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Ueber die Läuterung unserer Muttersprache

von Fremdwörtern.

„Wer mich verbrittet, ich haß ihn! mich gallicismet, ich haß ihn!
Liebe dann selbst Günstlinge nicht, wenn sie mich zur Quiritinn
Machen, und nicht, wenn sie mich verachän. Ein erhabenes Beispiel
Ließ mir Hellänis; sie bildete sich durch sich."

Klopstod

Schon oft, wiewohl meistens auch fruchtlos, ist das buntscheckige Gewand, worin viele deutsche Schriftsteller ihre Muttersprache darstellen, getadelt und verhöhnt worden. Es ist nun einmal wieder Mode, dasselbe mit ausländischen Blumen zu spicken und zu verbrämen, und wer vermag etwas gegen diese allmächtige Göttin! Doch ihr Wesen ist Unbeständigkeit. Gelänge es uns für jezt, durch Vorhalten eines neuen einfachen und einfarbigen Sprachgewandes sie zum Tausche zu bewegen, so wäre das ein großer Gewinn. Es möchte nun auch wohl an der Zeit sein, daß unsere besten Schriftsteller an demselben arbeiteten, ihm die schönsten Lobreden hielten und dasselbe zum Fest- und Ehrenkleide erhöben. Hätten wir aber die bunte Narrenjacke einmal auf Seite geschafft, dann bedürfte es fortwährender Wachsamkeit, daß nicht wieder fremde Waare eingeschmuggelt würde. Aber, so ruft man uns zu, macht ihr euch nicht der Uebertreibung schuldig? Keine Extreme! Riccht das nicht nach Purismus? Auf solche Vorwürfe möchten wir mit Daniel in Schillers Räubern antworten, als Franz, sein Herr, so seltsam betete: „Gott sei uns gnädig! Auch seine Gebete werden zu Sünden!" Thatsachen mögen entscheiden.

Ich nehme die erste beste Zeitung zur Hand, und finde auf der ersten Spalte (jede Seite enthält deren drei) folgende Fremdwörter: Majestät, Professor, Doktor, Statut, Garantie, Aktien, Dissidenten, Datum, Capitel, Patent, Minister, Rescript, Referen

"

dar, Assessor, Princip, Autonomie, historisch, provincial, katholisch, protestantisch, aktiv, passiv, Assistenz, Civilche, direkt, Consequenzen, Civilinstitut, Justizwesen, Emanation, Discussion, Bibliothek, General also 32 Fremdwörter, mithin auf den drei Spalten gegen 100, ohne dabei die Wörter: Kirche, Partei, Staat in Anschlag gebracht zu haben.

Ich schlage im Lehrbuch der deutschen Sprache auf und lese: „Grammatik, Verb, Substantiv, Adjektiv, Adverb, Pronom, Interpunktion, Flerion, Subjekt, Prädikat, Deklination, Conjugation

u. v. a. m.“

Nun werfe man einen Blick in die Lehrbücher anderer Wissenschaften, welch eine ungeheuere Zahl von Fremdwörtern tritt uns da entgegen! Vergleichen wir in dieser Hinsicht viele unserer Bücher und Zeitschriften mit denen von Gellert, Eberhard, Garve, Kampe, Starke, Jakobi, Göthe, Schiller u. a. m., welche vor 50 bis 80 Jahren erschienen, so werden wir uns bald überzeugen, daß wir in diesem Betracht nicht Fortschritte, sondern Rückschritte ge= macht haben. Und so wird unsere Sprache verunstaltet in einer Zeit, da sie doch in sprachlicher Hinsicht sich so sehr vervollkommnet hat. Eine ernste Mahnung an unsere Zeit. Man wird es hoffentlich eben so verzeihlich als nothwendig finden, wenn nach den sehr verdienstvollen Bemühungen sprachkundiger und deutschgesinnter Männer wie Kampe, Wolke, Jahn, Kolbe u. a. m. hiermit bescheidentlich erinnert wird, auf die Reinheit unserer Sprache und unseres Schriftenthums mehr zu achten, damit auch von dieser Seite unser Vaterland keinen Schaden nehme. Wer hören und sehen will, der wird es bald merken, wie sehr Wachsamkeit und Wehrhaftigkeit Noth thun, um unsere Muttersprache vom fremden entbehrlichen Flitter zu reinigen und rein zu erhalten.

Man könnte uns entgegnen: „Thörichtes Bemühen! Glaubt ihr denn, daß unsere deutsche Sprache die einzige sei, welche solche Sprachmischung erlitten hat? Fragt doch unsere Sprachforscher und sie werden euch sagen, daß keine der jezigen europäischen Hauptsprachen unvermischt sei; sie sind allzumal Sünderinnen und ermangeln des Ruhms der Reinheit. Die spanische und portugiesische Sprache, Töchter der lateinischen, haben eine Menge Fremdlinge aus der arabischen, gothischen und andern Sprachen; desgleichen enthält deren Schwester, die französische Sprache celtische, gothische und deutsche Wörter; die englische Sprache ist aber bes kanntlich ein mixtum compositum von vielen europäischen Sprachen. Archiv IV.

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Und so wird sich schwerlich eine Hauptsprache finden, die von aller fremden Beimischung frei geblieben ist."

