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Oben habe ich wohl Ihrer Geschenke erwähnt, aber vor lauter Bäumen bin ich nicht zum Wald gekommen, ich habe Ihnen nemlich für diese schönen Geschenke nicht gedankt einen recensirenden Dank übrigens werde ich nicht beyfügen, da auch Sie mir die Eyer ohne Gakern geschickt haben; von noch andern als (ut) ungelegten wollen Sie gar nicht sprechen. Ben jedem Dritten kann diß etwa gelten, daß er nicht davon sprechen könne; aber gewiß nicht bey dem, der sie selbst legt; wenigstens nur bey dem, in welchem nur der liebe natürliche Instinkt wirkt, was gerade der Fall bey den gegnerischen Windeyern war, zu denen ihre Positores wohl viel zu gakern, aber nichts zu sagen wußten, sondern wozu Andre den Sermon, und zwar den Leichensermon hielten. Wer aber die Gänse ins Grab geschossen hat, so daß diese Beerdigung eine Gebährung von Schwaneneyern oder deßgleichen wird, der könnte nicht schwer davon reden.

Noch mehr aber wären wir begierig hier wie allenthalben von der weitaussehenden allgemeineren Organisation, deren alles längst harrt, etwas zu vernehmen. Und zwar würde die Bemerkung nöthig seyn, daß Allegorien, welche, wie beschwerender Weise verlautet, haben angewendet worden seyn. sollen, fast noch schlimmer seyen, als gänzliches Stillschweigen; denn vorgehaltene Bilder von Speisen reißen zugleich den Appetit, den sie nicht befriedigen. Da Sie das Schulwesen auch bereits daran anzuknüpfen hatten, so muß wohl die Sache schon weiter gediehen seyn. Aber ich höre, daß hier auch vornehme Herren ein Herr Präsident u. s. f. noch nichts wissen, und ehrlich seyn sollen, indem sie diß sagen; wie die Könige auch wenig von dem wissen, was der Kayser beschließt. — Worauf ich allein nicht gerade neugierig, sondern begierig bin, ist, in welchem Geiste diß wichtige oder vielleicht wichtigste Werk gemacht wird. - Bisher sahen wir bey den Nachahmungen des französischen immer nur die Hälfte aufnehmen und die andere Hälfte weglassen, diese andere Hälfte, welche das edelste, die Freyheit des Volkes, Theil

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nahme desselben an Wahlen, Beschliessungen, oder wenigstens Darlegung aller Gründe der Regierungsmaßregeln vor die Einsicht des Volks enthält! — eine Weglassung, wodurch jene erste Hälfte zum gänzlich Verkehrten, zur Willkühr, Grobheit, Rohheit, vornemlich Stummheit, Haß der Publicität, Aussaugung, Verschwendung - und auf der andern Seite zur Dumpfheit, Mißmuth, Gleichgültigkeit gegen alles Öffentliche, Kriecheren und Niederträchtigkeit wird. Es gehört ein großer tiefer Sinn dazu eine Verfassung zu machen, ein um so größerer und tieferer, je mehr gegenwärtig - in DeutschLand ohne Verfassung zu regieren und fertig zu werden, möglich und sogar vortrefflich scheint! wo gewissermassen keine Behörde einen Geschäfts- und Wirkungskrais hat, sondern daß die höhere das thue, was Geschäft der niedrigeren wäre, jener für Pflicht gilt; wo also die Aufopferung, die der Gewalt nach niedere etwas thun zu lassen, diß Selbstzutrauen des Staats zu sich, der seine Theile gewähren läßt — d. h. das Hauptmoment der Freyheit nicht vorhanden und nicht gekannt ist. Doch es ist bereits viel, was Deutschland von Frankreich gelernt hat, und die langsame Natur der Allemands wird mit der Zeit noch manches profitiren. Auf Einmal kann nicht alles verlangt werden. Daß mit den Stiftungskuratelen der Anfang bereits gemacht wird, höre ich soeben; wenn Schlehlein1) das noch erlebt hätte, so wäre er vielleicht bey lebendigem Verstande geblieben; andere dagegen würden ihn vielleicht darüber verlieren wollena).

Daß Schlehlein- um diß noch zu sagen ist ein1) entißt schiedener Narr ist, daß man ihn ein 8 Tage im Seehof gehalten hat, und ist nach Bayreuth eine Reise zu machen disponirt hat - wo sich bereits mehrere Bamberger Ober

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a) 'Daß mit

wollen' am Rand Hf.

b) 'ein izt' f.

1) Albert Schlehlein ist im Personalstatut der Landescollegien von Würzburg und Bamberg (Regier.-Bl. 1803 S. 323) als Director der 3. Deputation bei der Landesdirection zu Bamberg genannt.

justizrath Haak

befinden, ist ein für die Familie unendlich trauriges Ereigniß. Man kann kaum mehr erleiden als über die gute Pflaum seit 1/2 Jahr ergangen ist.

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Herr von Joly wird in wenigen Tagen in Bayreuth eintreffen. Sie sehen also, ob Frau von J. mehr als Ihnen tausend . herzliche Grüße u. s. f. sagen lassen kann.

