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die Insel der Papimanen, in welcher „durch die Gnade des göttlichen Statthalters auf Erden nicht allein alle gute Frucht von Stunde zu Stunde reift, sondern auch Unkraut und Disteln eine zarte und säftige Speise wird", die links gelegene dagegen für die „auf ewig verwünschte Insel der Papefiguen, wo wenig wächst und das Wenige noch von bösen Geistern zerstört wird 1)." Dieser Bestimmung Epistemon's widerspricht aber Eutyches, der gerade das Umgekehrte sieht. Die Insel zur Rechten ist, wie ihn der Augenschein lehrt, ein langes, flaches Land mit wenigen Hügeln und scheint gar nicht bewohnt, nur hie und da erblickt er unge= heure Steinmaffen, von denen er nicht zu bestimmen wagt, ob es Städte oder Felsenwände sind, dagegen scheint die zur Linken ein kleiner Himmel, ein Elysium, ein Wohnsiz der häuslichsten Götter. Alles ist grün, Alles gebaut, jedes Eckchen und Winkelchen genüßt." Der schlaue Panurg erklärt den Widerspruch leicht durch einen Schreibfehler des Kopisten, der auf der Karte die Namen beider Inseln vertauscht habe und seine Meinung dringt trog Epistemon durch. Ehe die Brüder aber an der fruchtbaren Insel landen, holt Panurg zwei Anzüge aus seinem Kasten, von denen er den einen für sich nimmt, den andern seinem ihm gerade entgegengesetzten Bruder Alkides anbietet. „Ich weiß nicht, was ihr Uebrigen in den Kasten gepackt und verwahrt haltet, die ihr von Hause mitnahmt, als der Vater unserer Klugheit überließ, womit wir uns den Völkern angenehm machen wollten; so viel kann ich euch gegenwärtig sagen, daß meine Ladung vorzüglich in alten Kleidern besteht, die, hoffe ich, uns nicht geringe Dienste leisten sollen. Ich habe drei bankrutte Schauspielunternehmer, zwei aufgehobene Klöster, sechs Kammerdiener und sieben Trödler ausgefauft." Er glaubt also, daß die Verkleidung, die später mehrfach erwähnt wird, ihm und auch den Brüdern förderlich sein werde.

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Aber Epistemon hat gegen Panurg und die Majorität Recht; die fruchtbare Insel ist wirklich die der Papefiguen. Im Plane heißt es unmittelbar nach den oben angeführten Worten: „Sie fahren nach der andern Insel. Panurg's Vorschlag. Wird be=

1) Rabelais sagt von dieser, den Papimanen unterworfenen Insel: Tous les ans avoyent gresle, tempeste, famine et tout malheur, comme éterne punition de peché des leurs ancestres et parens. Der Teu fel hat Macht über die Insel bekommen, die er verödet.

wundert. Er steigt aus, mit ihm X. und Y. Er kriegt Schläge. X. rettet ihn; entschuldigt ihn. Man entdeckt den Irrthum. Sie werden gut aufgenommen. Die Papefiguen erzählen den Zustand ihrer Insel. Offerte, ob sie bleiben wollen. Bedingungen gefallen nicht. Gehen ab." Der Zustand der Insel, auf welcher der fluge Anschlag des schlauen Panurg, der vermuthlich in einer den Papefiguen verhaßten Verkleidung erscheint, ein böses Ende nimmt 1), der Zustand der Insel muß jezt ein ganz anderer geworden, der Fluch des Papstes von ihr genommen oder vielmehr kraftlos geworden sein. Vielleicht haben die Teufel sich des Landes angenommen und den Fluch des Papstes überwunden, und man könnte vermuthen, daß diese auch die unumschränkte Demokratie, das Prinzip der Freiheit und Gleichheit, eingeführt haben, in deffen Darstellung Goethe seinen Humor spielen lassen durfte. Die Darstellung der Freiheit und Gleichheit hätte besonders bei den Beringungen, welche die Inselbewohner vorschlagen, ihre Stelle finden können.

Verfolgen wir den Plan weiter: Fahrt nach Papimanie. Kommen Nachts an. Steigen aus. Maskerade. Machen sich auf den Weg. Nacht. Fangen den Pygmäen. Bringen ihn an's Feuer. Erzählung des Pygmäen. Morgens nach Papimanie. Werden feindselig empfangen. Die Maskerade trägt nichts ein. Erkundigen sich nach der nähern Insel. Erzählung von der Insel der Monarchomanen. Vulkane. Zerspalten der Insel in drei schwimmende Theile. Residenz. Man zeigt sie von fern. Abschied.“ Die Küste der einst gesegneten Insel ist öre und wüst geworden; vermuthlich bewohnen sie jezt die Pygmäen, von denen die Brüder einen fangen. Dieser scheint ihnen vom Kampfe seines Volkes mit den Kranichen erzählt zu haben, wobei Goethe Gelegenheit hatte, auf die Lehre vom Rechte des Stärkern ein Streiflicht fallen zu lassen. Da er aber bei der spätern Ausarbeitung diesen Kampf der Kraniche mit den Pygmäen an einer andern Stelle erwähnt, so würde derselbe, vermuthlich auch der Fang des Pygmäen, bei der Ausführung des Ganzen an dieser Stelle weggefallen sein. Am Morgen gelangen sie zu der tiefer im Lande liegenden Residenz

