Page images
PDF
EPUB

nothwendig fallen muß. Erschöpfendes läßt sich indessen hier nicht in Aussicht stellen, wel theils auf einem so weiten Felde der Kreis rer eigenen Beobachtung immer nur ein beschränkter sein kann, theils die Quellen hier sehr spärlich fließen. Die einzige Schrift, welche uns hier einigen Nugen gewährt hat, führt den Titel: "Corrections raisonnées des fautes de langage et de prononciation qui se commettent, même au sein de la bonne société, dans la Provence et quelques autres provinces du midi, par I. B. Reynier (Marseille, 1829). Ein anderes Werk von D. Gabrieli: „Manuel du Provençal ou Provençalismes corrigés“ (Aix, 1836), ist unsern Nachforschungen entgangen.

[ocr errors]

In Bezug auf die Pronunciation, welche wir hier zunächst berücksichtigen wollen, ist bereits bemerkt, daß der Provenzale und unter diesem Namen wollen wir die Bewohner der Gegenden zusammenfassen, in denen die mit dem Altprovenzalischen verwandten Dialekte herrschend sind das Französische mit einer eigenthümlichen, abgerissenen, sprunghaften Betonung spricht. Die eigenthümliche Haft seines ganzen Wesens spiegelt sich auch in seinem Accente. Er zerreißt den straffen Faden, welcher die französische Rede oft zu einer gewissen Monotonie zwingt, und erinnert an den melodienreichern Tonfall der alten Troubadoursprache. Die nüchternen französischen Vokale ersezt er nicht selten durch den vollern, prunkenden Laut, besonders läßt er das dumpfe ou oft über die Gebühr eintreten und sagt z. B. diou statt dieu, huroux statt heureux, wenngleich auch zuweilen dieser Diphthong da verloren geht, wo er an der rechten Stelle wäre, z. B. in secoupe statt soucoupe. Am häufigsten tritt aber dieser lettere Fall ein, wo etymologische Gründe ein o statt des ou natürlicher scheinen lassen, 3. B. in orlet für ourlet (ital. orlo, vom latein. ora).

Das stumme e, welches dem südlichen Dialekte unbekannt ist, liebt der an die reicheren Töne gewohnte Provenzale nicht. Er spricht es entweder als vollen E-laut oder vertauscht es mit anderen Vokalen, so z. B. fermature statt fermeture. Aus einem ähnlichen Verlangen gehen auch wohl solche Umwandlungen hervor, wie jeu d'eau statt jet d'eau, welche um so leichter bei der gewöhnlichen Sprache mit unterlaufen, als man sich nicht immer der eigentlichen Bedeutung des überlieferten Ausdrucks bewußt ist; apparution statt apparition u. f. w. Eine große Unsicherheit zeigt. sich ferner in der Anwendung des accentuirten e, indem man es oft da sezt, wo das stumme e erheischt wird, z. B. dégré statt

degré und so sehr oft. Indessen ist hier zu bemerken, daß hier in der gewöhnlichen Sprache theils aus Sorglosigkeit, theils in Folge wirklicher Unkenntniß überall unendlich oft gefehlt wird, wie denn z. B. in Paris selbst dangereux statt dangereux in nietern Kreisen ganz gewöhnlich ist.

-

Obgleich man nach der Analogie der andern südlichen Sprachen wohl schließen kann, daß der Provenzale bei der Aussprache des Französischen bedacht sein wird, die Anhäufung der Konsonanten zurückzudrängen und in der That finden wir remoque statt remorque u. f. w., so kommen doch Fälle vor, wo er Consonanten einschiebt, welche ungehörig sind, indem er z. B. alcovre statt alcove und adversion statt aversion sagt. Sehr häufig ist die Vertauschung des r und 1, nicht allein in gants d'Angola statt Angora, was man auch an andern Orten hört, sondern auch in Wörtern wie flamboise statt framboise. In dem fehlerhaften barrou oder barreau de chaise statt baton de chaise mag vielleicht eine irrige Etymologie, wie dies so häufig der Fall ist, ihr Spiel treiben.

Der im Französischen so überwuchernde Nasallaut ist dem Provenzalen nicht eben sehr geläufig, und in vielen Fällen sucht man ihn ganz zu vermeiden; dagegen tritt er wieder oft an der unrechten Stelle (z. B. ranvers statt revers) hervor. Auch an dem nordfranzösischen ch nimmt der Südfranzose Anstoß und in der Regel erleidet es in seinem Munde eine bemerkbare Umwandlung. Zuweilen wird es geradezu wie e gesprochen, z. B. capuçon statt capuchon.

