehe er mit Edgar zusammentrifft; hier denkt Gloster an das böse Theil seines eigenen Geistes.

(Ibid.) Ch'ill not let go, Zir,

Es ist ausser Zweifel, dass Edgar hier im SomersetshireDialekt spricht.

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Heisst nicht or else try, sondern or I'll try.

(Ibid.) To know our enemies' minds, we rip their hearts;

Wir trennen doch die Herzen unserer Feinde nicht auf, um ihre Gedanken zu erfahren; wir würden es aber thun, wenn wir dadurch ihre Gedanken erfahren könnten. Die von Delius verworfene Lesart we'd rip gehört also unbedingt in den Text.

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So nennt Edgar den Boten, nicht weil er das ungeweihte Grab erhält, sondern weil er es verdient hat.

(A. V. Sc. 3.)

w'ell wear out,

In a wall'd prison, packs and sects of great ones,

Ich bin geneigt zu glauben, dass das Bild von dem Abnutzen von Kartenspielen entlehnt und dass statt sects sets zu lesen ist.

(Ibid.) Trust to thy single virtue ;

Delius: „Thy single virtue Deine persönliche Kraft oder Tüchtigkeit." Dies macht nicht deutlich genug, welcher ruhige Hohn in den Worten liegt. Edmund ruft nach einem Herold, und Albany sagt: Du hast keinen Herold mehr, nach dem Du rufen kannst; Deine Soldaten sind entlassen.

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Behold, it is the privilege of mine honors,
My oath, and my profession:

Delius erklärt, es sei das Vorrecht von Edgar's Ehre, Eid und Beruf, dass er sein Schwert ziehen dürfe. Der Sinn ist ein etwas anderer. Hier ist mein Schwert; siehe, es ist der ganze Freibrief meiner Ehren, mein ganzer durch Lehnseid gesicherter Besitz, und die einzige Urkunde meines kriegerischen Berufs.

(Ibid.)

This would have seem'd a period
To such as love not sorrow; but another,
To amplify too much, would make much more,
And top extremity.

Delius erklärt another durch ein Anderer"; ich halte another für ein anderes Leid, und übersetze demgemäss would in would make nicht durch würde, sondern wollte.

:

(Ibid.) One of them we behold.

Delius erklärt, von den Beiden, die das Glück geliebt und gehasst, sei Lear Derjenige, den es gehasst habe. Wahrscheinlich meint Kent, dass Lear einer von Zweien ist, deren Jeden das Glück gleich sehr geliebt wie gehasst hat.

(Ibid.) Nor no man else.

Dies ist durchaus nicht die Fortsetzung von Kent's vorheriger Rede, sondern die Antwort auf Lear's: You are welcome hither. Kent sieht, wie hoffnungslos abwesend Lear ist, und sagt: Weder ich bin willkommen, noch irgend wer sonst; Alles ist öde, dunkel und todähnlich. Er macht dann noch einen Versuch, durch die Nachricht von Goneril's und Regan's Tode einen etwa glimmenden Funken zu wecken, und nun sprechen auch Albany und Edgar aus, dass Alles umsonst ist.

(Ibid.) What comfort to this great decay may come,

Dies bezieht sich sicher auf Lear und auf sonst nichts weiter.

(Ibid.) The weight of this sad time we must obey;

Die Schlussworte, im Sinne eines Chors gehalten, spricht jedenfalls mit grösstem Recht der leidenschaftslose Albany.

Ueber

die Art, wie in Schillers Jungfrau von Orleans

am Ende des 3. Actes

die Katastrophe herbeigeführt wird.

Nach dem von Döring (Nr. 350) veröffentlichten, wenn auch unechten, so doch auf echten mündlichen Aeusserungen des Dichters beruhenden Briefe Schillers aus dem Jahre 1801 ärgerten sich schon damals Viele über den „ganzen Handel mit der Verliebung (sc. Johanna's) in Lionel", und deren sind bis heute nur noch mehr geworden. Aber auch das Ueberraschende und Ausserordentliche dieser Handlung zugegeben, da sie mitten im Schlachtgetümmel ohne alle Vorbereitung geschieht, so möchte sie doch bei genauerer Betrachtung so unwahrscheinlich oder gar unmöglich nicht erscheinen und in der Dichtung hinreichend motivirt sein.