1) Vermuthlich war es dieselbe Verkleidung, die im zweiten Kapitel beschrieben ist, die eines hohen geistlichen Würdenträgers. Alkides zieht die Ordenstracht eines geistlichen Ritters an. Beide Verkleidungen konnten auf der Insel der Papefiguen nur Mißfallen erregen.

der Papimanen, welche Eutyches früher als ungeheure Steinmassen bezeichnet zu haben scheint. Die Papimanen beschrieb der Dichter wohl als in einen trostlosen Zustand geistiger Trägheit und Verdumpfung unter der bischöflichen Regierung versunken, abgeschlossen gegen alle Bildungselemente, woher sie sich auch den Fremden feindlich gesinnt zeigen. Erschienen die Brüder hier vielleicht als Pilger verkleidet? Ausgeführt hat Goethe die Erzählung des Papimanen von der Insel der Monarchomanen, welche eine reine Erfindung Goethe's ist 1). Die Insel der Monarchomanen war in drei Theile getheilt, die Residenz, die steile Küste und das Land. Die Residenz, auf dem Vorgebirge liegend, war ein Wunder der Welt, zu dessen Verherrlichung sich alle Künste vercinigt hatten. „Hier thronte der König in seiner Herrlichkeit und Niemand schien ihm auf der ganzen Erde gleich zu sein." Nicht weit von derselben begann die steile Küste, auf welcher die Vornehmen. des Reiches wohnten und sich Paläste bauten, vor denen der Schiffer, wenn er sich näherte, verstummte. „Auch hier war die Kunst der Natur mit unendlichen Bemühungen zu Hülfe gekommen, auch hier hatte man Felsen gebaut, um Felsen zu verbinden; die ganze Höhe war terrassenweise eingeschnitten, man hatte fruchtbar Erdreich auf Maulthieren hingeschafft. Alle Pflanzen, besonders der Wein, Citronen und Pomeranzen, fanden ein glückliches Gedeihen; denn die Küste lag der Sonne wohl ausgesezt." Der größte Theil der Insel war Ebene und fruchtbarer Boden, den das Landvolk sorgfältig bebaute. Es war ein altes Reichsgeset, daß der Landmann für seine Mühe einen Theil der erzeugten Früchte, wie billig, genießen sollte; es war ihm aber bei schwerer Strafe untersagt, sich satt zu essen, und so war diese Insel die glücklichste von der Welt. Der Landmann hatte immer Appetit und Lust zur Arbeit. Die Vornehmen, deren Magen sich meist in schlechten Umständen befanden, hatten Mittel genug, ihren Gaumen zu reizen, und der König that oder glaubte wenigstens immer zu thun, was er wollte." Aber vor einigen Jahren brach nach wiederholten Erbebungen an der Mittagsseite des Landes zwischen der Ebene und der steilen Küste ein gewaltsamer Vulkan aus, der viele Monate die Nachbarschaft verwüstete, die Insel im Innersten erschütterte und sie ganz mit Asche bedeckte, bis endlich in einer

1) Rosenkranz „Goethe und seine Werke" S. 296 verleitet zu der Ansicht, die Monarchomanen seien schon von Rabelais erwähnt worden.

