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Programmens ch a n.

Abdruck dreier unbekannter Reimwerke Fischart's von Vilmar. - Progr. des Gymn. in Marburg 1846.

Diese Schrift gibt drei unbekannte Reimwerke Fischarts, deren Ueberschriften sind: 1) Reveille matin oder Wacht frü auf; 2) Anmanung zu christlicher Kinderzucht; 3) Ermanung an die Bundbäpstler. Nach einer kurzen etwas kaustischen Einleitung, in der er die Nachlässigkeit des leßten Herausgebers von Fischarts glückhaftem Schiff, Karl Halling (Tübingen 1828) in der Zusammenstellung der ihm bekannten Werke Fischarts, so wie die Thorheit gewöhnlicher Sammler von alten Drucken und anderen Raritäten durchzieht, theilt Herr V. die oben bezeichneten Schriften selbst mit, oder richtiger gefaßt, zu der ersten, welche eine Ueberseßung aus dem Französischen ist, nur zwei Stücke, die unbezweifelt nach des Verf. Nachweisungen als Fischarts Arbeit gelten können. Das französische Original, das Herr V. nicht nachweisen kann, enthält eine Erzählung der Religionshändel in Frankreich von 1540 bis 1572, namentlich eine ziemlich specielle Darstellung der Scenen vom 24. August 1572, im entschiedensten protestantischen Sinne, und eine Beurtheilung der franz. Zustände sowohl aus dem kirchlichen als politischen Gesichtspunkte“. Von den beiden Fischart'schen Stücken steht das erste, welches eine Einleitung zur deutschen Bearbeitung enthält, Bl. Ba Bija des vom Herrn V. eingesehenen Druckes. Es ist in Fischarts bekannten Reimversen abgefaßt und gibt in 70 Verszeilen die Motive der satirischen Geißelung solcher Zustände, so wie eine kräftige Aufforderung zur Wachsamkeit für Franzosen, Deutsche und andere Nachbaren. Das zweite Stüc steht Bl. Lva Lba und enthält in 70 Verszeilen eine etwas stark saftige Vergleichung der Zeiten und Sitten des Fredgund und Brunhild einer- und der Katharina von Medicis andererseits; gegen den Schluß wird die leptere, und zwar zu ihrem Nachtheile, mit der biblischen Jesabel zusammengestellt.

Das zweite Gedicht „Anmanung zur christlichen Kinderzucht“, welches 198 Reimverse enthält, steht in einem Katechismus (es ist ein Abdruck des kleinen Lutherischen), der dem Herrn V. in einem straßburger Druck vom J. 1610 vorlag, und dient zur Einleitung eines folgenden Abschnittes, der die Ueberschrift führt: „Etliche Fragen von der Geburt Christi, welche der Jugend zu Straßburg, die sonst die Evangelia aufzusagen pfleget, zu lehren fürgeben werben." Das Gedicht selbst bezwecket die Nuzung dieser „Fragen“.

Das dritte Gedicht: „Ermanung an die Bundbäpstler." findet sich in: „Wol bedenkliche Beschreibung Des, an dem König in Frankreich newlich VerArchiv IV.

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rhäterisch begangenen Meuchelmords, von einem Mönch Prediger Ordens ic. ic. Auß dem Franz. der eygentlichen Meynung nach verteutscht, und mit Nötigen Erinnerungen erseßt: durch Bernhart Janot. Anno M. D. LXXXIX.« Das Gedicht zählt 99 Verszeilen und enthält eine kräftige, derbe, dem Predigerorden, ja der ganzen Mönchsschaft und den Romanisten die Ermordung Heinrichs III. schuldgebende Apostrophe an die bezeichneten Personen und Gesellschaften.

Der poetische Ruhm Fischarts wird wohl wenig durch das leßte Gedicht erhöht. Inzwischen ist dem sehr fachkundigen Herausgeber doch für diese Veröffentlichungen großer Dank zu zollen, um so mehr, als er als Muster derjenigen Genauigkeit empfohlen werden kann, welche in bibliographischer und literarhistorischer Beziehung bei Behandlung solcher Dinge am rechten Orte ist. Der einer derartigen Anzeige in diesen Blättern gestattete Raum nöthigt den Referenten daher die Leser auf die vielen Vorzüge in der Behandlung des Gegenstandes aufmerksam zu machen, und Selbstlefen des Schriftchens angelegentlich zu empfehlen.

Bi.

Ueber die Einführung unserer Jugend in die deutsche Literatur von Dr. Weber, Progr. der Realschule in Magdeburg 1846.

Tagebuch des deutschen Unterrichts in der ersten Klasse, geführt von einem Schüler desselben (Serausgeg. von Director Dr. Ledebur) Progr. der Realschule in Magdeburg 1847.

