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deutschen Sage überein. Das Nibelungenlied nennt Alberich ebenfalls als einen Zwerg im Dienste der Könige Schilbung und Niblung, dem Siegfried die Tarnkappe abgewinnt. Nib. 98 (Lachmann):

Don kund im niht gestriten daz starke getwerc.

Alle Elben, also auch der König derselben, werden klein und winzig gedacht; der Alb steht eben so weit unter der menschlichen Grösse, wie der Riese über derselben *). Ihre Grösse selbst wird verschieden bestimmt; bald erreichen sie das Wachsthum eines vierjährigen Kindes, bald erscheinen sie weit kleiner, nach Spannen oder Daumen gemessen. Die Wasserelfen, von den Dänen Nokkes genannt, lassen sich oft in Gestalt kleiner Kinder mit langem goldenen Haar sehen. Der Zwerg Laurin in einer Legende der Dietrichs-Sage wird von Dietrich und seinen Gefährten für den Engel Gabriel gehalten; wobei Grimm erinnert, dass es im Mittelalter, wie jetzt noch immer, stehender Gebrauch ist, die Engel unter der Gestalt kleiner Kinder vorzustellen **).

Ferner besitzen in unseren Gedichten Alberich sowohl wie Oberon eine wunderbare Schönheit. Oberon ist schöner als die Sonne im Sommer":

Huon v. 3219: Aussi biaus fu con solaus en esté.

v. 3412: Ainc ne vi homme de si grande biauté.
Dix! comme est biaus, qui l'a bien regardé!
Dix ne fist homme de si grande biauté.

v. 10,188: Sainte Marie, com il a grant biauté! u. ö.

Auch Alberich besitzt eine grosse „Kindesschönheit": Ortn. str. 95: durch din kindes schoene tar ich dir niht getuon. str. 97 in dûhte harte schoene daz kint und ouch sîn dach. str. 98: er sprach 'dîn groziu schoene und dîn wât ist also guot.

Die

Diese Schönheit der Elfenkönige weist darauf hin, dass wir uns unter denselben Lichtelbe vorzustellen haben. deutsche Mythologie unterscheidet Lichtelbe, Dunkelelbe und

*) Dies und alles übrige Mythologische nach Grimm, deutsche Mythologie 13, 408 ff. J. W. Wolf, Beiträge zur deutschen Mythologie II, 228 ff. Brüder Grimm, Irische Elfenmärchen (Einleitung). - Wilh. Müller, Geschichte und System der altd. Religion, p. 315 ff. **) Graf, a. a. O., prefazione, p. XIX.

Schwarzelbe. Die Lichtelbe sind leuchtend wie die Sonne, sie sind wohlgebildet und ebenmässig, strahlen von zierlicher Schönheit und tragen leuchtendes Gewand. Die liosâlfar in der Edda werden als sehr schön und glänzender wie die Sonne dargestellt; das ags. älfsciene, schön wie Elbe, leuchtend wie Engel, drückt den Gipfel weiblicher Schönheit aus. Dazu stimmt auch, dass die Elfenkönige in unseren beiden Gedichten prächtig gekleidet erscheinen, in seidene Kleider mit Gold und Edelsteinen reich verziert, z. B.:

Huon v. 3220: Et fu vestus d'un paile gironné

A .XXX. bendes de fin or esmeré;

A fiex de soie ot laciés les costés.

Ortn. str. 93: ez truoc an sinen libe die allerbesten wât. str. 94: mit edelem gesteine was gezieret sîn gewant.

str. 97: von golde und ouch von siden was sîn gewaete gar. Also auch dieser beiden Gedichten gemeinsame Zug geht auf eine alte mythologische Grundlage zurück.

