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stisch alliterirende Redeweise hat Kent aber in seiner letzten Rede schon wieder aufgegeben. Dagegen ist sehr möglich, dass die Stelle mehrdeutig sein soll; entweder: wenn ich auch Ew. Ungnaden vermögen sollte, mich darum zu bitten; oder: sollte ich mir auch Eure Ungnade erwerben, indem ich mich von Euch vergebens darum bitten lasse; oder endlich: könnte ich mir auch selbst Eure Ungnade (als etwas mir sehr Erwünschtes) erwerben, wenn ich mich von Euch dazu erbitten liesse.

(Ibid.) When he, compact, and flattering his displeasure,

Zu compact ist nicht, wie D. meint, with the king, his master, zu suppliren, sondern nur with, auf his displeasure bezüglich.

(Sc. 3.)

no place

That guard, and most unusual vigilance
Does not attend my taking.

D.: „Für that, welches sich auf place bezieht, sollte nach genauerer Construction where stehen."

Das ist ein Irrthum;

die Construction ist: guard and most unusual vigilance attend my taking any place whatever.

(Ibid.) That ever penury, in contempt of man,
Brought near to beast.

Auch in diesem Satze ist, entgegen der von D. gegebenen Erklärung, that das Object.

(Sc. 4.) Deliver'd letters, spite of intermission,

D.: „Allem Ausruhen zum Trotz, ohne nur eine Pause zu machen, in der Kent seinen Bescheid hätte erhalten können.“ Genauer erklärt, heisst die Stelle: Der Bote kehrte sich nicht daran, dass der Platz noch besetzt war.

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D.: „Till it cry ist nicht nothwendig auf drum zu beziehen, sondern vielleicht unbestimmt zu fassen bis es ruft, bis der Ruf erschallt: Schlaft zum Tode!" Zu dieser Annahme liegt kein Grund vor. Der Trommelschlag soll den Herzog und die Herzogin durch Entziehung des Schlafs tödten.

(Ibid.) To be a comrade with the wolf and owl,
Necessity's sharp pinch!

Delius übergeht die Schwierigkeit dieser Stelle mit der kurzen Bemerkung, necessity's sharp pinch sei Apposition zu dem ganzen vorhergehenden Satze. Viel ungezwungener erklärt sich die Lesart:

To be a comrade with the wolf, and howl

Necessity's sharp pinch:

in Gemeinschaft mit dem Wolf des Bauchkneifen des Hungers beheulen (s. A. III. Sc. 1: the belly-pinched wolf).

(Ibid.)

If you will come to me
(For now I spy a danger), I entreat you,

Delius: Will come ist hier als Futurum der Gegensatz zu now, zur Gegenwart." Ein schwer erklärliches Missverständniss. Die Stelle heisst auf deutsch: Wenn Ihr zu mir kommen wollt, so bitte ich Euch, da mir jetzt die Gefährlichkeit Eures grossen Gefolges sichtbar wird, etc. Nach Delius' Ansicht würde sie zu übersetzen sein: Wenn Ihr später zu mir kommen werdet, — darin, dass Ihr jetzt gleich kämet, würde ich eine Gefahr sehen. Hiergegen spricht aber, dass der Satz nicht mit when, sondern mit if anfängt, und dass ferner zwar you will Ihr werdet heisst, der Begriff von: wenn Ihr werdet, oder : : wann Ihr werdet, aber nur durch if you shall oder when you shall ausgedrückt werden kann. Sollte dies in den Grammatiken nicht stehen, so würde das nur beweisen, dass in den Grammatiken eine Lücke ist.

(Ibid.) Those wicked creatures yet do look well-favor'd!
When others are more wicked, not being the worst
Stands in some rank of praise.

Nach der üblichen Satztrennung steht hinter well-favor'd ein Komma und hinter wicked ein Semikolon; den passenderen Sinn, den nach Delius' Meinung die von ihm gewählte Interpunction giebt, weiss ich nicht herauszufinden. Richtig gelesen heisst die Stelle: Jene gottlosen Geschöpfe, mit denen gleichzeitig andere noch gottloser sind, sehen doch noch gut aus; nicht das schlimmste zu sein ist immer noch eine Art von Lob.

(A. III. Sc. 1.) Or swell the curled waters 'bove the main, Mit Unrecht erklärt Delius im Widerspruch zu den englischen Commentatoren main hier als hohe See; es kann nur das Festland bedeuten.

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Delius bemerkt, unbonneted gebrauche Sh. als Metapher in Othello I 2. Dort heisst aber: to speak unbonneted gerade umgekehrt: bedeckten Hauptes sprechen.

(Sc. 2.) O nuncle, court holy-water in a dry house is better than this rain-water out o' door.

Delius: „Court holy-water bedeutet sprüchwörtlich, wie französisch eau bénite de cour, schmeichlerische, gleissnerische Reden, eigentlich Weihwasser, mit dem man am Hofe besprengt wird." Ein Vicekanzler der Universität Cambridge, welcher Heinrich dem Achten im Jahre 1530 deren Gutachten in der Scheidungsfrage überbrachte, beschreibt in einem von Burnet mitgetheilten Briefe seine Unterredung mit dem Könige, und schliesst: Then his Highness departed, casting a little holy water of the court.