Ref. hat hier zwei Schulberichte neben einander gestellt, welche es verdienten, recht bekannt zu werden und von welchem er um so lieber einen sehr ausführlichen Bericht gibt, da er manchen der Collegen dadurch eine willkommene Gabe zu reichen glaubt; war es doch Ledebur's Ansicht über die Methode des deutschen Unterrichts, welche auf der Mainzer Versammlung so allgemein interressirte; wünschten doch gewiß viele seiner damaligen Zuhörer, daß es ihnen verstattet sein möchte, einen Blick in die Magdeburger Schule thun und die dortige Behandlung des Sprachunterrichts durch eigne Anschauung kennen zu lernen. Wir finden dafür in den beiden obigen Schriften Ersaß. Herr Dr. Weber gibt uns ein vollständiges Bild von den Grundsäßen, welche die Lehrer des deutschen Sprachunterrichts leiten und das Tagebuch läßt uns einen klaren Blick in die Praris thun. Doch zur Sache. Die Abhandlung des Herrn W. zeigt uns, wie die Schüler mit den Erzeugnissen des ächt deutschen Volksgeistes in Dichtung, Erzählung und freier Nede bekannt gemacht werden, und das Ganze zerfällt in drei Abtheilungen: „Was thun wir, wie und warum?“

Der Verfasser sagt: „Wir bemühen uns von der untersten Klasse an die Schüler durch geistige Anschauung in die literarischen Schöpfungen des deutschen Geistes einzuführen, so daß sie das für ihren Standpunkt Passende kennen ler nen, durch Lesen und Deklamiren einen gehörigen Vorrath im Gedächtniß aufnehmen und frühzeitig daran gewöhnt werden, diesen Erscheinungen den gebührenden Werth und Ton beizulegen. Diesen Zweck verlieren wir in keiner Klasse wieder aus den Augen, im Gegentheil legen nach gemeinschaftlicher Berathung in

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jeber Klasse so viel zu als uns nach dem Standpunkte der Schule (der schon einige Male sich änderte) dienlich erschien. Von der dritten Klasse an beginnt auch eine schon mehr absichtliche Bekanntmachung mit den Formen der Poesie besonders der epischen, und mit den verschiedenen Dichtungsarten. Hier bekommen die Schüler die ersten übersichtlichen Andeutungen von dem, was die allmälige und frühere Entwickelung unsers Volkes betrifft. Da in dieser Klasse, welche die zweite Stufe unserer Bildung abschließt, die deutsche Geschichte vollständig gelehrt wird und Kohlrausch's Geschichte der Deutschen in den Händen der Schüler ist, zum Theil als Lesebuch benugt wird: so liegt es ganz in der Natur, daß die beiden Unterrichtszweige sich ergänzen, einer in den andern eingreift und sich gegenseitig unterstüßen. Von der zweiten Klasse an beginnt neben den Leseübungen ein besonderer Unterricht in der deutschen Literatur nach Schäfers bekanntem Handbuche, welches auch in der ersten Klasse zu Grunde liegt. In derselben wird dieser Unterricht vollendet, und in erweiterter Gestalt bis auf die neueste Zeit fortgeseßt, während in der zweiten Klasse die ältere Literatur in flüchtigen Umrissen, bis auf Klopstock vorzugsweise mit den Schülern besprochen wird. Mit Hervorhebung der Bedeutung dieses großen Reformators deutscher Sprache und Poesie, besonders seiner Lyrik, schließt die zweite Klasse ab, die nach ihm und Lessing mit Herder durchbrechende Glanzepoche durch Göthe und Schiller zur angelegentlichen Würdigung der ersten Klasse überlassend. Doch wird noch in der zweiten Klasse als Vorbemerkung zur Literatur und Lesestunde eine kurze Uebersicht über die Dichtungsarten gegeben, was sich in der ersten Klasse in erweitertem Maaßstabe und genauerer Beschauung wiederholt. Doch werden dabei nicht etwa die Regeln aufgestellt, wonach die Gedichte gemacht sein sollen, als ob dergleichen nach Regeln gemacht würden; es wird vielmehr gezeigt, was sich von selbst Analoges in den Meisterwerken findet, daß es und wie es aus der Natur des Menschengeistes von selbst sich so gestalte. Dieses anzuschauen und zu einem bewußten Verständniß des Schönen sich allmälig durchzubilden, dazu wollen wir dem Schüler Anleitung geben. Von der untersten Klasse an suchen wir den Schülern fo viel als möglich Biographisches über die Literatur unserer Helden beizubringen. Es ist dieses die beste Art der Vorbereitung auf einen spätern ordnenden Unterricht in der Literaturgeschichte. Es gibt ihnen den Stoff allmälig, macht sie damit vertraut, und sie haben später mit der geschichtlichen Auf- und Auseinanderfolge nicht auch noch die Namen und Einzelheiten zu merken, diese bringen sie schon mit. Auf das Lesen Deklamiren und auf freie Vorträge legen wir ein großes Gewicht, indem die Einwirkung der Darstellungsform auf das Verständniß und auf das eigne Wohlgefallen am Gegenstande von außerordentlicher Wichtigkeit ist."