An und für sich muss man es gewiss dem Dichter als sein gutes Recht zugestehen, dass er die Katastrophe aus dem Widerstreit der menschlich-sinnlichen Natur der Heldin mit ihrer göttlichen, übersinnlichen Berufung und Erfüllung hervorgehen lässt (IV, 1. Ende). Dass er ferner dazu den weiblichsten Zug des weiblichen Herzens, die leichte Entzündbarkeit der Empfindung, die Liebesfähigkeit und Liebesbedürftigkeit benutzt: Musstest du ihn auf mich laden, Diesen furchtbaren Beruf!

Konnt ich dieses Herz verhärten,

Das der Himmel fühlend schuf! (IV, 1.)

auch das kann ihm von vornherein wohl Niemand bestreiten, wenn Mancher es auch anders wünschen möchte. Viele meinen aber, Schiller hätte in Johanna's Busen Ehr- und Ruhmliebe im Uebermaass sich entwickeln und sie dadurch auf falsche Bahnen gerathen und ihren himmlischen Beruf überschreiten lassen sollen, eine Richtung, welche der Dichter auch mehrmals selbst andeutet. So III, 9:

„Nicht

Aus den Händen leg' ich dieses Schwert,
Als bis das stolze England niederliegt."

und IV, 9:

,,Diese Menschen alle

Erheben mich weit über mein Verdienst."

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Wie eine niedre Magd will ich euch (den Schwestern) dienen,
Und büssen will ich's mit der strengsten Busse,

Dass ich mich eitel über euch erhob."

Die Verschuldung, so wird argumentirt, durch welche sich der tragische Held in Conflict setzt mit des Schicksals Mächten, müsse aus der Grundlage seiner Persönlichkeit, aus dem, was ihn gerade zum Helden macht, hervorgehen.

Hat Schiller hier dieses Gesetz wirklich nicht erfüllt?

Mit der Uebernahme ihres himmlischen Berufs ist Johanna's weibliche Natur in naturnothwendigen Widerspruch zu demselben gesetzt, und dessen ist sie sich auch vollkommen bewusst. Das spricht sie in den Abschiedsworten des Prologs und nachher oft genug aus, besonders da sie die Liebeswerbungen Dunois' und La Hire's abweist, III, 4, Ende:

Weh mir, wenn ich das Rachschwert meines Gottes

In Händen führte und im eiteln Herzen

Die Neigung trüge zu dem irdschen Mann!
Mir wäre besser, ich wär nie geboren!

So kann, beiläufig, auch nicht von Somnambulismus geredet
werden, den man ihr angedichtet hat. - Das kann auch gar
nicht anders sein: Denn dadurch, dass Johanna willenlos jeg-
liche Einwirkung von oben an sich geschehen liesse, würde sie
nimmer zur Heldin, auch nicht einer romantischen Tragödie,
sondern nur zum blinden Werkzeuge des Schicksals; zur Heldin
wird sie dadurch, dass sie mit Bewusstsein und Willen in
diesen Widerspruch eingeht. Dass sie sieht und weiblich fühlt
und mit Freiheit ihre Sinnlichkeit dem Uebersinnlichen völlig
unterordnet, dies erst können wir als das bezeichnen, was ihre
Helden persönlichkeit bestimmt. Mit ihrem Blick fing ihr
Verbrechen an, doch dieser Blick begründet auch erst die Mög-
lichkeit ihres Heldenthums (IV, 1). Nun aber ist diese Unter-
drückung des weiblichen Gefühls jedenfalls eine schwere Schädi-
gung der Natur, des viel älteren Gesetzes, auf dem die ganze

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