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5... thou whose will (Liebesverlangen) is large and spacious 7. Shall will in others seem right gracious,

And in my will no fair acceptance shine?

und aus CXXXVI:

7. In things of great receipt (ihr Herz).

Among a number one is reckoned none.

Beide Gedichte enthalten eine Bitte um Liebesgewähr, bei welcher Gelegenheit der Dichter es nicht verschmäht, seine Geschicklichkeit in der Concetti- und Wortspielkunst zu entfalten an einem Pun auf seinen abgekürzten Vornamen „Will" und „, will" in seinen verschiedenen Bedeutungen. Die unlogischspitzfindige und höchst ermüdende Art, auf welche dieses Wortspiel zwei Sonette hindurch und im eigentlichsten Sinne des Wortes zu Tode gehetzt wird, erinnert an die schlimmsten Leistungen der zeitgenössischen Lyriker.

Zur Orientirung sei hier ein kurzer Excurs auf die poetische Modethorheit jener Zeit gestattet.

Die italienisirende oder künstliche Richtung der englischen Lyrik

unterscheidet sich von jener natürlichen, frisch und unaufhaltsam aus dem Herzen quellenden Lyrik im Allgemeinen durch ein Haschen nach gewissen werthlosen formalen Aeusserlichkeiten, die mit der Poesie als solcher in keinem inneren Zusammenhange stehen, die an sich ebenso unschön als poetisch zwecklos sind, und die denn auch nie verfehlen werden, auf das geläuterte ästhetische Bewusstsein unserer Zeit einen abstossenden, ja verletzenden Eindruck zu machen.

Im Einzelnen sind es besonders drei Merkmale, welche diese Richtung kennzeichnen. Zunächst ist es die seltsame Art der Bilder und Vergleiche, die das gerade Gegentheil von derjenigen Wirkung hervorbringen, für welche dieses wichtige dichterische Material ausersehen ist: sie sind nicht treffend und anschaulich, stimmungsvoll und schön, sie strömen nicht wie von selbst mit einer gewissen Naturnothwendigkeit aus dem Herzen des Dichters: sie machen im Gegentheil häufig den Eindruck, als hätten die Dichter sich Mühe gegeben, das Fernst

liegende, Seltsamste, Unähnlichste, Hässlichste aufzufinden, mit einem Wort einen möglichst unglücklichen Vergleich zu machen, wenn er nur neu und ungewöhnlich war. Auf dem Wege zu diesem sonderbaren Ziele fanden die Dichter natürlich die Hyperbel, die, so wirkungsvoll sie an der rechten Stelle verwandt werden kann, für gewöhnlich gebraucht, schwülstig und inhaltlos ist. Es blieb ferner bei diesem eiteln Streben das Bild nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern wurde selbst Zweck; die Vergleiche wurden in verwirrender und verdunkelnder Weise gehäuft oder erweiterten sich, in Reminiscenz an die alte allegorische Dichtung, zur Allegorie. So lesen wir denn eine Menge von Sonetten, bei denen der Dichter keine andere nachweisliche Absicht gehabt haben kann, als einen Vergleich, vor dessen Ungeheuerlichkeit wir einen gelinden Schauder empfinden, bis in die kleinsten Einzelheiten mit unerträglicher Pedanterie und Gewaltsamkeit der gequälten Phantasie seines Lesers aufzuzwingen.

Mit derselben seltenen, aber ungeniessbaren Kost, wie die Phantasie, soll denn auch der Verstand regalirt werden. Dazu dienen die Concetti: neue, überraschende, unerhörte sophistische Schlussfolgerungen, die das Widersprechendste zusammenreimen, das logisch Undenkbarste plausibel machen wollen, und als deren erhabenstes Ziel man den Beweis hinstellen kann, dass Schwarz Weiss ist. Wir haben gerade von dieser letzteren exquisitesten Art in dem folgenden Sonette ein traurig glänzendes Beispiel, während in dem ersten Sonette Trugschlüsse zarterer und graziöserer Art uns geboten wurden.

Das dritte Kennzeichen zugleich das gewöhnlichste Material, mit dem die Concetti arbeiten ist das Wortspiel, das auf der Verwechselung verschiedener Worte von gleichem Klange oder der verschiedenen Bedeutungen eines Wortes beruht. Hiervon gewährt wieder das folgende Sonett eine der künstlichsten Proben.