Die oben erwähnten Dunkelelbe sind identisch mit den Zwergen, und der spätere Volksglaube veränderte und verwirrte diese Begriffe. So wird schon in unseren Gedichten der Elfenkönig nicht anders als „getwerc“ und „nain" genannt. Diese Dunkelelbe oder Zwerge waren von schwarzer Farbe, hatten einen übelgebauten Leib und einen Höcker und waren mit grober Tracht angethan. Aus einer solchen Vermischung von Zügen, die ursprünglich verschiedenen Wesen angehörten, erklärt sich auch vielleicht ein sehr auffälliger Zug in der Charakteristik Oberon's im Huon de Bordeaux. Derselbe ist seiner ganzen Erscheinung nach, wie oben dargethan, ein Lichtelbe, trotzdem erscheint er aber buckelig:

Huon v. 3502: Que jou seroie petis nains bocerés.

v. 3254: Et dist Geriaumes: ,,C'est li nains boceré.

v. 3258: Atant es vous le petit boceré.

Diese Erscheinung ist wohl nicht anders zu erklären, als dass die Lichtelbe im späteren Volksglauben wegen ihrer kleinen Gestalt mit den Zwergen identificirt wurden und dass dabei Züge der letzteren auf die ersteren übergingen *).

*) Vgl. Br. Grimm, Irische Elfenm., Einleitung, p. 70.

Archiv f. n. Sprachen. LX.

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Trotz ihrer kleinen Gestalt und ihres jugendlichen Aussehens haben beide Elfenkönige ein sehr hohes Alter. Oberon wurde eher geboren als Christus; er ist der Sohn Julius Caesar's und einer Fee Morgue, also über tausend Jahre alt.

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Nasqui ançois que Jhesu Cris fust nés.

v. 3492: Jules Cesar me nori bien soué;
Morgue li fée, qui tant ot de biauté,
Que fu ma mere . . .

...

Alberich sagt selbst, dass er auf seinem Halse mehr denn 500 Jahre habe.

Ortn. str. 241: swie kleine ich dich dunke, du geloube mir für wâr, ich hân ûf mînem halse mêr dan fünf hundert jâr.

Dieser Zug scheint nun mit der deutschen mythologischen Ueberlieferung in Widerspruch zu stehen, denn danach waren die Zwerge im dritten Jahre ihres Lebens ausgewachsen, im siebenten waren sie alt und starben. Aber Grimm unterlässt nicht, ausdrücklich anzumerken, dass ihm dieser Zug nicht recht deutsch scheine; denn je mehr die Zwerge elbisch gedacht sind, desto mehr wird ihnen, gleich den griechischen Oreaden, ein halbgöttliches hohes Alter beigelegt. Der schon erwähnte Zwerg Laurin in der Dietrichs-Sage ist über 400 Jahre alt. Wie wir dies im Folgenden noch öfter sehen werden, hat sich auch hier der deutsche Dichter des Ortnit an die alte Ueberlieferung gehalten, indem er seinem Alberich ein hohes Alter von mehr als 500 Jahren" zuschrieb; er unterlässt es aber, dies noch durch Schöpfungen eigener Phantasie willkürlich auszuführen. Nicht so der französische Dichter. Er lässt vielmehr, wie wir im Verlauf der Untersuchung noch öfter sehen werden, seiner Einbildungskraft die Zügel schiessen und malt die überlieferte Sage weiter aus, entweder aus reiner Lust am Fabuliren, wenigstens ohne ersichtlichen Grund, oder um in einzelnen Fällen damit ganz bestimmte Zwecke zu erreichen, wovon weiter unten die Rede sein wird. So ist auch sein Oberon nicht nur über tausend Jahre alt, sondern das Sterben ist überhaupt in sein Belieben gestellt. Wenn es ihm nicht mehr

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gefällt, in seinem Feenreiche zu bleiben, so geht er ins Paradies und setzt sich zur Rechten Gottes, wie es ihm bestimmt ist.

Huon v.

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10,453: Je ne veul plus au siecle demorer,
Là sus m'en veul em paradis aler,

Car nostre Sires le m'a certes mandé,
Et je ferai la soie volenté.

Mes sieges est à son destre costé;

En faerie ne veul plus arester.

