Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

ebenso wenig Männliches. Es ist aber eine vortreffliche Probe einer von Swinburne's zwei individuellen Manieren und ist so durchaus modern und so vollständig weiblich von der „einen Schritt weiteren" Stufe - wie irgend etwas es nur sein kann. Es ist wesentlich das Erzeugniss desselben Zeitalters, welches uns Michelet's „L'Amour“ und „La Femme" und, um kleine Dinge mit grossen zu paaren, die immerwährenden und ermüdenden Artikel in der Saturday Review über Frauen, und zwar die bedeutendsten derselben, von einer Frau geschrieben, gegeben hat. Zwar ist es Chastelard, der Obiges spricht, also ein Mann ein Mann! . . Es ist aber durch und durch weibisch.. kurz, es ist Schneiderismus in Blankvers herumspringend. Dieser Blankvers ist, beiläufig gesagt, unübertrefflich; er ist fliessend, glatt, rein und melodisch."

Swinburne ist hierin nicht bloss ein Nachahmer der Elisabethanischen Dramatiker, so dass seine Diction etwas Antiquirtes an sich hat, sondern scheint er sich auch besonders zu bemühen, sich lediglich des germanischen, zum fast gänzlichen Ausschluss des romanischen Elements der englischen Sprache zu bedienen. Abermals ein auffallender Widerspruch gerade in dem, wie wir oben erwähnt haben, an französischen Mustern herangebildeten Dichter. Schon die wenigen angeführten Stellen aus dem Drama können als Belege dienen; es finden sich aber ganze Seiten im Buche, wie 72, 73, 78, 96, 97 u. s. w. (mir liegt die Ausgabe von 1868, London, John Camden Hotten vor), ohne einen einzigen normännischen oder romanischen Ausdruck. Dieses Streben, das germanische Element mehr hervortreten zu lassen, ist zwar ganz lobenswerth, und die besten Dichter, von Tennyson aufwärts bis Shakespeare, bei welchem Letzteren 68 unter 81 Wörtern germanischen Ursprungs sind (in der Bibelübersetzung sogar 125 unter 130 Wörtern haben sich dessen befleissigt; bei Swinburne aber, in Chastelard wenigstens, macht sich dieses Streben denn doch zu bemerkbar, und wird die Sprache, bei den massenhaften einsilbigen Wörtern des germanischen Elements des Englischen, schliesslich eintönig. Noch mehr: es tritt dieses Streben so zudringlich hervor, dass man nur mit Mühe den Sinn dessen, was man liest, in sich aufzunehmen vermag; die Aeusserlichkeit zieht die Aufmerksamkeit auf sich und lenkt sie vom Inhalt ab. Das ist ein Fehler, der wohl besonders gerügt zu werden verdient. Dieser einförmigen Diction ist es wohl auch zuzuschreiben, dass Swinburne dunkel ist. Dass er es nicht bloss mir ist, dass das Dunkel, wie man mit billigem, Lichtenberg entnommenen Witz mir vielleicht entgegen halten dürfte, sich nicht bloss in meinem Kopfe befindet, dafür sei, unter vielen, ein Beweis aus dem bereits angeführten Reader gebracht.

„Ob wir überall", heisst es dort, glücklich genug gewesen sind, den Dichter vollständig zu begreifen und seine Aeusserungen genügend zu würdigen, können wir nicht wagen zu behaupten; denn seine Dunkelheit ist stellenweise ziemlich dicht. Der Geist wird zu sehr durch die Bemühung angestrengt, die Feinheit jedes Gleichnisses zu erfassen und in die innerste Bedeutung seiner Analogien zu dringen." Diese Dunkelheit liegt aber meiner Ansicht nach eben nur in der Ausdrucksweise; was klar ausgedrückt worden, kann auch, wie weit hergeholt auch die Gleichnisse sein mögen, immerhin leicht verstanden werden.

