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diesem seine Behauptungen nur so schroff hinzustellen. Es darf ihn daher nicht wundern, wenn man sich zunächst an diese bloßen Resultate hält, so wie es an ihnen selbst sich auch zeigen muß, ob eine vollständige Erledigung derselben, zu der der Verf. Hoffnung macht, für die vorliegende Frage wünschenswerth sei oder nicht.

Im Eingang seiner Schrift redet der Verf. von dem Begriffe der Bildung im Allgemeinen, und den Bildungsmitteln insbesondere, welche lettere er unterscheidet, je nachdem die einen mehr extensiv, die anderen mehr intensiv wirken, wobei er, von der falschen Präfumtion von den verschiedenen Seelenvermögen ausgehend, dem hergebrachten Begriffe von formaler Bildung folgt. Bei der großen Wichtigkeit, die gerade jenes Kapitel der Psychologie für die Pädagogik hat, sollte man meinen, es müßte die falsche Vorstellung von formaler Bildung, die vor langer Zeit Herbart in ihrer Nichtigkeit dargestellt hat, und die nach ihm unter andern auch der einsichtsvolle Mager nicht müde wird, bei jeder Gelegenheit zu bekämpfen *), endlich aufhören. Der Verf. macht nun seine falsche Vorausseßung von Ertensität und Intensität zur Basis seines ganzen Räsonnements, und nimmt von der lezteren, die bei der Wahl der Unterrichtsmittel zuerst und hauptsächlich zu berücksichtigen sei, an, sie seße von Seiten des Bildungsmittels voraus: 1) daß dasselbe einem gewissen Alter, d. h. einer gewissen Entwickelungsstufe zugänglich und faßlich, und 2) daß es in scharf bestimmten Gesezen ausgesprochen sei. So gewinnt er einen freilich nicht ganz richtigen Gesichtspunkt, oder auch einen Maßstab, nach welchem er die alten und neueren Sprachen und Literaturen beurtheilt. Jenen nicht ganz richtigen Maßstab, den der Verf. anlegt, könnte man nun noch allenfalls hingehen lassen, aber, um hier gleich unser Urtheil im Allgemeinen auszusprechen, es muß in hohem Grade befremden, daß er in seinen Behauptungen und seiner Argumentation mit so wenig Besonnenheit verfährt, und blind über die alte Literatur aburtheilt. Man muß über die Keckheit erstaunen, mit der er Autoritäten gerade auf dem Gebiete der vergleichenden Sprachforschung ganz ignorirte und den Erfahrungen von Jahrhunderten fast Hohn spricht. Es frappirt dies um so mehr, da er an vielen Stellen seiner Schrift die unzweideutigsten Beweise von der Unzulänglichkeit der für seinen Zweck erforderlichen Kenntniß der alten Sprachen und Literaturen giebt. Fast ist man geneigt zu glauben, er habe es in seinen Sprachstudien bei einem empirischen Vergleichen bewenden lassen; an einer höhern Einsicht der Spracherscheinungen und deren Entstehung, an ein tieferes Eindringen in den Geist und Gehalt der Schriftwerke scheint es nach dem was vorliegt noch zu fehlen. Wie das gemeint sei, mag er an dem großen Meister Wilhelm v. Humboldt lernen, der nebenbei gesagt, über alte und neuere Sprachen ganz anders urtheilt, als der Verfasser. Wir wollen hier die Fragen nicht weiter urgiren, ob der Verf. sich etwa auch auf langjährige, vielseitige Beobachtung beim Unterrichte in beiden Sprachfächern stüzen durfte. Das Studium der neuern Sprachen und Literaturen auf Schulen ist gewiß auch ein Mittel zur humanen Bildung, und wollen sie sich als solches bewähren, so ist es mit einem blos äußerlichen Vergleichen, und rücksichtslosen Aburtheilen über ihre ältern Schwestern nicht

*) Vergl. in der Revue, Juliheft 1842, p. 54 ff. gegen Ruthardt, u. Unterrichtsplan ic. S. 11 ff. Womit zu vergleichen, was Herbart über harmonische Bildung sagt in f. Umrissen zu pädagog. Vorlesungen §. 60 ff.

gethan; es müssen in der Methodik des Sprach- und Literaturunterrichts erst noch große Schritte vorwärts gethan werden, wozu in neuerer Zeit erst der Anfang gemacht ist.