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Daß die beste Frau in Landshut ist, habe ich hier vernommen, es ist doch mit allen andern Leuten nichts als mit Jenensern und am besten schwäbischen Jenensern. Verorganisiren Sie nur nicht auch den Paulus von hier weg. Legen Sie bald das tausendjährige Reich an, woraus die Schaafe, die inwendig reissende Wölfe sind, ausgeschloffen sind und alle nostri wiederversammelt werden, nemlich in der Wirklichkeit denn in Gedanken lebe ich bereits längst immer darin und bey Ihnen also vornemlich

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Ihr

Hgl.

44.

Hegel an v. Knebel.

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Bamberg d. 21. Nov. 1807.

[Gedruckt in v. Knebels Lit. Nachlaß 2, 449–451. Ist die Antwort auf Nr. 4, dankt für übersandte literarische Geschenke und erwiedert diese mit einigen bairischen Producten. Bezüglich der Klage über schwere Verständlichkeit der Vorrede zur Phänomenologie äußert sich H.: 'Gerade diß ist die Seite, welche am schwersten zu erreichen, welches das Merkmal der Vollendung ist. und kann ich Ihrem Tadel nur die Klage wenn es erlaubt ist zu klagen entgegenseßen, durch das sogenannte Schicksal verhindert zu werden, etwas durch Arbeit hervorzubringen, das in meiner Wissenschaft Männer von Einsicht und Geschmack, wie Sie, mein Freund, mehr zu befriedigen im Stande wäre, und das mir selbst die Befriedigung gewähren könnte, daß es mir zu sagen erlaubte: darum habe ich gelebt!' 'In Bayern', fügt er hinzu, 'habe es jetzt fast das Aussehen, als ob das Organisiren das laufende Geschäft würde, um den Dr. Schlendrian, dem so viel Böses nachgesagt worden, völlig auszurotten.']

45.

v. Knebel an Hegel.

Jena den 27. Nov. 1807

Lieber wenig als gar nichts, lieber Freund! Drum will ich Ihnen heute nur mit wenigem antworten, weil ich nicht viel geben kann.

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Erst und vor allem danke ich für Ihr System der Wissenschaft, das mir Hr. Fromman vor nicht gar langem freundlich ausgeliefert hat und das nun schon prächtig gebunden vor mir da steht. Die Thüren meines Herzens sind ihm geöffnet; nur fragt sich, ob mein Geist nicht zu enge und schmal ist: aber gewiß werde ich von dem scharfen und tiefen Denken manches nicht gewöhnliche erlernen. Für die mitgesandten Bücher danke ich gleichfalls. Hrn Schellings Antritsrede1) hatte ich bereits gelesen, und, ich kann es nicht leugnen, gewünscht, daß er, bei minder gigantischem Streben nach dem Unmöglichen, uns mehr von der Sache gelehrt hätte. Kunst und Poesie sind jezt auch zwei Worte, mit denen man sich gewöhnt hat das Unmögliche auszusprechen. Doch findet man die Sache beinahe überall, nur minder oder mehr, und in verschiedenem Grade. Diese uns anzudeuten, wäre, wenigstens ein begreiflicher Werk geworden. Es ist nicht alles so neu, als man es zuweilen sich denkt; aber klar ausgesprochen, kan manches Alte neu werden.

Doch ich habe in diesen Sachen kein Urtheil. Die beigelegten Briefe habe ich sogleich besorgt, und schicke Ihnen auf den Einen bereits die Antwort zurück. Ich wünsche wohl Ihnen noch etwas angenehmes beilegen zu können; doch gar wenig neues kommt unter meine Hand ich müßte Ihnen denn die Predigt unseres wackern Rektor Danz 2) beilegen,

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1) Ueber das Verhältniß der bildenden Künste zur Natur. Fest= rede, gehalten am Namenstage des Königs Marimilian, 12. Det. 1807. 2) Der Kirchenhistoriker Joh. Traugott Leberecht D., Professor der Theologie in Jena († im Ruhestand 1851).

die er am 14. Oct. gehalten hat, und die nicht schlecht ist. Aber Ihren Geschmack für Predigten habe ich noch nicht sonderlich erkannt. Lieber möchten Sie politische Neuigkeiten; aber diese find beinahe so selten bei uns, wie die guten Predigten.

Was in Spanien, was jest in England vorgeht, werden Sie uns besser benachrichtigen können, als ich es Ihnen schreiben kan. Unser Erbprinz, der vor kurzem dem Kaiser Napoleon seine Aufwartung in Paris machen wollte, hat erst in Mainz erfahren, daß solcher schon nach Italien abgereist sei. An dem Tage seiner Rückkunft kam Prinz Wilhelm von Preussen in Weimar an, der auch nach Paris wollte. Dieser ist nun nach Homburg abgegangen.

Göthe ist seit 14 Tagen hier, und ich sehe ihn öfters. Auch Seebeck ist oft mit uns.

Daß der Prof. Oken 1) hier angekommen ist, und Vorlesungen hält, auch ein Programm über die Schädelknochen herausgegeben hat, werden Sie aus literarischen Nachrichten wissen. Sonst steht unser akademischer Himmel noch immer unter dem Solstitium.

Ob die Tage ab oder zunehmen werden, weiß man nicht, auch läßt sich aus dem thierischen Kreise der Zeichen nicht viel deuten.

Grüßen Sie Hrn Paulus aufs beste. Wie sehr wünschen wir andern Sie wieder bei uns! Die Meinigen empfelen sich herzlichst. Wir denken oft mit Verlangen und Vergnügen an Sie.

K.

1) Lorenz Oken, 1807 als a.o. Professor in Jena angestellt, war vorher Privatdocent in Göttingen.

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