Was die Charakterzeichnung betrifft, so ist sie lobenswerth und zeugt für Swinburne's dramatische Begabung. Maria's Coquetterie, Grausamkeit, Sinnenlust, Stolz, Selbst- und Eifersucht werden uns lebhaft vor Augen geführt; dabei fehlt es nicht an einem Anstrich von Schwermuth, der, wie der Schatten ihres künftigen Schicksals, auf sie fällt und eine Vorahnung von diesem giebt. Die Schiller'sche Maria Stuart erkennt man nur in der Liebe wieder, welche ihre Schönheit einzuflössen nicht verfehlt, und in ihrer eigenen Liebe zu Frankreich. Wer erinnerte sich nicht bei folgender Stelle:

One grows much older northwards, my fair lord;
I wonder men die south; meseems all France
Smells sweet with living, and bright breath of days
That keep men far from dying;"

an Schiller's: „Eilende Wolken! Segler der Lüfte!" wo sich ihre Sehnsucht nach Frankreich, ihrem Jugendlande, so innig ausdrückt. Chastelard ist, wenn auch eine unmännliche Gestalt, doch durchaus richtig und consequent gezeichnet, und Mary Beaton, welche diesen unglücklich liebt und die einzige gefällige Gestalt im Drama ist, wird mit wenigen Strichen in gelungener Weise geschildert. Am schärfsten aber tritt der Wankelmuth und die Launenhaftigkeit der schottischen Königin hervor, die sich darin gefallt, einen nach dem andern, den sie bestrickt und an sich gefesselt hat, wieder von sich zu weisen und ihn seinem Schicksale zu überlassen. Dieses ihr grausames Spiel mit Menschenglück und Menschenleben tritt freilich im Bothwell, zu welchem ich gleich übergehen werde, noch greller an den Tag; doch zeigt es sich auch schon hier, in Chastelard, welches, wie oben erwähnt, das einleitende Stück zur beabsichtigten Trilogie bildet, deutlich genug und erweckt Schrecken und Mitleid, Schrecken vor dem Abgrund von Unsittlichkeit und Verbrechen, der uns aus dem Charakter der schottischen Königin angähnt, Mitleid für ihre Opfer, die indessen theilweise unsere Verachtung verdienen. Und ihre Liebe? Die einer Lucrezia Borgia, wie dieses verunglimpfte Weib vor Gregorovius' neuestem Werke aufgefasst wurde, oder einer Catharine von Russland unter neueren gekrönten Häuptern, und sollen wir aufs Alterthum zurückgehen, so muss ich sagen, die der Faustinen, der oder denen Swinburne ja auch ein besonderes Gedicht gewidmet hat. Ueberhaupt scheint sich die satanische Schule oder die der „Rehabilitation des Fleisches", wie ich sie oben bezeichnet habe, besonders darin zu gefallen, solche Charaktere zum Gegenstande ihrer Muse zu wählen, oder um es kurz zu sagen, die Prostituirten zu besingen. Wie Swinburne seine Hymn to Proserpine, Faustine, Dolores, Fragoletta, Félise u. s. w. hat, so ist eins der besten Gedichte in Rossetti's Poem's das „Jenny" betitelte, welches eine Prostituirte besingt. Ich will damit nicht die Anklage gegen die Schule erheben, dass sie etwa die Unzucht feiere; dass diese aber in concreten Gestalten so oft ihren Vorwurf bildet, das liegt klar zu Tage. Das Wort harlot begegnet uns fortwährend in Chastelard und Bothwell, und als harlot ist die schottische Königin dargestellt. Das mag historisch treuer sein, als das Idealbild, welches Schiller sich von ihr entworfen und uns vorgeführt hat, ob aber dichterisch schöner und erhebender, ist eine andere Frage.

Gehen wir nun zu Bothwell über. Sei es nur gleich bemerkt, dass es des Dichters eigene Schuld ist, wenn die Kritik ihm nicht gerecht werden kann er hat sie durch die aussergewöhnliche Länge des Stückes es erstreckt sich in der mir vorliegenden Ausgabe (London, Chatto and Windus, 1874) auf nicht minder als 532 Seiten. Wer hat heutzutage die nöthige Zeit, um ein Dichterwerk von diesem Umfang mit Musse und der ihm gebührenden Aufmerksamkeit zu lesen? Sicherlich nicht der, welcher ums tägliche Brot arbeitet. Wie ich bereits Eingangs dieses Artikels bemerkt habe, und wie ja Jeder, den das Glück nicht so begünstigt hat, dass er einer unabhängigen Stellung und eines otii cum dignitate sich erfreut, gewiss an sich selbst erfährt, ist der Kampf ums Dasein jetzt so erschwert, dass er fast die ganze Zeit und Kraft jedes Einzelnen in Anspruch nimmt. Diese jetzt allgemein herrschende Theuerung, die durch Speculation bis zum Unerschwinglichen hinaufgetriebenen Schwindelpreise aller Lebensbedürfnisse, haben noch eine ganz andere und bedenklichere Seite, als die der Entbehrungen, die sie den sämmtlichen Unbemittelten auferlegen. Was solche Entbehrungen bei schwächlicher Gesundheit, zumal aber für Kinder und Kranke bedeuten, weiss wohl Jeder zu ermessen. Dieser aufreibende Kampi