Nur einige Bemerkungen noch mögen genügen, um die Schrift näher zu charakterisiren, und dem Leser das Urtheil zu erleichtern. Hr. H. wendet sich zuvörderst gegen den Inhalt der Schriften des Alterthums, und stellt, in so weit es sich um Jugendbildung handelt, fünf Gründe zu Gunsten der neuern Literatur auf, die aber vor der Pädagogik nicht stichhaltig, und zum Theil schon so verbraucht sind, daß man nicht begreift, wie Jemand abermals damit hervortreten kann.

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Wir stellen hier den vierten Grund des Verf. absichtlich gleich voran. Die auf die Gegenwart übergegangenen Schriften des Alterthums, heißt es, seien durchaus nicht für die Jugend bestimmt gewesen. Also verlangt der Verf. etwa Jugendschriften in den Schulen? Dann könnte man fragen, mit welchen Schriften der Neueren wir der lieben Jugend aufwarten sollen. Wenn es wahr ist, daß das Beste eben für die Jugend gut genug ist, so wüßte ich keinen Rath, und ich theile ganz die Ansicht, die Mager in der Vorrede über diesen Punkt zu seiner franz. Chrestomathie S. XVI. kurz und bündig ausspricht. Damit findet denn auch gleich der erste Grund gegen die class. Literatur zum Theil seine Erledigung, daß nämlich bei dieser eine nur sehr geringe Zahl von Autoren zur Disposition stehe, während die meisten neueren Sprachen einen großen Reichthum an Werken befäßen, die hinreichenden Stoff zum Zwecke der Jugendbildung böten. Aus dem großen Schiffbruch, den die alte Literatur im Sturm der Zeiten erlitten, ist Gott sei Dank noch mehr übrig geblieben, als die Schule für ihre Zwecke bedarf. Und meint der Verf. weiter, daß sämmtliche Schriftsteller des Alterthums wegen der vielen historischen und antiquarischen Beziehungen für die Jugend schwerer verständlich seien, als die der neueren Sprachen, so müßte-man folgern: Je weniger Interpretation erforderlich, je mehr sich der Inhalt und das Verständniß einer Schrift der ungelehrten, noch kenntnißlosen Jugend von selbst erschließt, desto geringer die Kraftanstrengung, desto größer der Gewinn an sogen. formaler Bildung? Kostet es denn wirklich Lehrern und Schülern so unendlich viel Schweiß, um in der Schule zum Verständniß eines alten Autors zu kommen und wird bei dieser Art des materialen Schulunterrichts, bei den historischen, antiquarischen 2c. Erläuterungen, nicht auch etwas gewonnen, und zwar für die formale Bildung? endlich, ist denn gerade das Beste (was auf die Schule gehört) unter den Neuern auch immer wirklich viel leichter? Drittens wird der Vorwurf der Indecenz im Ausdruck und sonstiger Anzüglichkeiten in den Schriften der Alten wieder zur Sprache gebracht. Die Gefahr vor sittlicher Verderbniß, sei hier wieder dadurch zu umgehen, daß bei den Neueren eine viel reichere Auswahl unverfänglicher Werke zu Gebote stände. Ref. hält sich, was die Alten betrifft, hierbei nicht länger auf; die Pädagogik ist darüber längst im Reinen. Auf der andern Seite aber läßt sich wieder fragen, ob denn das Beste der Neueren, was auf der Schule an die Stelle der Alten treten müßte, gar so unverfänglich ist. Man denke nur z. B. an den Vicar, an Shakspeare an die großen italienischen Dichter und die sittlichen Begriffe ihrer Zeit; der französ. Literatur und der verführerischen Weltanschauung der Nation, die in ihr uns entgegen tritt, nicht zu gedenken. Die Gefahr, die in solchem Falle beim Unterrichte eintritt, hat der Lehrer und der Unterricht

zu verantworten und darum zu verhüten.