Je nach der grösseren oder geringeren Begabung der einzelnen Dichter richtet sich nun der Grad der Discretion, mit der diese Formalien angewandt werden. Vollständig frei von dieser Zeitkrankheit ist Keiner. Die Dichterlinge sehen hierin das Wesen der lyrischen Poesie, und die wirklichen Dichter

verschmähen es nicht, die schöne Natur ihrer Empfindungen durch diese abscheuliche Tracht zu entstellen.

Drayton, dessen „Ideas" nun schon recht lange vergessen sind trotz des Nachruhmes, den er sich darin so häufig selbst verspricht, hat ein Viertel von seinen 63 Sonetten mit diesen italienischen Formalien erfüllt *), während vielleicht nur ein Drittel auf einen gewissen d. h. nicht allzugrossen poetischen Werth Anspruch zu machen hat. Bei Surrey, einem hübschen poetischen Talent, ist mir unter seinen 16 Sonetten nur Eines aufgefallen, das ganz in dieser Manier geschrieben ist**). Sidney, ein Dichter von Gottes Gnaden und gewiss Derjenige von den englischen Sonettisten, der Shakspere in Bezug auf poetischen Gehalt am Nächsten steht, hat eine entschiedene Vorliebe für diese Form gehegt: er hat sie fast bei einem Viertel seiner c. 125 Sonette durchgeführt ***). Indessen unterscheiden sich diese Sonette denn doch sehr von denen Drayton's. Der wahre Dichter zeigt sich eben unter jeder Verhüllung, und wenn auch ein Theil derselben den Eindruck wirklicher Spielereien macht, so sind doch andere wieder aus einem tiefen Herzensbedürfnisse entstanden. Das 98. Sonett möchte ich trotz des italienischen Tones als Eines der schönsten der ganzen Sammlung bezeichnen. — Spenser hat ebenfalls in den verhältnissmässig nicht wenigen Sonetten dieser Art†) mehrere werthvolle, besonders das 40.

Man muss eben annehmen, dass diese Form den Dichtern jener Zeit so in Fleisch und Blut übergegangen war, so wenig unnatürlich erschien, dass sie auch tiefe poetische Empfindungen

*) Drayton, Works (London 1748). Ideas. S. 2. 4. 5. 7. 11. 14. 16. 23. 26. 29. 30. 33. 38. 40. 56. 63.

**) Surrey, Works ed. by Geo. Fr. Nott. (Lond. 1815), pg. 16. Es ist selbstverständlich nur von solchen Sonetten die Rede, in denen die bezeichneten Formalien hervorragend zur Geltung kommen.

***) Sidney, Works, ed. by Al. B. Grosart (London 1873). Vol. I: Astrophel and Stella, S. 2. 4. 8. 9. 10. 11. 12. 17. 20. 25. 29. 36. 43. 46. 49. 55. 56. 57. 65. 76. 78. 85. 88. 95. 96. 97. 98. 101. 102. 104. 108; Sidera, 2. 3. (Die fett gedruckten Zahlen bezeichnen die poetisch nicht werthlosen Sonette.)

†) Spenser, Works, first American Ed. Bost. (1839). Vol. V: Amoretti (88 S.), 2. 10. 11. 16. 22. 30. 37. 40. 47. 53. 55. 56. 57. 63. 67. 77.

ohne Bedenken in ihr zum Ausdruck brachten. Um so bewundernswerther ist Shakspere, der nur in wenigen, vorzugsweise jugendlichen Sonetten sich dieser Modethorheit hingegeben, später aber sich darüber erhoben und sie in mehreren Sonetten, wie an verschiedenen Stellen seiner Dramen, verspottet hat.*) —

Bei Petrarca finden wir nicht wenige Sonette dieser Art, die den späteren Concettisten als Vorbilder gedient haben **). Michelangelo ist nie in dieser Form aufgegangen: er hat sich in jedem seiner herrlichen Sonette bemüht, sein grosses, wahres Herz zu zeigen, immer er selbst zu sein. Er ist der einzige Sonettdichter, der überhaupt in Gefühlstiefe und Gedankenmacht mit Shakspere verglichen werden darf.

Kehren wir nun zu den vorliegenden Sonetten zurück, so machen diese allerdings den Eindruck, als ob es sich für Shakspere um die bestmögliche Lösung einer gestellten Aufgabe gehandelt hätte; als wäre ein Wett - Silbenstechen ausgeschrieben worden, in dem er durchaus den Preis zu erringen suchte und gewiss auch errungen hat. Man muss gestehen, er hat hier Herodes überherodisirt."