Nacht alle drei Theile der Insel sich unter einem entseglichen Geprassel von einander trennten und nach verschiedenen Seiten auf dem Meere umberschwammen. Von dem Lande, wie man es nennt, haben wir nie etwas wieder gesehen; die Residenz aber konnten wir noch vor einigen Tagen in Nordosten sehr deutlich erkennen." Es ist unverkennbar, daß hier das Königthum, die Aristokratie und das Volk dargestellt sind, welche, statt in einiger Wechselwirkung zum gemeinsamen Besten zusammen zu wirken, in arger Selbstsucht den gewaltigen Umsturz des Ganzen veranlassen. Das Volf, das sich nicht satt essen darf, sondern der Genußsucht der Vornehmen dienstbar ist, erscheint hier offenbar unterdrückt. Auch zwischen der Aristokratie und der Krone herrscht keine Eintracht, indem jene diese zu schwächen sucht. Goethe will also in der Insel der Monarchomanen den traurigen Zustand eines Staates versinnbildlichen, in welchem die königliche Gewalt von einer selbst= süchtigen, sittenlosen Aristokratie geschwächt, das Volk aber unters drückt und geknechtet ist, aus welchem Zustande der gewaltsame Zusammensturz des Staates hervorgehen muß. Freilich denkt Goethe hierbei zunächst an Frankreich, aber man darf deßhalb nicht mit Rosenkranz sagen, in der Insel der Monarchomanen sei Frankreich geschildert, vielmehr ist sie ein allgemeines Bild einer dem gewaltsamen Umsturze alles Bestehenden entgegeneilenden Monarchie, in welcher des Bürgers hoher Sicherstand" unterdrückt wird, während Sittenlosigkeit und Uebermuth die Macht der Krone und der Aristokratie untergraben. Wie schön Goethe dies später in der natürlichen Tochter zur Darstellung gebracht hat, ist allgemein bekannt; wir erinnern bloß an die Worte Eugenien's :

Diesem Reiche droht

Ein jäher Umsturz. Die zum großen Leben

Gefugten Elemente wollen sich

Nicht wechselseitig mehr mit Liebeskraft

Zu stets erneuter Thätigkeit umfangen.

Die wundervolle Darstellung des Ausbruches der Revolution im zweiten Theile des Faust bedarf einer genauen Darlegung, die wir anderwärts versuchen werden.

Von den Papimanen nehmen die Söhne Megaprazon's Abschied, nachdem sie ihnen einige Rosenkränze, Scapuliere und Agnus Dei hinterlassen haben, die von ihnen, obgleich sie deren genug hatten, mit großer Ehrfurcht und Dankbarkeit angenommen wurden." Zunächst wollen sie der Residenz zusteuern, wobei sie

die Hoffnung hegen, die steile Küste, die sie westwärts schen, abzuschneiden und in ihrer Gesellschaft, wohl gar in einem der schönen Paläste, den Weg dorthin zu vollenden. Im Plane heißt es weiter:,,Sie fahren fort, legen sich bei Windstille vor Anker. Politisiren des Nachts. Schlafen ein. Erwachen, schen die Insel nicht mehr. Schwimmende Einsiedler. Erzählung. Versuche. Anzeige der Residenz. Abschied." Hiervon ist nur ein ausgeführtes Stück erhalten, in welchem die Brüder bei einem Gespräche über den Kampf der Kraniche mit den Pygmäen, bei welchem sich die einen der Kraniche, die anderen der Pygmäen annehmen, von wildem Schwindel ergriffen werden, und sie würden zu Thätlichfeiten übergehen, heilte sie nicht der Schlaftrunk einer Flasche Madeira, die ihnen ein vorüberfahrender Schiffsherr reicht, von dem bösartigen Zeitfieber,,,von dem so viele Menschen jezt heftig, ja bis zum Wahnsinn ergriffen sind." Haltlos ist der Einfall von Rosenkranz, die Flasche Madeira sei schon „die heilige Flasche“ selber; denn daß die Brüder zum Orakel der heiligen Flasche hinfahren, ist durch nichts angedeutet. Goethe, der durch Erfahrung wußte, wie die Verschiedenheit politischer Ansichten die Ruhe und den Frieden zwischen Freunden und jede gesellige Unterhaltung störe, wie sie oft die besonnensten und gebildetsten Leute zu wilder, verleßender Leidenschaft fortreiße, spottet hier mit gutem Humore dieser Zeitkrankheit, in welcher sich auf das schlagendste zeigt, wie sehr die Politik die Köpfe zu verwirren vermöge. In den Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten“ finden wir denselben Gedanfen in der Einleitung ausgeführt. Wenn nach dem ursprünglichen Plane die Brüder Nachts politisiren", so schwebte hierbei dem Dichter wohl etwas Anderes vor, als das Gespräch über den Kampf zwischen den Kranichen und Pygmäen, dessen er bereits früher Erwähnung thun wollte, wie wir oben bemerkten. Wer aber sind die schwimmenden Einsiedler?" Man könnte hierbei im Gegensaße zu dem jezigen politischen Kampfe an die über allen. Parteien stehenden Männer von besonnenem, ruhigem politischen Urtheile denken, deren es unter der großen Masse so außerordentlich wenige gibt, daß sie mit Recht als „Einsiedler" bezeichnet wer den könnten. Allein gerechtes Bedenken gegen diese auf den ersten Blick sich darbietende Erklärung erregt die Aeußerung des Fremden, der am Morgen nach der Heilung der Brüder vom politis schen Zeitfieber bemerkt: „Es ist eine böse ansteckende Krankheit, die sich sogar durch die Luft mittheilt. Ich wollte wetten, Sie

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