ums tägliche Brot droht aber ausserdem die ganze Cultur zu gefährden. Man täusche sich ja hierüber nicht. Die Folgen solcher unnatürlichen Zustände wie die, in welchen wir seit einigen Jahren leben, bleiben ebensowenig aus, wie die der französischen Zustände vor 1789 ausgeblieben sind: sie müssen sich mit der eisernen Nothwendigkeit der Thatsachen, welche man gewöhnlich als die „Nemesis" bezeichnet, einstellen. Die erste Bedingung aller Cultur aber ist, wie längst bekannt und selbstverständlich, die materielle Grundlage, die Befreiung vom Kampfe mit den Elementen oder den Naturkräften, die allgemeine oder wenigstens theilweise Wohlhabenheit und die Sorgenfreiheit der Wenigen. Gewiss hat Herr v. Treitschke (sonst nicht ein Mann, mit dem ich mich befreunden kann) ein wahres Wort gesprochen, als er ohnlängst seine Artikel gegen die Socialdemokraten damit schloss, dass er ihnen sagte, es werden die Millionen immer arbeiten müssen (ich erinnere mich des Wortlautes nicht mehr), damit die Wenigen denken und dichten können. Die Zahl dieser Wenigen muss sich aber unter den jetzigen unnatürlichen Zuständen täglich vermindern, und die früher oder später eintretende Folge dieser letzteren muss ein unausbleiblicher Rückfall in die Barbarei sein. Der im englischen Sprichwort: „When Adam delved and Eva span, who was then the Gentleman" angedeutete Zustand wird dann wiederkehren; es werden die Männer wieder graben und die Frauen wieder spinnen müssen, und Niemand wird diejenige Musse geniessen, welche die Muse, sei es der Wissenschaft oder der Kunst, erheischt. Statt Vorlesungen von zweifelhafter Wirkung für das grosse Publicum und zur Fortbildung für das weibliche Geschlecht zu veranstalten, sorget doch ihr Männer und Frauen, die Ihr so gestellt seid, dass der grosse Kampf es euch noch ermöglicht, lieber dafür, solchen Zwecken eure Kräfte zu widmen, sorget vorerst dafür, dass natürliche Zustände wieder zurückkehren und den Schwindelpreisen für Lebensmittel, wie den allzu hohen Arbeiterlöhnen endlich ein Ziel und eine Schranke gesetzt werde! Caveant Consules etc.

Kehren wir jedoch zu unserem Gegenstande zurück. Swinburne's Bothwell ist also zunächst ein nur für die Wenigen bestimmtes Werk, oder doch eines, welches nur den Wenigen zu bewältigen möglich ist. Dann aber ist es eben seiner Länge wegen durchaus nicht zur Aufführung geeignet, ist also blos ein Lesedrama, und als solches eben ein Unding, da es keiner der anerkannten oder hergebrachten Gattungen der Dichtung angereiht werden kann. Was die Sache aber noch ausserdem verschlimmert, ist, dass auch die Reden der handelnden Personen oft von solcher Länge sind, dass sie als Monologe angesehen werden können, und eine nur selten unterbrochene Reihenfolge von Monologen zu lesen, ist so ermüdend, dass man den Faden ganz verliert und jede Scene wiederholt lesen muss, um dem Gange der Handlung folgen zu können. Hierzu kommt noch, dass die Aufzüge, wie schon in Chastelard, Namensüberschriften tragen, wovon man den Zweck nicht absehen kann, und was ebenso ungewöhnlich ist, wie es störend wirkt. So ist der erste Act: „David Rizzio", der zweite aber „Bothwell" u. s. w. betitelt. Wie sonderbar, da ja das der Titel der ganzen Tragödie ist. Doch dies wäre Nebensache, wenn nicht die eben gerügte, Livius'sche Ubertas möchte ich sie nennen, unserem Dichter eigen wäre und er nicht durch die allzu grosse Fülle von Worten und Bildern dunkel würde und ermüdete. Wo dies die Wirkung eines Kunstwerkes ist, da ist von vornherein ein wahrer Kunstgenuss ausgeschlossen, und ist es, wie bereits gesagt, schwer, dem Dichter gerecht zu werden und ihn richtig zu würdigen. Es fehlt hier das schöne Maass der Griechen, und dieser Mangel muss stets zu einer gewissen Verwilderung führen, von der die Elisabethanischen Dramatiker, Shakespeare selbst nicht ausgenommen, nicht ganz freizusprechen sind. Ich spreche da ein dreistes Wort gelassen aus, scheue mich aber nicht, es stehen zu lassen. Nicht ganz grundlos konnte ein Voltaire den grossen Dichter einen Wilden nennen: er konnte aber nur dem damals in Frankreich

