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Sünde.

Sobald ein Schlechter seine Hand an diesen Becher legt, so hat dieser seine Kraft verloren.

Huon v. 3668: Nus n'i puet boire s'il n'est preudom par Dé,
Et nes et purs et sans pecié mortel.

Lues ke mauvais i veut sa main jeter,

A il perdu du hanap le bonté.

Daher kann kein Heide daraus trinken; und selbst, als Karl der Grosse dies versucht, verschwindet der Wein, weil der alte Kaiser noch eine schwere Sünde auf dem Gewissen hat, die er noch keinem Priester gebeichtet hat (Huon v. 10,214 ff.).

Diese Eigenschaft des Bechers erinnert offenbar an den heiligen Graal, der ja den Inhalt eines ganzen Sagenkreises jener Zeit bildete und zu dem auch nur Ritter, die durchaus rein und ohne Sünde waren, gelangen konnten *). Dieser Zug war offenbar dem Dichter aus den Sagen seines Zeitalters geläufig, und er nahm ihn in sein Gedicht auf.

Ferner erhält Huon von Oberon ein Elfenbeinhorn, dessen Ton verschiedene übernatürliche Kräfte hat. Oberon vernimmt diesen Ton, auch wenn er noch so weit von ihm erklingt, auf seinem Schlosse Monmur und kommt dem Blasenden mit 100,000 Mann zu Hülfe.

Huon v. 3713: Tu ne seras en tant lointain rené

Que se tu cornes ce cor d'ivoire cler

Que jou ne l'oie à Monmur ma cité;
Et si te jur, desour ma loianté,

Que jou mes cors i serai aprestés,

En me compaigne .Cm. hommes armés.

Viel wichtiger aber ist eine andere Eigenschaft des Hornes: es verbreitet Freude und Lustigkeit, wenn es geblasen wird, und bei seinem Klange fangen die Menschen an zu singen und

zu tanzen.

Huon v. 3822: Il prent le cor, se tenti et sonna:

Si vieus Geriaumes au son del cor canta,
Et tout li autre, cascuns joie mena.

v. 4486: Au son del cor commencent à canter,
Cil du palais commencent à baler.

*) Vgl. Lang, Die Sage vom heiligen Grab, bes. p. 287, 305.

Zu dem ersten der angeführten Züge, dass durch den Ton des Horns Oberon mit 100,000 Mann herbeigerufen wird, findet sich in der deutschen Heldensage ein Analogon in dem Horne des Zwerges Laurin, durch dessen Ton derselbe in die Schlacht gegen Dietrich vier Riesen und 12,000 Zwerge zur Hülfe herbeiruft. In der zweiten Eigenschaft des Elfenbeinhornes aber, dass es Alle, die seinen Ton vernehmen, zum Singen und Tanzen zwingt, haben wir ganz unverkennbar eine alte mythologische Vorstellung vor uns. Alle Elben haben einen unwiderstehlichen Hang zu Musik und Tanz. Sie bringen ganze Nächte im Mondenschein mit Tanzen zu, und am andern Morgen erkennt man an den ins thauige Gras getretenen Kreisen die Spuren ihrer Reigen. Verbunden mit der Liebe zum Tanz ist die Liebe zur Musik. Wo die Elfen ein Fest feiern, da bringen sie auch die Musik mit. Ihre Gesänge und Tänze übten eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Zuhörer und Zuschauer aus; dieselben wurden wider ihren Willen in den Reigen hineingezogen und mussten mittanzen, bis sie todt hinfielen.

Huon macht die Bekanntschaft Oberon's am Anfange seiner Fahrt, die er nicht wieder unterbricht; Ortnit jedoch kommt mit Alberich lange vor Beginn seines Unternehmens zusammen, kehrt nach der Begegnung wieder nach seinem Schlosse Garda zurück und bleibt daselbst bis das Jahr um war" (str. 214), ehe er seine Fahrt unternimmt.

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Alberich steht in einem nahen Verwandtschaftsverhältnisse zu Ortnit, denn er ist sein Vater.

Ortn. str. 164: swie grôz ab ir iuch dunket, so sît ir doch mîn kint.