Wir müssen darauf erwidern, daß dieses gar nicht die Seite ist, welche von uns getadelt und angegriffen wird. Es geht hier nicht um die Fremdwörter, welche durch einen vieljährigen Gebrauch gewissermaßen das Verjährungsrecht für sich haben, vom ganzen Volke als ebenbürtig mit den eingebornen Stammwörtern anerkannt und an Leib und Seele, an Form und Veränderungsweise deutsch geworden sind, z. B. Krone, krönen, Regierung, regieren. Wir werden diesen Punkt weiterhin noch einmal berühren; hier haben wir es mit einer großen Masse frisch aufgenommener Wörter zu thun, denen man auf der Stelle die fremde Abkunft ansicht, und die sich auch äußerlich gar schwer deutsch fügen und formen lassen. Jene Bemerkung über einige fremde europäische Sprachen gibt uns aber Veranlassung zu der Frage: Welches sind wohl die Ursachen. solcher allgemeinen Sprachvermischung? Wir glauben folgende als die erheblichsten anführen zu dürfen :

1) Die Nachbarschaft zweier Völker von verschiedenen Sprachen. Wo diese mit ihren Gebieten zusammengrenzen, da kann es nicht fehlen, daß wechselseitig Wörter ihre Grenzen überschreiten. Daher kommt es denn auch, daß an den Grenzen keine der beiden Sprachen so rein gesprochen werden, als im Binnenlande. Auf der deutsch-lothringischen Grenze sagte mir einst ein Lothringer: Die Franzosen haben mehr Vivigkeit als die Deutschen. Dieses einzige Zwitterwort zeigte mir, wo ich war. In diesem Betracht nun þat Deutschland eine sehr ungünstige Lage, da es von der französischen, italienischen und den slavischen Sprachen umgeben ist; die holländische und dänische können uns nicht viel schaden, da sie unsere Töchter sind. 2) Der Verkehr in Handel und Gewerbe. Hierdurch gchen gar leicht die Namen für eigenthümliche Natur- und Kunsterzeugnisse aus einer Sprache in die andere über. Wir crinnern hier nur an Wein, Kaffee, Zucker, Indigo, Taback,

Bajonnett, Kammertuch, (Tuch von Cambrai), Manchester, Twist, Kattun, Musselin, Porcellan, die Namen der fremden Münzen, Maße und Gewichte. 3) Kriege und Eroberungen, so wie Einwanderun gen (Völkerwanderungen). Man denke an England, Frankreich und Spanien. Die große Menge französischer

Fremdwörter in unserer Sprache sind mit eben durch die häufigen Kriege mit Frankreich eingeschwärzt worden. Was im Besondern unsere deutsche Sprache anbetrifft, so mögen in früherer Zeit, da der Gottesdienst zum größern Theile in lateinischer Sprache abgehalten wurde, so wie auch durch den Gebrauch der römischen Gesezbücher viele lateinische und griechische Wörter in dieselbe gekommen sein. Von solchen kirchlichen Fremdwörtern haben wir noch viele, z. B. Presbiterium, Consistorium, Pastor, Candidat, Papst, Cardinal, Bischof, Kloster, (Abt, Mönch, Nonne,) Communion, Confirmation, Agende, Kirche, Sacristei, Altar, Kanzel, Katechismus, (Halleluja,) Gloria, jubiliren, triumphiren, Text u. s. w. Eben so haben wir aus früherer Zeit eine große Menge Fremdwörter im Staats-, Gerichts- und Kriegswesen. So hören wir noch alle Tage: Monarchie, Minister, Ministerium, General, Offizier, Aristokratie, Demagog, Arsenal, Artillerie, Audienz, Assise, Jurist, Justiz, Commissair, Advokat, Assessor, Refendar, Präsident, Sekretär u. f. w. Eine Menge Wörter dieser Art find im Munde des Volks. *) ·

Unter Ludwig XIV begann bekanntlich das goldene Zeitalter der französischen Sprache. Wie es damals mit unserer Mutter

*) Als Probe wie herrschend die lateinische Sprache auch in der protestantischen Kirche gewesen, stehe hier ein Lied aus dem ehemaligen evang. luth. Märkischen Gesangbuche:

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sprache aussah, das fönnen wir von Opiz, Leibniß und andern deutschen Männern erfahren. *) Daß man aber auch zu dieser Zeit mit Ernst darauf bedacht war, sie von allen Fremdlingen zu fäubern, dafür zeugen die verschiedenen Sprachgesellschaften, welche sich damals bildeten. Solche waren z. B. der Palmenorden oder die fruchtbringende Gesellschaft zu Weimar 1617, die zum Zweck hatte die Muttersprache in ihre uralte angeborne Reinigkeit und Zierde wieder einzuführen, sie von dem fremden drückenden Sprachenjoche zu befreien und durch alte und neue Kunstwörter zu bez festigen; die aufrichtige Tannengesellschaft zu Straßburg 1633, der Blumenorden der Schäfer an der Pegniß, zu Nürnberg 1644, die deutschgesinnte Genossenschaft zu Hamburg 1646, der Schwanenorden an der Elbe 1660. Sie wirkten doppelt wohlthätig, indem sie dem immer weiter um sich greifenden Sprachverderben eine Schuhmauer entgegen stellten und Sprachreinheit und Sprachbildung förderten. Auch in neuerer Zeit haben solche Sprachvereine viel Gutes hervorgebracht; wir wollen hier nur an die Kurfürstliche deutsche Gesellschaft in Manheim im achten Jahrzehend d. v. Jahrh., die Vereine für

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*) Vor ungefähr 25 Jahren erschienen, ich weiß nicht mehr in welcher Zeitschrift, einige Proben von Sprachmengerei aus dem 17ten Jahrhundert, von welchen hier einige Verse st.hen mögen:

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u. s. w. Das Lied enthält 8 Verse und ist wahrscheinlich ein Spottlied auf den damaligen Zustand der deutschen Sprache.

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