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7) So war die Landschaft, dieser Siß der Wonne, Wo Müssigang, der Herr der Zaubermacht,

Sein Schloß bewacht,

geschüßet vor der Sonne

Durch alter Bäume blätterreiche Pracht,
Die Tag verkehrt zu einer bunten Nacht.
Er streckte sich in die bequemste Lage,

Der Wicht, den nichts aus seiner Ruhe bracht,
Und hub, zu seiner Laute Schall, die Klage.
Von rauher Arbeit an und von der Menschen Plage.

8) Beständig zogen Pilger zu den Ort,

Die nah gelegne Straßen schnell verließen, Wann, auf den Hügeln wandelnd, sie von dort Die frischen Düfte, die sich hier ergießen, Durch ihre Brust wie Balsam fühlten fließen. Den Zaub'rer hielten ste im Kreis umringt, Und wähnen höchstes Glück schon zu genießen, Wenn seine Hand auf zarten Saiten springt, Und zu verführerischem Schall er also singt:

"

9) Schaut, Pilger dieses Erdenthales, schaut,
Wie Alles ungefäete Freuden findet:
Der Schmetterling, geschmückt wie eine Braut,
Im Mai dem Wintergrabe sich entwindet;
Wer ihn nur anschaut, von dem Glanz erblindet,
Und niemand nimmt's in Frohsinn mit ihm auf,
Nichts giebt's das seine bunten Flügel bindet,

Von Wies' zu Wiese nimmt er seinen Lauf
Und blickt vom Blumenkelch zum heitern Himmel auf."

10) Schaut auch des Frühroths heitern Sängerchor, Wie sorglos er im Waldesgrün sich reget,

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Zehntausend Kehlen sind es! und hervor
Aus blum'gen Dickicht dringt, von Dank beweget
Des Schöpfers Loblied, das erst spät sich leget.
Und muß der Vogel pflügen erst und säen,
Und auf der Tenn' er wohl zu dreschen pfleget?
Das Korn, durch das die lauen Winde wehen,
Es wächst und reift für ihn, er braucht es nicht zu mähen.

11) „Der Mensch allein ist Stieffind der Natur,

Zur Müh' verdammt, den Schweiß im Angesicht,
Sein Herz umlagern bittre Sorgea nur,

Und stets begehrt er mehr, als ihm gebricht,
Verachten lehrt ihn Habsucht jede Pflicht.
Als harter Eigennuß sein Reich begann,
Saß nicht Asträa ferner zu Gericht,

Bestechung galt, Gewalt, was List erfann;

Statt Milch und Honig jezt nur Blut in Strömen rann.

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12) kommt zu mir, die ihr noch den Pfad des Lebens
So mühevoll erflimmt. Gewinn und Ruh

Sind die ersehnten Ziele eures Lebens;
Und jählings rollen ste dem Abgrund zu.
Zerstört für immer ist in einem Nu

Der langen Arbeit Werk. Kommt her, von Sorgen
Verschaff' ich ohne Lohn, vollkommne Ruh.

Genuß erfolgt, statt Mühen und statt Borgen.

Kommt, müde Burschen, kommt! verschiebt es nicht auf morgen!"

13) Bei mir zwingt nichts euch, schon in erster Frühe
An euer läst'ges Tagewerk zu gehn,

Und dem zu schmeicheln, welchem ohne Mühe
Des Glückes Pforten weit geöffnet stehn!

Nicht brauchet ihr um schnöden Lohn zu flehn,

Den ihr durch Schand' erkauft, nicht mahnen, lügen,
Seimlich verlegen, Komplimente drehn,

Nicht vor Gericht und im Senat betrügen,

Nicht in der Nacht im Busch als Straßenräuber liegen.

14) Nicht fümmert hier der Sahnenruf euch mehr,
Den man bei euch von Dorf zu Dorf vernimmt,
Mit zänt'schen Weibern ist hier kein Verkehr,
Ihr Zaudrer wißt, wie ihr Gefeif verstimmt,
Und seid schon oft ob ihres Zorns ergrimmt.
Nicht Kinderlärm und Hämmern hört ihr hier
Noch auch, wenn ihr in süßen Träumen schwimmt,
Des Händlers Ruf, den wecket die Begier
Zum Kauf von alten Kleidern und verbrauchter Zier.