Ferner findet sich hier, bei der Altersangabe des Elfenkönigs, noch eine charakteristische Verschiedenheit zwischen dem deutschen und dem französischen Gedichte. Im Ortnit ist die Geburt und Herkunft Alberich's gar nicht berührt. Die Herkunft der Zwerge ist schon in der alten mythologischen Ueberlieferung unsicher; einer Nachricht zufolge sollen sie in des Urriesen Fleisch als Gewürm entsprungen und dann von den Göttern mit Verstand und menschlicher Gestalt begabt worden sein; doch die ältere Meldung lässt sie aus eines anderen Riesen Brîmir Fleisch und Knochen erschaffen werden. Alles dies gilt nur von den schwarzen Elben und ist nicht auf die lichten Elben auszudehnen, über deren Ursprung also Nichts erhellt. Diese ursprünglichen, schon zu Anfang unsicheren Vorstellungen über die Entstehung der Elben und Zwerge waren zu des Dichters Zeit nicht mehr in der Volksüberlieferung lebendig; die Herkunft jener übermenschlichen Wesen war in ein geheimnissvolles Dunkel gehüllt, und der Verfasser des Ortnit hütete sich wohl, in die Lücken der ächten Ueberlieferung willkürliche Erfindungen seiner eigenen Phantasie einzuschieben. Der französische Dichter gestattete sich auch hier freieren Spielraum, und zwar im vorliegenden Falle mit bestimmter Absicht. Er macht den Oberon zum Sohne Caesar's und der Morgana, der Schwester des Artus, und macht ihn dadurch zum Verbindungsglied zwischen dem carolingischen und dem bretonischen Cyclus; ferner macht er ihn zum Verbindungsglied zwischen diesen beiden Cyclen und dem des Alterthums, dessen Hauptfigur Julius Caesar ist. So ist der kleine Oberon gewissermassen der Angelpunkt der drei grossen Strömungen der epischen Poesie im Mittelalter; aus ihm entspringen und in ihm verschmelzen sich die trois materes de France, de Bretagne et

de Rome la grant *). Diese Geschichte der Abstammung Oberon's wurde auch von anderen Dichtern je nach Laune oder Bedürfniss willkürlich umgestaltet. In den Prosaromanen von Ogier le Danois ist Oberon Bruder der Morgana und trägt mit seinen magischen Künsten dazu bei, Ogier und Artus im verzauberten Schlosse zu Avallon zu unterhalten.

(Vgl. Grässe, Die grossen Sagenkreise des Mittelalters, p. 435. Dunlop, History of fiction I, 287 [1842]. In der Uebersetzung von F. Liebrecht [1851] p. 141.)

In einigen der aus dem Huon de Bordeaux abgeleiteten Prosaromane ist Oberon der Sohn der Herrin der Insel Nascosta oder der Insel Cephalonia, welche Dame, eine Fee wie Morgana, den Caesar eines Tages, wie Calypso den Ulysses, bei sich empfangen hatte, zu der Zeit als Caesar nach Thessalien ging, um den Pompejus zu bekämpfen **).

Die Fee Morgue, Oberon's Mutter, lässt sich in der deutschen und romanischen Sage nicht nur ihrem Wesen nach, sondern sogar bis auf den Namen nachweisen. Die Fata Morgana ist, wie schon erwähnt, eine Schwester des Königs Artus. Sie war den Vorstellungen des Mittelalters überhaupt geläufig und kommt auch anderwärts vor. Bei Olger's Geburt erscheinen sechs weise Frauen und begaben; die letzte heisst Morgue ***). Diese eine Fee Morgue ist in dem Gedicht von Huon de Bordeaux nur ausführlicher aus den allgemeinen Vorstellungen von den Feen herausgehoben, und diese letzteren selbst fehlen keineswegs. Bei Oberon's Geburt erscheinen vier Feen, die ihm die wunderbaren Gaben verleihen, die er besitzt†). Gleich die erste davon, die über irgend etwas erzürnt ist (une en i ot qui n'ot mie son gré), giebt ihm aber auch eine schlimme Gabe: die Gestalt eines buckligen Zwerges. Als sie ihn aber so zugerichtet hat, thut es ihr leid, und sie giebt ihm als Entschädigung, dass er der schönste aller Menschen sein soll, schöner ,wie die Sonne im Sommer". Die zweite Fee verleiht ihm die Fähigkeit, die geheimsten Gedanken der Menschen zu erkennen und zu durchschauen. Die dritte beschenkt ihn mit wunder

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