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umfassenden Schilderungen, auch die zwei lieblichen, in diesen Abschnitt eingeschalteten Episoden von Celadon und Amelia und von Damon und Musidora, während die übrigen Jahreszeiten nicht mehr als eine Episode der Art enthalten. Der Dichter wollte durch Diese Fortseßung sein Werk der günstigen Aufnahme würdig zeigen, welche der erste Theil desselben gefunden hatte. Denn mit dem Sommer machte er nicht den Beschluß des ganzen Werkes, wie Lessing (am bezeichneten Orte) irrthümlich angiebt, sondern er Heß denselben unmittelbar auf den Winter folgen. *)

Johnson, in seiner im Uebrigen höchst anerkennenden und gerechten Würdigung des Dichters, spricht den Tadel aus, daß es dem Werke an Methode fehle, und Lessing wiederholt denselben indem er sagt, daß man nirgends die Folge und Verbindung der einzelnen Theile dieses Werkes unter einander erkenne. Der aufmerksame Leser aber wird den Dichter von diesem Vorwurfe frei sprechen können, indem er erkennt, daß die verschiedenen Gegenstände der Beschreibung meist in einer sehr natürlichen und gleichsam durch eine innere Nothwendigkeit bedingten Folge, sich an einander reihen. Diese lettere verbirgt sich freilich häufig hinter die eingemischten Betrachtungen und lyrischen Ergüsse; aber die Beschreibung bedarf, um poetisch zu werden, der Betrachtung, d. h. des Ausdrucks des Gedankens, welcher dem beschriebnen Gegenstande gleichsam inwohnt, und durch welchen er zu einem poetischen geworden ist. Dieses ist auch das Urtheil Herders, indem er, bei der Besprechung von Thomsons Jahreszeiten, **) zwar etwas unklar sagt: „mit Empfindung zur Lehre muß eine Gegend geschildert werden, wenn sie als Poesie in die Seele des Hörenden wirken soll."

Wenn Herder an demselben Orte „Thomson, wie unsern Geßner und Kleist einen liebenswürdigen Narren" nennt, so darf man diese Nebeneinanderstellung in Bezug auf das Naturell der genannten Dichter zwar gern zugeben; der Kenner aber muß,

*) Lessing sagt: Die welche (von den übrigen Jahreszeiten) zuerst an's Licht trat, war der Herbst, hierauf folgte der Frühling und dann der Sommer. Er hatte wahrscheinlich nur flüchtig Johnson angesehen, welcher sagt: "Autumn," the season to which the "Spring" and „Summer" are preparatory, still remained unsung and was delayed till Der Sommer erschien he published (1730) his works collected.

1728 und der Frühling im Anfang des Jahres 1729.

**) Ideen zur Geschichte und Kritik ber Poesie und bildenden Künste 48.

was den Kunstwerth ihrer Werke betrifft, nothwendig Einspruch thun gegen eine Gleichstellung von Kleist's Frühling mit Thoms sons Jahreszeiten, da die, in gelähmten, alles rhythmische Gefühl verlegenden Hexametern geschriebenen lprischen Bruchstücke des deutschen Nachahmers zu Thomsons Gedichte sich wie die Arbeit eines Musenlehrlings zu dem Werke cines Meisters verhalten.

Soll nun der Charakter und Werth dieses leßtern in wenigen Worten bezeichnet werden, so darf es ein originelles Werk genannt werden, in welchem eine neue Richtung zur Naturbetrachtung eins geschlagen worden ist, als ein Werk, welches, wenn es auch nicht freizusprechen ist von dem Vorwurfe der Weitschweifigkeit, doch, durch die Wahrheit der in demselben herrschenden Begeisterung, den Leser anzieht, durch die tiefe Auffassung des Gegenstandes seinem Nachdeuken ernsten Stoff darbietet, und durch die dasselbe durchdringende fromme Gesinnung erhebend auf sein Gemüth einwirkt. Solche Eigenschaften müssen dieses Werk den gebildeten Lesern aller Zeiten werth machen. Rechnet man noch hinzu die häufigen Ausdrücke einer lebhaften Vaterlandsliebe, ja eines gerechten Nationalstolzes, zu welchen der Dichter die Gelegenheiten gern benußt, so begreift man leicht den großen Beifall, den er in seinem Vaterlande finden mußtes