15) Sier herrschet Treu, nachsichtiges Gefallen,
Gutmüth'ges Tändeln, Schlendern auf und ab:
Wer sich genügt, genügt den andern allen,
Er neidet nicht des nächsten Gut und Hab',
Und forget nur, wie selbst er sich erlab'.
Aus süßem Borne strömet Müssiggang

Milchsanftes Blut in's Herz, willkomm'ne Gab',
Befriedigt jeglichen gesell'gen Sang

Und macht uns frei von wilder Leidenschaften Drang.

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Das euphonische Moment der deutschen

Sprache.

Ehe über das euphonische Moment einer Sprache eine Ansicht aufgestellt werden kann, wird zunächst erforderlich sein, für diesen Begriff eine feste Bestimmung zu gewinnen. Wir verstehen darunter den Eindruck, den dieselbe auf den Hörenden macht, insofern dieser Eindruck als angenehm in Hinsicht des Tones empfunden werden kann. Dabei ist nun das rhythmische Element welches auf der Empfindung der abwechselnden Bewegung beruht, gänzlich ausgeschlossen. Auch Becker unterscheidet Wohllaut und Wohlklang, und bezieht leßteren auf den Rhythmus, ersteren auf das bloß Phonetische der Sprache (s. d. Grammatik §. 21 u. 36). Doch müssen wir, um die hier aufzustellende Ansicht zu begründen, ein wenig tiefer in die Natur der Sache eingehen.

Angenehmen Eindruck auf das Gehör können wir eigentlich nur dem musikalischen Tone zuschreiben, d. h. demjenigen, dessen Tongesetz - Höhe und Tiefe sich im Verhältniß zu anderen Tönen bestimmen läßt. Wenn wir also über das euphonische Moment einer Sprache Etwas festsezen wollen, so haben wir es eigentlich nur mit demjenigen Theile derselben zu thun, der eines musikalischen Tongehaltes fähig ist, also mit ihren Selbstlautern. Auf diesen muß es beinahe ganz beruhen; der Einfluß, den die Mitlauter hierauf haben, möchte schwerlich nach sicheren Grundsägen bestimmt werden können. Der Verf. des Auffahes über das euphonische Moment in der englischen Sprache (Archiv 2ter Band, 4tes Heft) scheint von der nämlichen Grundansicht auszugehen, obwohl er sich nicht bestimmt darüber ausspricht.

Hiernächst entsteht also zuvörderst die Frage, ob wir jedem Laute, der als Selbstlauter in irgend einer Sprache erscheint, einen

solchen bestimmten Tongehalt zuschreiben können. Dies müssen wir serneinen, und eben hierin liegt der Unterschied der hellen und getrübten Selbstlauter. Getrübte Selbstlauter nennen wir aber nicht mit Becker (d. Gr. §. 31) diejenigen, die man gewöhnlich Umlaute nennt (s. nachher); sondern nur solche, deren Longehalt sich nicht deutlich bestimmen läßt, Laute, wie sie in mehreren Sprachen, auch wohl in den Mundarten des Deutschen sich finden. Becker sagt an dem angeführten Orte Anm. 3 ebenfalls: „Die hochdeutsche Sprache unterscheidet sich von den Mundarten der Volkssprache besonders dadurch, daß sie jedem Vokal den ihm eigenthümlichen Laut in seiner ganzen Reinheit gibt." Dadurch kommt er unserer Ansicht schon nahe. Doch verfolgt er diesen Gedanken nicht; sondern bezicht dies nur darauf, daß die Mundarten oft die Vokale verwechseln.