Eine über den größten Theil des jenseits der Loire gelegenen Gebietes verbreitete Gewohnheit, welche besonders in der Gascogne und in den Pyrenäenländern hervortritt, ist die Milderung der Konsonantenverbindungen sc, sp und st durch den Vorschlag eines schnellen e, z. B. estatue statt statue, espectacle statt spectacle, escapulaire statt scapulaire. Diese Eigenthümlichkeit findet bekanntlich in der spanischen Wortbildung eine bemerkenswerthe Analogie. Auffallender ist schon dieses e in einigen wenigen Fällen vor einem bloßen t, wie in elenailles statt tenailles.

Um das Bild von der den Provenzalen gewöhnlichen Aussprache des Französischen zu vervollständigen, müssen wir noch hinzufügen, daß man im südlichen Frankreich das mouillirte I auf eine eigenthümliche, durch die Schrift schwer zu bezeichnende Aussprache, wegzuschleifen pflegt.

Aber die Aussprache ist es nicht allein, welche den Bewohner Südfrankreichs, wenn er nicht die Gewohnheiten seiner Gegend in einem seltenen Grade abgestreift hat, leicht erkennen läßt. Es giebt vielmehr eine sehr beträchtliche Anzahl von Wörtern, welche dem Provenzalen, theils weil er sie aus dem Sprachschage des altprovenzalischen Dialektes überliefert erhalten hat, theils weil sie für ihn in Folge falscher Analogien einen französischen Klang haben, so geläufig geworden sind, daß er keinen Anstand nimmt, sie wenigstens in der familiären Ausdrucksweise in Anwendung zu bringen. Wir müssen uns hier auf einige Belege beschränken, die sich indessen leicht um ein Bedeutendes vermehren ließen. Wir finden hier ajout statt allonge, amande pistache statt amande fine (auch amande sucrée, was man im Süden oft hört, ist nicht französisch), bujet statt cloison, canisse statt claie, galavard als Adjektivum für glouton, gandoise statt faribole, gavot, otte statt montagnard (gavotte als Tanz ist eingebürgert), un bon gouvert statt une bonne ménagère, lauvisse statt mansarde, joule statt pot, suppè statt sèche und supion statt petite sèche, têtière (von tête) statt chevet, torrer (des amandes) statt torréfier, toupin statt petit pot, arète statt échauboulure, charrer statt parler, charreur statt causeur, faguine statt redingote, fruster statt friser, furner statt furetter, un luré statt un rusé, raplot statt trapu und so noch viele andere Wörter, die, wenn sie mit dem Französischen überhaupt verwandt sind, doch ihren eigentlichen Ursprung mehr oder minder offenbar im Provenzalischen haben.

Wenn wir die Wortbildungen, welche sich der Südfranzose erlaubt, betrachten, so tritt es uns zunächst entgegen, daß er gern die Freiheit, welche die südlichen Sprachen im Allgemeinen und namentlich einige südfranzösische Volksdialekte zu einer übergroßen Bildung von Augmentativen und besonders Diminutiven verleitet, auch auf das Französische überträgt, so sehr sich dies auch unter feinen Händen gegen solche Formationen sträubt. So haben charreton für petite charette, jarron statt petite jarre, fèveron statt petite fève immer im Französischen noch keinen Eingang gefunden, so gebräuchlich diese Bildungen auch in den mittägigen Gegenden sein mögen. Ebenso pflegt der Provenzale auch da, wo es nicht gebräuchlich ist, ein Femininum zu bilden, z. B. artisanne und tailleuse.

Manche Ableitungen, welche uns als Provenzalismen aufstoken, bleiben enger am Stamme, als die sich mehr von der ursprüng

lichen Etymologie entfernende französische Form. Dahin gehört z. B. bledier von bled (marchand de bled), wofür im Französischen wohl bladier eder blatier vorkommen. Auch dispersuader øter dépersuader statt dissuader läßt sich ebenfalls hieherziehen; wogegen déparler für déraisonner als eine ganz eigenthümliche Bildung erscheint, der es freilich nicht an Analogie fehlt. Offenbare Mißgriffe sind affranchissage für affranchissement, esclavitude für esclavage und corporence statt corpulence.