Es ist das Missliche dieser Art von Poesie, dass sie bei ihrer inneren Werthlosigkeit nichts weniger als leicht verständlich ist. Wir sind gezwungen, unser ganzes Combinationsvermögen aufzubieten, um den Sinn, welchen der Dichter in die Worte hat hineinlegen wollen, in seiner ganzen Vieldeutigkeit zu erfassen; und haben wir endlich alle Räthsel gelöst, so haben wir doch nur ebenso viele Abgeschmacktheiten gefunden. Ich lasse die sinngemässe Uebersetzung der beiden Sonette folgen, zumal da weder Delius noch das Shakspere - Lexicon eine Erklärung im Einzelnen bieten.

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(CXXXV, 1.) Wie irgend einer Frau nur ihre Wünsche erfüllt werden können, so hast du deinen Will',"- Wortspiel zwischen „Willen“ und William" (2) und überreichlich hast du deinen Will': denn ich (thy Will) bin mehr als genug

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*) Sonnet 21. 83. 76. 130. T. G. III, 1, 103. L. L. IV, 3, 74;

V, 2, 50. 406. As Y. III, 5, 8; IV, 1, 94. Tr. Cr. III, 2, 180.

**) Man vergleiche z. B. die folgenden Sonette: (Marsand'sche Anordnung) Th. I, S. 17. 48. 71. 79. 90. 91. 102. 137. 179. Th. II, S. 30. 32. 50.

für dich, da ich dir zu viel, lästig bin, indem ich die Zahl der Gegenstände, auf welche sich dein Liebestrieb (thy will)*) erstreckt, durch meine Person vermehren möchte." — Es ist dem Dichter somit in den ersten vier Versen gelungen zu beweisen: dass seine Geliebte, obgleich ihr seine Bewerbungen sehr lästig sind, doch allen Grund hat, damit zufrieden zu sein, da gerade durch die Lästigkeit seiner Bewerbungen ihre Wünsche überreichlich erfüllt sind. Man muss gestehen, Drayton hat auf diesem Felde nicht mehr geleistet, selbst mit Einschluss des 26. Sonetts, in dem er klar zu machen sucht, dass seine Hoffnung nur durch seine Verzweiflung aufrecht erhalten wird. **)

(5) „Willst du, deren Liebestrieb so gross und umfassend ist, nicht meinen (my will) in den deinigen aufnehmen d. h. ihn befriedigen?“ Vielleicht mit obscönem Nebensinn cf.

S. 13 (CLI). (7) „Soll Anderer Liebestrieb begünstigt werden, und dem meinigen keine freundliche Aufnahme zu Theil werden? Das Meer***), ganz Wasser, nimmt doch den Regen auf und vermehrt dadurch seine Wassermasse reichlich†); so nimm du, ganz Begehren (oder reich an dir geweihter Liebe, rich in will), meine einzelne Liebe an und mache dadurch deinen grossen Schatz grösser. Lass deine Unfreundlichkeit nicht aufrichtige Verehrer (fair beseechers eigentlich: aufrichtig Flehende) tödten ††). Sieh' alle deine Neigungen oder alle dir

*) Eine recht häufige Bedeutung von will (s. Sh.-Lex.).
And my life's hope would die but for despair.

**) V. 3.

V. 13. Then, sweet Despair, a while hold up thy head,
Or all my hope for sorrow will be dead.

***) Derselbe Vergleich der Liebe mit dem Meere in Tw. N. I, 1, 11: „O spirit of love!.... thy capacity receiveth as the sea." Ebenso sagt der Herzog von seiner Liebe (ÎI, 4, 103): „mine is all as hungry as the sea, and can digest as much.“

†) 3 H. VI, V, 4, 6 (add water to the sea). Derselbe Gedanke Lu. 650. L. C. 254.

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††) Das Sh.- Lex. scheint mir die richtige Auffassung der Stelle zu geben, indem es das Komma hinter unkind, das Cambridge- und GlobeEdition, Dyce und Delius haben, weglässt. Denn sonst müsste ein unverständlicher Gegensatz zwischen „unkind“ und „fair beseechers" gemacht werden, wobei „unkind" nur einen Sinn haben könnte, wenn es unangenehm, lästig", oder unbegünstigt" hiesse, Bedeutungen, die sich schwer nachweisen lassen werden. Das Bodenstedt'sche „stürmisch oder still" verstehe ich nicht. Ebenso wenig wäre auch „let kill" zu erklären, wenn man es nicht, wie Bodenstedt, mit „sterben“ übersetzen will, und das geht doch wohl nicht an.

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