Diese Beziehung Alberich's zu Ortnit ist jüngeren Datums. Wie Müllenhoff an der oben angeführten Stelle ausführt, zeigt die spätere Sage mehrfach die Neigung, den Helden eine elbische Abkunft zu geben. Vielleicht ist die Geschichte der Zeugung Ortnit's, wie Gervinus (Gesch. d. deutsch. Dicht. II4, 79) vermuthet, der Sage von Alexander und dem Zauberer Nectanebus (sowie auch im Hugdietrich die Geschichte des Achill und der Deidamia) nachgeahmt. Einige Aehnlichkeit mit derselben zeigt die fränkische Sage von der Entstehung des Merovingergeschlechts. „Als Clodio, Faramund's Sohn, mit der Königin

am Gestade sass, um sich von der Sommerschwüle zu kühlen, stieg ein Ungeheuer aus den Wogen, ergriff und überwältigte die badende Königin. Sie gebar darauf einen Sohn, seltsamen Ansehens, wesshalb er Merovig, und seine Nachkommen Merovinger hiessen.*) Dass die Elfen sich mit den Menschen verbinden, ist übrigens ein alter Zug in ihrem Wesen und nicht nur in nordischen, sondern auch in deutschen Sagen erhalten; so theilt Signild mit dem Zwerg Laurin den Thron in dem unterirdischen Reich **). - Von einer verwandtschaftlichen Beziehung Oberon's zu Huon findet sich keine Spur, denn die manchmal von ersterem gegen letzteren gebrauchte Anrede: biaus frère! kann nicht als Verwandtschaftsbezeichnung aufgefasst werden, sondern ist lediglich der Ausdruck freundlicher Gesinnung.

Das persönliche Verhältniss Alberich's zu Ortnit ist von dem Oberon's zu Huon ganz verschieden; Ortnit ist viel abhängiger von Alberich als Huon von Oberon. In jedem einzelnen Fall zieht er ihn zu Rathe und handelt dann auch genau nach demselben; Huon dagegen handelt sehr häufig gegen Oberon's ausdrücklichen Willen. Er wird zwar manchmal eingeschüchtert und verspricht dann zu gehorchen, z. B.

Huon v. 4542: Dites, biau sire, çou qui vous vient à gré,
Et je ferai toute vo volenté,

an.

aber bald darauf kündigt er ihm wieder offenen Ungehorsam Er geht gegen Oberon's ausdrücklichen Befehl nach Tormont zu Macaire und nach Schloss Dunostre zum Riesen Orgueilleux. Oberon hat ihm verboten zu lügen, aber dennoch thut er es; theils ohne jeden ersichtlichen Grund (v. 5427-30), theils aus kindischem Trotz gegen Oberon wegen dessen Ungnade, die er sich selbst zugezogen hat (v. 7206-10). - Oberon hat ihm aufs Strengste verboten, die Esclarmonde als sein Weib zu betrachten, bevor sie getauft sei; er hat es auch versprochen, aber trotzdem bricht er sein Versprechen aus reiner Willkür und ohne auf die Abmahnungen und Bitten des treuen alten Jérôme zu hören (v. 6776-85). Ortnit's Verhältniss zu Alberich ist viel pietätvoller; er befolgt immer dessen Rath

*) Grimm, Myth. I, 364.

**) Br. Grimm, Ir. Elfenm., Vorr., p. 97.

schläge und hält gewissenhaft sein gegebenes Versprechen. Alberich hat ihm ebenfalls befohlen, die heidnische Jungfrau nicht eher zum Weibe zu nehmen, als bis sie getauft sei; er kommt auch dem Befehl nach und lässt die Jungfrau vorher durch seinen Oheim Yljas und Alberich selbst taufen. Ortn. str. 481: Albrich und der Riuze touften im die künigîn.

Beide Helden werden von dem Elfenkönige bei ihren Unternehmungen unterstützt; aber die Art dieser Unterstützung ist eine grundverschiedene. Die Hülfe, die Oberon seinem Schützling Huon leistet, macht er sich im Allgemeinen ziemlich bequem. Er lässt Huon ausziehen, die Abenteuer aufzusuchen; wenn dann die oft leichtsinnig heraufbeschworene Gefahr am grössten und keine andere Hülfe mehr möglich ist, bläst Huon das magische Horn, sofort erscheint Oberon an der Spitze der bekannten 100,000 Mann, lässt Alles niedermachen, was sich dem Huon widersetzt, und geht dann wieder ab, nicht ohne seinem Schützling noch einige gute Lehren gegeben zu haben, die dieser gewöhnlich nicht befolgt. Auf dieselbe übernatürliche Weise wird am Schlusse des Gedichts der Knoten nicht sowohl gelöst als durchhauen.