Bei einzelnen Zusammenseßungen, wie bei un enterre-mort statt fossoyeur, un trois-pied statt trépied, arrière-grand-père statt bisaïeul, sieht es fast aus, als seien sie nur gemacht, weil man den bezeichnenden Ausdruck, den die französische Sprache dafür hat, nicht kannte. Dagegen ist mal-complaisant nicht ganz zu verwerfen, weil das gebräuchlichere peu complaisant nicht stark genug zu sein scheint. Bei der Verbindung zweier Substantiven vermittelst der Präposition de fehlt es nicht an mehrfachen Fehlgriffen in der Wahl der durch den Gebrauch sanktionirten Ausdrücke; obgleich, wenn man bloß auf den Sinn sieht, die Sache selbst oft ebensogut so, wie sie der Provenzale nennt, bezeichnet werden könnte. Da aber im Französischen mehr als bei andern Sprachen der Gebrauch entscheidet, so sind Bildungen wie canon de plume statt tuyau de plume, porte d'armoire für volet d'armoire und ähnliche Zusammensegungen immerhin als fehlerhaft und für die Schriftsprache unstatthaft zu bezeichnen.

Aehnliche Verstöße, wie z. B. auch barbe d'artichaut statt foin d'artichaut erklären sich zum Theil daraus, daß man hier sich der Gränze, wie weit nämlich der figürliche Gebrauch eines Wortes gehen kann, nicht bewußt ist. So kommt es denn auch, daß man oft den Begriff eines Ausdrucks willkürlich erweitert oder verengert und ein Wort in einem besondern Sinne gebraucht, den es, wenn nicht noch eine nähere Bestimmung hinzutritt, nicht so ohne Weiteres haben kann. Dahin gehört z. B. accident, das der Prevenzale oft ohne Zusatz für convulsion gebraucht, obgleich es doch in der allgemeinen Bedeutung ein unerwartetes Ereigniß und im engern Sinne höchstens Krankheitsanfall überhaupt heißen kann. Eben so abweichend von der strengern Schriftsprache ist es, zu sagen: cette femme est embarrassée statt enceinte. Wenn wir aber balottes, was im Französischen nur eine Nesselart bezeichnet, für boulettes de viande finden, so scheint dies fast nur aus einer corrumpirten Aussprache. hervorgegangen zu sein, so wie man auch

in der Wendung il faut être courant dans les affaires bas Participium coulant für einen Beleg für die oben erwähnte Vertauschung des 1 und r ansehen könnte. Dagegen ist der Ausdruck tonne für treillage recouvert de verdure nicht so ohne Weiteres zu verwerfen, obgleich es jezt in anderer Bedeutung gebraucht wird. Früher wurde dieses Wort wenigstens in der vom Provenzalen ihm beigelegten Bedeutung gebraucht, und tonnelle fommt im gleichen Sinne bei einigen Schriftstellern wohl selbst jezt noch vor. Ebenso findet apprentif und ive für apprenti in folgendem Verse Boileau's eine Rechtfertigung:

De livres et d'écrits bourgeois admirateur,

Vais-je épouser ici quelque apprentive auteur?

Was wir bis jezt angeführt haben, betrifft mehr den eigent lichen Wörtervorrath, den der an eine reiche, bildsame Sprache gewöhnte Provenzale zu erweitern bestrebt ist. Indem wir nun zur grammatikalischen Behandlung der Sprache übergehen, zeigt sich zunächst, daß der mit den Gesetzen des begünstigtern nordfranzösischen Idiomes unbekannte Südfranzose besonders häufig gegen die Geschlechtsregeln verstößt. Er läßt sich hierbei oft vom abweichenden Genus leiten, welches die Wörter im Provenzalischen haben. Hier nur einige auffallende Beispiele, welche durch das häufigere Vorkommen gewissermaßen stereotyp geworden sind. Masculinisch werden gebraucht alcove (oder wie oben bemerkt ist alcovre), poutre, antichambre, armoire, horloge, welche alle im Französischen eigentlich Feminina sind. Dagegen finden wir die Feminina: amadou, appetit, augure, bec-figue, flègme, indice, ongle, ustensiles und die auf die ganze Gestalt des Wortes influencirenden Veränderungen une caramelle statt un caramel, une sache für un sac, welche als Verstöße gegen den Sprachgebrauch zu bezeichnen sind; sowie auch une belle couleur de feu, une belle couleur de rose statt un beau couleur de feu, un beau couleur de rose auf einer Unkenntniß der Genusregeln beruht.

Von den zahlreichen Fehlern, die gegen die Conjugation begangen werden, heben wir nur folgende hervor, welche als die gewöhnlichsten betrachtet werden können: j'allas, je donnas statt j'allai, je donnai, assis-toi statt assieds-toi, ne le contredites pas für ne le contredisez pas, je cueillirai statt cueillerai, je recouvrirai für recouvrerai, la chèvre est traie statt traite, und dann den unrichtigen Imperativ n'aille pas me trahir statt ne va pas, ne vienne pas me reprocher für ne viens pas.

« PreviousContinue »