Getrübte Selbstlauter sind also, wie gesagt, solche, deren Tonverhältniß gegen andere sich nicht bestimmt feststellen läßt. Klare eder helle sind solche, die gegen die übrigen ein bestimmtes Tonverhältniß haben. Und hier tritt das in der deutschen Hauptsprache bestehende feste Tonverhältniß sogleich hervor. Die deutschen Selbstlauter nämlich bilden nach unserer Ansicht eine musikalische Tonleiter, welche gerade eine Oktave umfaßt. Ihr tiefster Ten ist a; von diesem aus geht sie in folgender Ordnung fort: a, ä, e, i, o, ö, u, ü. Die Mundhöhle und das ganze Innere des Mundes gleicht dabei einer Saite, die sich, den Geseßen des Tones gemäß, von der Tiefe zur Höhe immer mehr verkürzt. Die Bestimmtheit und Klarheit dieses Tonverhältnisses ist auffallend, und eben darin liegt das euphonische Moment unserer Sprache. Keine der übrigen europäischen Sprachen kann sich, unsers Bedünkens, in dieser Hinsicht der unsrigen ganz gleich stellen, es müßte tenn die italienische sein. Die englische mit ihren meist getrübten Vokalen steht dagegen gänzlich zurück, die französische, obwohl schon näher stehend, hat dennoch in ihren Vokalen zu viel Eigenthümliches, um den Vergleich mit der unsrigen auszuhalten *); und um so weniger fann sie dies, da die Franzosen der Jeßtzeit in ihren Vokallauten, wenigstens in dem a, mehr und mehr sich den Engländern anzuschließen suchen und in der Trübung dieses Lautes einen besondern Vorzug der Aussprache zu finden glauben.

*) Man denke nur z. B. an die sogenannten voyelles nasales.

Die Ansicht Beckers scheint mit der unsrigen zu streiten, wenn er drei Hauptselbstlauter annimmt, a, i, u (d. Gramm. §. 31). Allein wenn man flatt u, o annimmt, was wohl eben so richtig sein. möchte, so ist dies vielmehr eine Bestätigung derselben. Wer hört hier nicht den harmonischen Dreiklang ganz deutlich hindurch: Grundten, Terz und Quinte? Auf diesem Unterschiede des euphonischen Momentes beruht nun auch das Sangbare einer Sprache, so wie es selbst aus der größern oder geringern musikalischen Grundanlage eines Volkes hervorzugehen scheint. Am meisten sangbar ist dem Gesagten zufolge diejenige Sprache, welche dies musikalische Element in ihren Selbstlautern am vollkommensten zeigt. Daher ist auch das Englische zum Gesange ungünstig; das Französische weniger, da ihm an und für sich dieses Tonverhältniß nicht ganz fremd ist.

Mit der hier aufgestellten Ansicht hängt noch Verschiedenes zusammen. Erstlich ergibt sich daraus die Wirkung der Assonanz, wie sie nicht bloße Allitteration ist, und die des Reimes, als der euphonischen Gleichstellung. Zweitens erklärt sich auf diesem Wege am deutlichsten, warum die Abwechselung der Selbstlauter in der schönen Rede überhaupt und in der dichterischen Strophe insonderheit für den Wohllaut so nothwendig ist. Sie ist ein Tonwechsel, cine Folge von Tönen, ohne welche in der Rede nichts einer Melodie Aehnliches stattfinden könnte. Vorzüglich aber erläutert sich so der innere Zusammenhang, den der Selbstlauter eines Wurzelwertes mit dem in ihm liegenden Empfindungsmomente hat, woraus denn gleichsam der geistige Charakter des Wortes entsteht. Eine weitere Ausführung dieses lepten Punktes möchte, da die Sache an sich bekannt ist, hier überflüssig sein. Dagegen ist aber noch eine Schwierigkeit zu beseitigen, eine Lautart, welche unserer Ansicht widersprechend oder wenigstens mit derselben unvereinbar zu sein scheint. Wir meinen die Doppellaute (Diphthongen). Welche Stelle können diese in unserer Tonleiter einnehmen? Sind sie als nacheinander oder als miteinander angeschlagene Töne (Akkorde) zu betrachten? Da sie eigentlich nicht als eine Einheit vernommen werden, so müssen wir uns für das Erstere erklären. Bemerkenswerth ist dabei, daß sie stets vom tieferen zum höheren Tone übergehen. So wie ai, au, ei, eu, äu. Auch müssen wir noch bemerken, daß bei dem Gesange, so wie auch bei fast allen mundartischen Abweichungen von der mustergültigen Sprache der Diphthong wieder in einen einfachen Laut überzugehen scheint.

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