Einen größern Werth als auf seine Jahreszeiten septe Thomson selbst auf ein großes Gedicht in fünf Gesängen, die Freiheit betitelt, zu welchem er durch eine im Jahre 1739 unternommene Reise nach Italien begeistert wurde, und in das er ein schon früher verfaßtes Gedicht, Britannia, als vierten Gesang verschmolz. Anders aber als der Dichter urtheilte das Publikum über sein Werk; und wenn man auch nicht mit Johnson, der selbst erklärt, daß er nie mehr als den Anfang desselben gelesen habe, und es doch den Spinnen und dem Staube als Beute anheimgi ebt, in spöttischer Verachtung desselben übereinstimmen kann, so muß man doch zugestchn, daß es außer dem Reize einer sehr gewandten Sprache, mit Ausnahme einzelner ausgezeichneter Stellen, *) nicht viel Anziehendes hat. Die große Leichtigkeit, welche sich der Dichter in der Versifikation erworben hatte, verleitete ihn sichtlich, verschwenderisch mit seinen Versen umzugehn, und selbst auf den Bau derselben nicht mehr die frühere Sorgfalt zu verwens

*) Zu diesen wird der Leser gewiß den Rückzug der Zehntausend unter Xenophon im zweiten Gefang rechnen,

Archiv III.

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den. Die Freiheit erzählt, nach der Einkleidung des Dichters, ihre eigne Geschichte bei den Völkern des Alterthums und bei den Engländern; trägt aber auch geschichtliche Begebenheiten vor, welche mit ihr in keinem unmittelbaren Zusammenhange stehen und wird in der That oft sehr weitschweifig.

Dennoch mag dieses Werk auf die edleren Geister des englischen Volkes einen wohlthätigen Einfluß ausgeübt haben, indem cs die Begeisterung für das klassische Alterthum neu belebte und den Werth der Freiheit, so wie den weisen Gebrauch derselben schäßen lehrte. Man wird wenigstens eine gewisse Aehnlichkeit der Gesinnung nicht verkennen, zwischen dem Dichter, wenn er sagt, daß während er sinnend hinschaute auf die Trümmer der einst ruhmvollen Roma, die Freiheit zu ihm trat, um ihm ihren Gesang mitzutheilen, und dem Geschichtschreiber Gibbon, in dessen Seele sich der Entschluß, den Untergang des römischen Reiches zu beschreiben, befestigte, als er, einige Jahrzehnte später als Thomson, von den Trümmern des Kapitols hinab auf das verfallene Rom blickte. Das lezte Werk, welches Thomson der Oeffentlichkeit übergab, war die Burg der Trägheit (the castle of Indolence), ein allegorisches Gedicht, von welchem Lessing (am angef. Orte) urtheilt, daß es mehr Genie und poctische Beurtheilungskraft zeige, als alle seine andern Werke. Dieses Gedicht, welches offenbar mit vieler Sorgfalt gearbeitet ist, scheint nichts anders als ein geist= reicher Scherz zu sein, der wohl begonnen ist, ohne daß der Dichter gleich anfänglich beabsichtigt hatte, ihm den ernsten Inhalt und die Abrundung zu geben, die es durch die weitere Ausführung erhielt. Es ist mit Beibehaltung der alten, zu Spensers Zeit gebräuchlichen Sprache in der sogenannten Spensers Strophe abgefaßt, wie dieses für scherzhafte Gedichte Sitte geworden war. Auch Shenstone's School-Mistress hat diese Form, die wir in Lord Byrons Childe Harold's Pilgrimage wieder finden, außer daß hier die Sprache nicht mehr jenen veralteten Charakter trägt.

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Thomson's Gedicht besteht in zwei Gesängen, in deren ersterm der Aufenthalt des Dämons der Trägheit und aller derjenigen, die er dahin verlockt hat, mit den anziehendsten Farben geschildert wird. Unbekümmert um den andern lebt jeder Bewohner in sanften Genüssen, zu deren Erlangung es keiner Mühe und Anstrengung bedarf. Selbst Nachtmüße, Schlafrock und Pantoffeln sind nicht vergessen; mit ihnen bekleidet der Thürhüter jeden der Cintretenden, ehe er ihn zu der Quelle Negenthe zuläßt, aus