(Sc. 4.) Come, unbutton here.

Delius meint, dies sei wahrscheinlich eine Aufforderung an Kent und an den Narren, gleichfalls ihre Kleider abzuthun. Lear spricht zu seinen eigenen Kleidern: lasst euch aufknöpfen; geht auf, Knöpfe.

(Ibid.) Our flesh and blood, my lord, is grown so vile,
That it does hate what gets it.

Delius sagt, Gloster spreche von seinen Kindern. Er kann doch so nur von Edgar sprechen.

(Sc. 6.) Nero is an angler in the lake of darkness.

Nicht eigentlich im Gargantua, sondern im Pantagruel, wird Trajan als Angler nach Fröschen, Nero aber nicht als Geiger, sondern als Drehorgelspieler (vieilleux) in der Hölle aufgeführt.

(Ibid.) Look, where he stands and glares!

Hier kann nur von Goneril die Rede sein; statt he muss also she gesetzt werden.

(Ibid.) And for one blast of thy minikin mouth

Damit dürfte eher ein Kuss, als das Blasen auf der Hirtenflöte gemeint sein.

(Ibid.) Poor Tom, thy horn is dry.

Edgar hat schon vorher gesagt, er könne vor Rührung seine Rolle kaum weiterspielen. Hier will er daher höchst wahrscheinlich sagen, er sei mit seinem Latein zu Ende.

(Ibid.) Mark the high noises, and thyself bewray,

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Delius: „High noises ist der Lärmen und Wirrwarr, der von den Grossen ausgeht oder die Grossen betrifft. Edgar stellt hier, wie durch den ganzen Monolog, seine Interessen als geringfügige und bescheidene den Angelegenheiten der Höheren gegenüber." Das thut er in dieser Stelle nicht mehr, sondern er sagt, was er zu thun vor hat: high noises sind die im Umlauf befindlichen lauten Gerüchte von bevorstehender Fehde zwischen Lear's beiden Schwiegersöhnen. Diese Gerüchte will Edgar aufmerksam verfolgen und, sobald sie es ihm räthlich erscheinen lassen, aus seiner Niedrigkeit hervortreten.

(Sc. 7.) If wolves had at thy gate howl'd that stern time, Thou shouldst have said, "Good porter, turn the key," All cruels else subscrib'd:

Hierzu bemerkt Delius nur: „Cruels

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grausame Wesen, wird hier substantivisch gefasst und bildet demgemäss einen Plural, wie z. B. mortal, mortals. To subscribe sich fügen." Er würde also übersetzen: alle anderen grausamen Geschöpfe fügten sich. Dies wäre gerade an der Stelle, wo man den höchsten Affect erwarten sollte, ein merkwürdiger Anticlimax. - Die Stelle ist mir von jeher als eine der dunkelsten erschienen, und es hat mich überrascht zu sehen, wie spurlos die Herausgeber darüber hinweggegangen sind. Soviel halte ich einstweilen für sicher, dass subscribed nicht Imperfect des intransitiven, sondern Particip des transitiven Verbums ist. Die

weitere Erklärung der Stelle wird durch die Möglichkeit erschwert, dass cruels auch cruel's heissen kann. In diesem Falle müsste man übersetzen: sonst ist alles Grausame eingeschränkt, alle andere Grausamkeit nichts gegen Deine; wobei freilich ein zweites else hinzugedacht werden müsste. Ist dagegen die von Delius in den Text gestellte Lesart richtig, dann ist der wahrscheinlichste Sinn: alle andere Grausamkeit zugegeben, d. h. so grausam Du sonst auch sein oder gewesen sein mochtest.

(A. IV. Sc. 3.) And clamour moisten'd:

Es ist keine Frage, dass dies heissen soll: she moistened. clamour, mit dem Weihwasser, welches sie aus ihren himmlischen Augen schüttelte.

(Sc. 4.)

all the idle weeds that grow

In our sustaining corn.

Delius fasst sustaining corn als das nährende Korn im Gegensatz zu dem unnützen Unkraut. Es will mir scheinen, als gebe das Korn, welches dem Unkraut zur Stütze dient, noch einen tieferen Sinn; als einer der in diesem Stücke so häufigen Geisselhiebe gegen sociale Missstände.

(Sc. 6.) None does offend, none, I say, none; I'll able 'em:
Take that of me, my friend, who have the power

To seal the accuser's lips.

Es bedürfte nur einer kleinen Veränderung der Interpunction, um I'll able 'em; take that of me, my friend, zu einem parenthetischen Einschiebsel zu machen; dann wäre der Sinn: Niemand sündigt, der die Macht hat, des Klägers Lippen zu versiegeln. Der Uebergang vom Singular does in den Plural have wäre durch das them in der Parenthese vermittelt. Die Gründe für die eine und die für die andere Lesart halten einander die Wage.

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Delius fasst main als hauptsächlich und descry als Auskundschaftung; er findet die Ausdrucks weise seltsam. Descry

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