Dieses Ziel wird nur auf dem Wege der Anschauung erreicht; man folgt dem Naturgange, die Schüler müssen, deutsch Empfundenes, deutsch Gedachtes und nur Gutes lesen, hören und deklamiren.

„In der sechsten Klasse wird nun beim Lesen der erste Cursus des Wadernagelschen Lesebuchs gebraucht, und besonders darauf gehalten, daß der Knabe ein Gefühl für seine Muttersprache erhalte, daß er ihre einfache Kraft und Anmuth ahne und seine Freude daran finde. Es bietet in Erzählungen, Schilderungen, Gedichten einen Kreis aus der geistigen und natürlichen Welt, den der Knabe nach seinen Hauptmomenten umspannt. Richtiges Aussprechen, Verstehen, und Aneignen sind die Punkte, auf die gehalten wird. Die Verfasser werden ge

nannt, irgend eine bedeutende Notiz über ste hinzugefügt, wo möglich ein Bild von ihnen gezeigt, so daß sich mit dieser Welt eine Art von Bekanntschaft anknüpft.

Wesentlich gleich ist der Unterricht in der folgenden Klasse, der sich an den zweiten Cursus von Wackernagels Lesebuch anknüpft. Sie lernen hier den mitgebrachten Reichthum zusammenfassen; summiren, was sie von einem Verfasser schon gelesen, gelernt haben, zu dem, was sie hier bekommen. Eine Reihe von Sprichwörtern führt sie in die Volkssprache ein. Das Reproduciren des Gelesenen ist, wie in der vorigen Klasse, die Probe, ob die Kinder fleißig und genau aufgenommen haben. Gut wiedererzählen wird zu einem Ehrenpunkte gemacht.

Der dritte Cursus von Wackernagels Lesebuch regiert in der vierten Klasse, er ist reicher an Inhalt, dehnt der Kinder Gesichtskreis aus, zur erzählenden, beschreibenden tritt die schildernde Form, das Historische tritt ein. Das Erhabene, besonders aus der Natur, findet seine Stelle, und immer sind nur die besten Meister hereingelassen. Auch Komisches und Scherzhaftes findet sich, die Knaben sollen nicht glauben, daß Wahrheit und Weisheit nur finster und ernst aussehe. sie sind ja ihrer Natur nach heiter. Besonders findet hier auch der religiöse und vaterländische Sinn seine Pflege, aus den bedeutendsten Geschichtschreibern sind Abschnitte eingefügt, die bei der Wiederkehr der Tage, auf welche sie sich beziehen, gelesen werden. Man sieht in dieser Klasse schon auf den Wohlaut; Gegensäge c. müssen in entsprechender Betonung vorgetragen werden, der Knabe muß zeigen, daß er auch empfinde, was er liest. Mündliche Reproduktion und fortgesette Erweiterung der biographischen Kenntniß verstehen sich von selbst.

Die dritte Klasse, welche unsere zweite Bildungsstufe abschließt, gibt an der Hand der deutschen Geschichte eine zusammenfassende Uebersicht und geschichtliche Andeutung von der periodenweisen Entwickelung unserer Literatur, und mit Anschluß an Wolfs poetischen Hausschaß werden die verschiedenen Dichtungsarten zur Anschauung gebracht. Die Lectüre aus dem poet. Hausschaße schließt sich besonders an das Epische an. Lautes, deutliches, in jeder Beziehung richtiges Lesen wird besonders bezweckt. Was zur Belebung des Sprachgefühls, zur Bildung des Geschmacks, des Urtheils sich angemessen zeigt, wird herangezogen, besonders die einheitliche Auffassung des gelesenen Stückes vermittelt. Biographische Studien gehen fort.

In dieser Klasse ist zu den biographischen, phonetischen, logischen, reproducirenden Momenten hinzugetreten die geschichtliche Uebersicht, vorerst nur in Umrissen, das Hinweisen auf ihr Dasein und das Aufmerken auf die verschiedenen Arten von Gedichten, ihre Namen. Dieses wird in der zweiten Klasse mit der die dritte Bildungsstufe beginnt, weitergeführt. Nach Schäfers Grundriß der deutschen Literatur wird nun eine mehr innerlich zusammenhängende Vorstellung von der allmäligen Ausbildung unseres geistigen Lebens angebaut. Die Geschichte des Mittelalters, nach Schmidt, giebt den Schülern eine Ahnung von der innern und äußern Wechselwirkung, in welche die Völker Europa's und die hervorragenden Stände besonders durch die Kreuzzüge unter einander treten. Sie begreifen, wie sich dieses in der Literatur des 13. Jahrhunderts offenbart, sich im 15. und 18. wiederholt. Luther, der dreißigjährige Krieg, die von allen Grenzländern nach dem Mittelpunkt von Deuschland dringenden Strahlen zusammengefaßt in den Bremischen Beiträgen, die Befreiung und Erhebung durch Lessing und Klopstoc sind die Gesichtspunkte, welche besonders hervorgehoben