herrschenden Classicismus gegenüber die bei Shakespeare nicht hinwegzuleugnende Ueppigkeit an Charakteren, Sprache und Bildern meinen, die man bei den Romantikern antrifft. Stände er (Voltaire) heute auf und läse Victor Hugo's Schöpfungen, die dramatischen, wie die epischen, womit ich natürlich seine Romane bezeichne, er würde sicherlich auch ihn einen Wilden nennen. Und Swinburne ist ja, wie wir gesehen haben, der Jünger und Verehrer Victor Hugo's, der ihm als der grösste Dichter gilt. Dass der an den Brüsten echter Classicität genährte Dichter der „Atalanta in Calydon“ sich so von seinen früheren Mustern ab- und den Romantikern zugewendet hat, würde für mich eine auffallende Erscheinung sein, wüsste ich nicht, wie ebenfalls bereits oben erwähnt, dass der Widerspruch der menschlichen Natur eingepflanzt sei und dass ja nach dem bekannten französischen Sprichworte die äussersten Gegensätze sich berühren.

[ocr errors]

In den griechischen Tragödien kommen nun zwar auch lange Reden, wie besonders im Ajax und der Elektra des Sophokles, vor, sie sind aber stets von einer Einfachheit und Durchsichtigkeit, dass man den Inhalt leicht in sich aufnimmt und fasst. Meist sind sie, wie die langen Reden in anderen alten und neueren, ausländischen und deutschen Dramen überhaupt, geschichtlichen Inhalts, d. h. die Reden erzählen ein Ereigniss, wobei man immer leicht zu folgen vermag. Bei Swinburne aber sind sie zumeist bloss gedanklichen Inhalts und deshalb schwer zu fassen und ausserordentlich ermudend. John Knox', des schottischen Reformators, Rede z. B. erstreckt sich einmal auf nicht weniger als dreizehn Seiten! Die Sprache besteht zwar in Bothwell nicht aus so vielen einsylbigen Wörtern, wie in Chastelard, hat aber ebenfalls einen alterthümlichen Anstrich, was vom historischen Gesichtspunkte wohl gerechtfertigt sein mag, die Lecture aber etwas erschwert. Hingegen ist der Blankvers wieder mit einer Meisterschaft gehandhabt, dass er vollendeter wohl nicht gedacht werden kann. Er schreitet mit Würde und Majestät einher wird aber bei dieser sich immer gleich bleibenden Majestät ziemlich eintönig. Etwas Abwechselung bringen einige schöne Lieder, die eingelegt sind, und die Gespräche der Bürger, welche den Chor der griechischen Tragödie vertreten. Doch auch ihre Sprache ist fast in demselben Tone gehalten, wie die der übrigen auftretenden Personen, deren Zahl übrigens etwas über sechszig beträgt. Darnley's Charakter ist vielleicht am besten geschildert. Die Königin ist wieder dieselbe wie in Chastelard, was freilich nur natürlich ist, da ein Charakter sich nicht ändert; allein ermüdend ist diese ewige Wiederholung eines und desselben Bildes eines Weibes, wo die Handlung sich um weiter nichts als ihre wandelbare Liebe dreht. Ist das ein Stoff für eine Trilogie? Swinburne hatte wohl recht, indem er sich gegen die Tennyson'sche Schule und seine Kritiker wandte und sich ihnen gegenüber damit rechtfertigte, dass die Dichtung nicht bloss für Kinder und Mädchen bestimmt sei, dass sie den ganzen Menschen in ihr Bereich zu ziehen habe und Alles müsse aussprechen dürfen. Wollte man ihr dieses Recht absprechen, so müssten wir Goethe's Faust als unzulässig bezeichnen, ebenso wie gegen Romeo und Julie und natürlich ein ganzes Heer von Dramen, englischer und anderer, mehr als Bedenken erheben, denn in jenen zwei grossen Tragödien haben sich ihre Schöpfer wahrlich nicht gescheut, der sinnlichen Seite der Liebe Ausdruck zu geben und sie unverhohlen zu schildern. Aber eine so unzüchtige Königin, wie sie eben von Swinburne dargestellt wird, sich zur Heldin wählen denn das ist sie ja im Grunde doch heisst nach meinem Dafürhalten ins andere Extrem übergehen und muss den Leser abstossen, statt anzuziehen. Man kann sich bei der Lectüre dieses Stückes eines Bedauerns nicht erwehren, dass so viel Geist und so viel dichterische Kraft an einen so unerquicklichen Gegenstand vergeudet worden: der Dichter reicht uns Sodomsäpfel in goldener Schale; diese ewigen Liebesversicherungen und Betheuerungen im Munde Maria's sind eine Entweihung der reinen, jungfräulichen, keuschen Leidenschaft, die man sonst