Die Hülfe, welche Alberich seinem Sohne Ortnit leistet, hält sich zunächst, wenn sie auch dem elbischen Charakter Alberich's gemäss nicht ohne Beimischung von etwas Wunderbarem und Uebernatürlichem ist, doch mehr in natürlichen Grenzen; sie zeigt sich aber vor Allem viel ununterbrochener und beharrlicher. Als Ortnit's Schiffe in Sicht der feindlichen Hafenstadt Suders kommen, beginnt die Thätigkeit Alberich's und hört bis zum Schluss der Fahrt nicht wieder auf. Er räth ihm die Lüge, auf die hin sie in den feindlichen Hafen eingelassen werden:

Ortn. str. 243: swer dich der maere frâge wanne die kiele gân, sô sprich, du gerst geleites, du sist ein koufman.

er geht als Herold Ortnit's nach Muntabûr, um dem heidnischen König Fehde anzusagen (str. 264-282); er entführt den Heiden die Barken, auf denen Ortnit's Leute ans Land gelangen (str. 289-294). Bei den nun folgenden Kämpfen verhält er sich im Gegensatz zu Oberon ganz passiv; höchstens dass er die

Ermordung der wehrlosen Frauen verhindert (str. 330-340). Sobald es aber einen listigen Streich auszuführen giebt, wozu einige übernatürliche Kräfte gehören, so ist er seiner elbischen Natur gemäss sofort wieder am Platze. Er führt Ortnit's Heer von Suders nach Muntabûr (str. 354-361); er steigt auf die Mauern von Montabûr und zerstört die Vertheidigungsmittel der Heiden (str. 367-369); er wirbt bei der heidnischen Königstochter für Ortnit und gewinnt ihre Zusage unter der Bedingung, dass ihres Vaters Leben geschont werde (str. 389-413). Ja noch mehr: er entführt sogar selbst das Mädchen und bringt sie dem Ortnit, der, von den Anstrengungen des Kampfes ermüdet, eingeschlafen ist (str. 423-439); und als der alte Heidenkönig mit Heeresmacht Ortnit verfolgt, um ihm seine Tochter wieder abzujagen, und Ortnit, der allein dem ganzen Haufen widerstehen muss, schon vor Ermattung fast bezwungen ist, da holt ihm Alberich seine Freunde zu Hülfe, die ihn vom sicheren Tode erretten (str. 456, 462 ff.). Er beschliesst seine Thätigkeit damit, dass er zusammen mit Ortnit's Oheim Yljas die heidnische Jungfrau tauft, damit Ortnit sie zum Weibe nehmen kann (str. 481). Damit schliesst Alberich's Thätigkeit ab; er tritt allerdings noch einmal auf, aber nur, um Ortnit vom Kampfe mit dem Drachen abzurathen (str. 555 ff.); er hilft ihm auch dabei nicht, sondern lässt ihn in den Tod gehen.

In wie weit die Figuren Alberich's und Oberon's an sich, abgesehen von den Beziehungen zu ihren Schützlingen, verschieden gezeichnet sind, ist schon oben, bei der genaueren Betrachtung und Vergleichung der beiden Gestalten, ausführlich dargelegt und der Grund der Verschiedenheiten nachgewiesen worden.

Hier mögen noch einige Züge ihren Platz finden, die dem deutschen Alberich allein beigelegt sind, während sie dem Oberon des französischen Gedichtes nicht zukommen, und welche beweisen, dass der Elfenkönig des deutschen Gedichtes in viel engerer Beziehung zu der alten sagenmässigen Figur Alberich's steht, als der Oberon des französischen Gedichtes. Die Elfen necken gerne, höhnen und verspotten die Menschen, ohne ihnen eigentlichen Schaden damit thun zu wollen, und eine gewisse Gutmüthigkeit bricht neben dieser Neigung hervor. Der Haus

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