werben. Berbers Verdienst um das Volksthümliche, dessen Verklärung in Göthe, Uhland 2c. wird noch angedeutet, Bürger und der Hainbund nicht übergangen. Wie Ernst und Seiterfeit in Haller und Hagedorn getrennt, in den Bremischen Beiträgen vereinigt, in Klopstock und Wieland noch weiter auseinander getreten, bis sie sich zuleßt in höherer Einheit durchtrungen, wird anschaulich gezeigt; der Geschmack der Schüler am Hohen, Komischen, Niedrigen, Würdevollen, Einfachen, Schönen geprüft.

Beim Lesen soll nicht nur eine Bekanntschaft mit den verschiedenen Producten der Dichter vermittelt werden, dieses muß mehr der Privatlectüre überlaffen bleiben, die wir durch unsere Bibliothek zu leiten suchen, wir versuchen ein ästhetisches Verständniß anzubahnen. Zu dem Zwecke wird das Wichtigste aus der Metrik behandelt, auf die Wichtigkeit der Form hingewiesen, Alliteration, Afsonanz, als besondere Form des Verses und als Figur an Gedichten gezeigt. Die Bedeutung des Reims, der accentuirenden und quantitirenden Versmaaße werden besonders an der Nibelungenstrophe, an Schillers Taucher und einigen Platenschen Gedichte fühlbar gemacht. Einige Klopstock'sche Oden werden dem Inhalte und der Form nach sorgfältig behandelt, damit die Schüler für das Tiefe und Innerliche, das Reiche und Mannigfaltige, das Kräftige und Gewaltige, das Einfache und Schöne Empfindung bekommen. Die Betonung muß die Schüler zu der Auffassung des Ganzen führen, indem sie das Gefühl derer, die da reden, handeln, leiden, durch den Ton selbst in sich schaffen. Was der Ton ausdrückt, kommt in das Herz, wenn auch noch nicht klar in den Begriff u. s. w.” neben biographische Studien, Auffäße und freie Vorträge. In der ersten Klasse endlich wird Alles in erhöheter Weise fortgeseßt und es wird hier die Kenntniß der engl. und franz. Literaturgeschichte noch mit herangezogen. Von dem Gedanken ausgehend, daß sich die wahre Liebe weit mehr an Menschen emporranke, als an bloßen Worten und Gedanken, entwickelt der Verf. hierauf die Wirkung dieser biographischen Studien in sehr anschaulicher Weise.

Da

In dem dritten Abschnitte legt Herr W. die Gründe auseinander, welche die besprochene Behandlung des deutschen Unterrichts veranlaßt häben und erinnert daran, daß die Bürgerschule nicht Gelehrte sondern Gebildete bilde, daß sie die Schüler deshalb zu den herrlichsten Blüthen führen will, die unser in dem allgemeinen Weltgeist wurzelnder deutscher Nationalgeist getrieben hat. Das Nationale soll von oben nach unten zu seiner Anerkennung kommen, damit die wahre Vaterlandsliebe gekräftigt und erhalten werde und die Fremdländerei in Sprache und Sitte nicht wieder hereindringen könne und des Volkes Elend herbeiführen. Die Seele der Schüler muß also zu edler deutscher Volksthümlichkeit entzündet werden; die Jugend soll das Volk kennen, lieben und ehren lernen in denen, welche des Volkes Kern und Wesen am schönsten in sich aufgenommen und vor ' der Welt erschlossen haben. Das ist die Aufgabe der Schule.

„Dazu wollen wir diese Einführung in die deutsche Literatur vorzüglich mit gebrauchen, zur Bekämpfung aller Ausländerei und alles Niedrigen und Gemeinen in der Natur. Dem ernsten zum Denken übergeneigten Norddeutschen ist eine ästhetische, poetische Erfrischung gar wohlthätig und nöthig, sie erseßt durch die Phantasie die arme ihn umgebende Sinnlichkeit. Sie verjüngt ihm das Leben und ist überhaupt jezt ein schönes Gegengewicht gegen die vorzugsweise materielle Richtung unserer Zeit, eine Richtung, die von je der größte Feind nationaler Selbstständigkeit war, deshalb von Lykurg aus Sparta verbannt, und als

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