Liebe nennt und als etwas Hehres und Läuterndes zu betrachten gewöhnt ist. Nur die grössten Dichter, wie eben Shakespeare und Goethe, der eine in Romeo, der andere in Faust, vermögen auch die ausgesprochene sinnliche Liebe so zu verklären, oder doch in solcher Weise darzustellen, dass wir uns dabei immer noch in der höchsten Sphäre der Poesie befinden. In diesen Dichtungen ist auch Uebereinstimmung mit der Schopenhauer'schen Metaphysik der Liebe, es wird uns ihr Urgrund nicht verhehlt; hingegen aber auch das eigentliche Motiv festgehalten.

Swinburne hat also in dieser seiner neuesten grösseren Schöpfung den Beweis geliefert, dass er ein noch langathmigeres Werk, als seine früheren, hervorzubringen im Stande, dass er Tennyson an Macht des Aufschwunges und anhaltender Flugkraft weit überlegen sei und bei mindestens ebenso bedeutender dramatischer Begabung, wie Browning, jedenfalls nicht so dunkel und räthselhaft ist, wie dieser. Da er es aber nicht verstanden oder vielleicht eigensinnig verschmäht hat, sich weise zu beschränken, und einen wenig ansprechenden Vorwurf sich gewählt und ihn so behandelt hat, dass das daraus hervorgegangene Drama seiner Länge wegen durchaus nicht bühnenfähig ist, so bleibt auch seine neueste Leistung hinter der Vollendung zurück. Diese seine Maria steht übrigens im gänzlichen Missverhältniss zu der uns bekannten und historisch acceptirten. Ausser ihrer wandelbaren Liebe zu ihren verschiedenen Günstlingen wird uns in ihr ein Weib und eine Königin geschildert, die eher an eine Lady Macbeth, an die Bloody Mary oder deren Schwester, der verkörperten Nemesis der schottischen Königin, Elisabeth, erinnert, als an die Maria Stuart der allgemeinen historischen Erinnerung und der Dichtung. Man lese nur beispielsweise ihre letzte Rede in Bothwell und man wird über dieses männliche, entschlossene, blutdürstige Auftreten dieses im Taumel der Sinnlichkeit lebenden Weibes erstaunt sein und befremdet den Kopf schütteln. Aber ebensowenig wird man in dieser und den vielen ähnlichen Reden in diesem Drama die gewaltige Kraft des Dichters zu erkennen verfehlen; man darf auch, um ihm gerecht zu werden, keinen Augenblick vergessen, dass nicht Bewunderung seiner Heldin, sondern unverkennbar der glühendste Hass ihn bei dieser neuen Schöpfung inspirirt hat, dass er ihr Leben und ihre Thaten ganz objectiv und tendenzlos zur Darstellung bringt, denn die Trilogie war lange vor dem seit 1870 ausgebrochenen Kampfe zwischen dem Staate und der katholischen Kirche entworfen, und dass man, um ein endgiltiges Urtheil fallen zu können, doch jedenfalls den Schluss dieser Trilogie abwarten muss. Bothwell schliesst mit Maria's Abreise von Schottland, also mit dem Wendepunkt, der Katastrophe, denn als solche muss ja ihre Flucht nach England angesehen werden. Dort ereilte sie ihr Schicksal, und der wichtigste Abschnitt ihres Lebens, ihre Gefangenschaft in Holyrood un ihr trauriges Ende, stehen noch bevor. Hier wird sich erst die ganze Kraft des Dichters zu bewähren haben, wie Schiller's in Wallenstein's Tod. Einstweilen kann ich nur das Urtheil der Saturday Review unterschreiben und mit dem Ausspruch schliessen, dass, hätte Swinburne sich mehr beschränkt, er zwar ein gewaltiges und lebensvolles Drama geliefert haben würde, dass es aber auch in diesem Falle immer noch hinter den höchsten Anforderungen an eine Dichtung zurückgeblieben wäre. Dr. David Asher.

« PreviousContinue »