welcher jeder der Gäste in vollen Zügen trinkt. Auch an guter Gesellschaft fehlt es nicht. Indem der Dichter einige Charaktere der Anwesenden ausmalt, benußt er die Gelegenheit, das Ebenbild mehrerer seiner Freunde in satirischem Geiste mitzutheilen, und selbst sein eignes findet sich in einer Strophe, welche von seinem Freunde Lord Littleton, eingefügt sein soll. Der zweite Gesang handelt von dem Ritter der Künste und Gewerbe und sei= nen edlen Thaten, tenen er durch die Zerstörung der Burg die Krone aufgesezt hat. Er ist Sohn eines kräftigen Jägers und der Armuth. Vom Orient her kommt er nach Britannien, hier schafft er die Wildniß in civilisirtes Land um, und ruft auch die Dichtung und die freien Künste aus Griechenland herbei. Nachdem er zum Schlusse seiner Wohlthaten, das Glück des Landes auch durch eine politische Verfassung gesichert hat, zieht er sich in ein entlegnes Thal zurück, wo er in patriarchalischer Weise die Landwirthschaft führt. Aber der Dämon der Trägheit droht seinen neuen Wohnsiß sich zu unterwerfen. Da läßt der alte Ritter sein Roß vorführen und eilt, in Begleitung seines Barden zu der Burg der Trägheit. Auch dieser Ankömmlinge sucht der alte Zauberer sich zu bemächtigen; aber der Ritter wirft über seinen Gegner das Neß der Schmerzen und nun ist aller Widerstand vergeblich. Bestürzung und Lärm erfüllt den Ort, und als die Nuhe wieder eingetreten ist, läßt der Ritter, durch ein Lied seines Barden, die noch nicht ganz verderbe ten Gemüther zur Thätigkeit befehren. Der Aufenthalt derjenigen aber, welche ihm nicht nachfolgen, wird in eine Wildniß verwandelt, in welcher die Trägen in thierischem Zustande zu leben fortfahren.

Der Anfang dieses Gedichtes möge schließlich hier folgen, indem einer andern Gelegenheit aufbehalten bleiben mag, Thomson als dramatischen Dichter zu besprechen.

1) Sterblicher, der du von Arbeit lebst,
Beklage nicht die allzu harte Lage,
Bedenke, wenn du vor der Müh' erbebst,
Sie fet, nach ernstem Spruch', die alte Plage.
Ist's nöthig, daß ich dir die Ursach' `sage ?
Presst's dir auch manchmal Stöhnen ab und Thränen,
Und brichst du aus in ungeduld'ge Klage;

Wär' Arbeit nicht, du würdest sie ersehnen,

Bu wilder Leidenschaft und Vein führt müß'ges Gähnen.

2) In niederm Thal, an eines Flusses Rand,
Von baumbedeckten Hügeln hoch umringt,
Die Wohnung eines Zauberkünstlers stand,
Des grimmigsten, von dem man Kunde bringt.
Der Plaß war schön, von dem das Lied uns singt,
Zumal am Ende Mai's im Juni fast,

Wo mit dem Lenz im Schmuck der Sommer ringt; Ein schwüler Simmel lud hier stets zur Rast, Denn Arbeit war unmöglich, Spiel selbst eine Last.

3) Und rings erblickt man nur der Ruhe Bild,
Zum Schlaf gewob'ne Lauben, sanfte Matten,
Von Blumenbeeten athmet Schlummer mild
Des Mohnes Blum'; und grüner, heit’rer Schatten
Darf dem Gewürm ein Obdach nicht gestatten.
Zahlloser Bäche sonnbestrahlte Glieder,

Die freien Durchzug durch die Ebne hatten,

Sie schimmern durch die Bäume hin und wieder Und murmeln, felbst bewegt, der Ruhe sanfte Lieder.

4) Zu diesem Rieseln sanft gekräuster Bäche

Tönt das Geblöck der Heerden auf den Weiden
Und Ruf der Lämmer auf des Berges Fläche;
Die Hirten blasen bei des Tages Scheiden,
Und Philomele klagt ihr süßes Leiden.
Und schweiget ste, so schallet aus dem Sain
Der Turteltauben Girren, und es meiden
Die Grillen selber nicht des Hochmuths Schein
Und mischen zirvend sich in dieses Schlaflied ein.

5) Nah bei dem Eingang zu dem Thale stand
Ein dunkler Wald, des Schweigens Aufenthalt,
Wo nur des Schattens Schwankungen man fand,
Der trägsten Phantasien Traumgestalt.

An jedes Hügels Seite war ein Wald
Von schwarzen Fichten, schwankend hin und her;
Wer sie nur ansah, der verfiel alsbald

In tiefen Schlaf; auch wirkt auf sein Gehör
Ein kaum vernomm'nes Brausen von dem fernen Meer.

6) Der Trägheit muß ein solches Land gefallen,
Wo vor gesenkten Augen Träume schweben,
Und in den Wolfen gold'ne Schlösser wallen,
Die an dem Sommerhimmel leuchtend beben:
Ein zauberhaft Entzücken füllet jedes Leben
Und träufelt Müßigkeit in jede Brust.
Dich möchte stille Freude ganz umweben,
Und was die Ruhe störet und die Lust,

Davon wird dir an jenem Orte nichts bewußt.

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