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Endlich weist der Verf. fünftens auf das seiner Meinung nach in den neuern Sprachen bei weitem überwiegende ethische Element hin, indem die in den alten Sprachen vorhandenen Schriften hinsichtlich der gemüthlichen Erregung der Jugend den neuerm bei weitem nachständen. "Denn," heißt es, „alles Ethische ist bedingt durch das religiöse Element, das den Geist des Volkes und seiner Schriftsteller durchweht; da dieses bei den Völkern des Alterthums, wenigstens den Griechen und Römern, gar nicht vorhanden war, und erst in dem Christenthume Wurzel faffen und durch dasselbe sich Geltung verschaffen konnte, so müssen wir jeden ethischen Einfluß ihrer Schriften auf die Jugend hiemit aufs Bestimmteste in Abrede stellen. Alle ihre Schriften sind blos auf den Verstand berechnet, und lassen das Gemüth unberührt; es fehlt ihnen jene jugendliche Frische, welche in dem Jünglinge, wie durch ein Wunder, die Gefühle für alles Große und Schöne zu entzünden vermag; es fehlt ihnen jenes herzerwärmende Feuer, jene Innigkeit des Gefühls, welche die Jugend zu großen Vorfäßen und guten Thaten bestimmt; ihre trockenen philosophischen Kontemplationen lassen das Herz kalt und bleiben dem jungen Verstande unzugänglich u. s. w.“ Ref. fürchtet, die gut unterrichteten Leser mögen es ihm verübeln, wenn er durch irgend ein Wort über diese Expectoration des Verf. ihrem Urtheile vorgreift. Dennoch kann er es nicht unterlassen, wenigstens eine Bemerkung zu machen. Hr. H. muß von der Mythologie durchaus nichts wissen wollen. Wer das Wesen des Mythus und seine wunderbar schönen Schöpfungen, besonders bei den Griechen, deren ganze Poesie davon durchzogen ist, kennt, wird doch des ethischen Bildungsstoffes wenigstens in den Dichterwerken in Menge finden; wer im Homer, in den Tragifern u. s. w. nichts Ethisches finden kann, der hat keinen Theil an dem heiligen Vermächtniß der klassischen Literatur; er ist ihrer unwerth, und muß schweigen.

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Begreiflicher Weise läßt sich von Jemandem, der so wie der Verf., den Inhalt der alten Schriftwerke urtheilen kann, um so weniger eine gerechte Würdigung des Werths der alten klassischen Sprachen an sich erwarten, als gerade ihre Mustergültigkeit in der schönen Uebereinstimmung von Form und Inhalt der Gedanken besteht. Wenn daher der Verf., nichdem er auf kaum zwei Seiten es mit dem Inhalte der Schriften des Alterthums abgethan hat, im ganzen übrigen Theile seiner Schrift sich damit befaßt, eine Vergleichung zwischen den sprachlichen Erscheinungsformen der alten und modernen Sprachen anzustellen, um am Schluß jeder einzelnen Partie den neuern Sprachen den Preis zu vindiciren, so lohnt es kaum die Mühe, auf jedes Einzelne noch weiter widerlegend einzugehen. Der Verf. ist mit seinen Belegen so sparsam, daß man höchstens Behauptung gegen Behauptung stellen kann, oder eine ganze Grammatik und Rhetorik der betreffenden Sprachen schreiben müßte, wollte man so Allgemeines bis ins Einzelne bekämpfen. Es ist überdies über die alten Sprachen, als Mittel, zu ächt humaner Erziehung bereits soviel geschrieben, daß es hieße, Holz in den Wald tragen, wollte man darüber noch viele Worte verlieren. Ich erinnere nur an den einen Thiersch, Ueb. Gel. Schulen. Folgen wir indeß dem Verf. noch einige Schritte weiter.

Es ist gleich ein Irrthum, wenn der Verf. deshalb in den alten Sprachen weniger bildenden Stoff finden will, weil der Wortvorrath und damit auch die Masse der Begriffe, die die Alten hatten, beschränkter sei, als bei den Neueren. So richtig das ist, so ließe sich doch wieder Manches in dieser Beziehung zu Gunsten

*

der ersteren einwenden. Aber darauf kommt es hier nicht so sehr an; die Frage wäre vielmehr, ob die Alten in ihrer Sprache alle Mittel gehabt, das was sie dachten und so wie sie es dachten, darzustellen. Das Bildende des Sprachstudiums liegt dann recht eigentlich in der Auffindung der Congruenz von den Gedanken und deren äußerer sichtbaren Form. Hr. H. ist nun aber weit entfernt, diesen Vorzug den alten Sprachen zugestehen. Ihm läuft Alles durcheinander; ste sagen oft in ihnen das Gegentheil von dem was sie sagen wollen, bringen wohl offenbaren Unsinn zu Tage. (p. 40.) Kein Mensch würde doch ganz schiefe Beziehungen, wie summa arbor, elephas animalium maximus u. dgl. Verkehrtheiten und Verstöße gegen richtiges Denken in Schuß nehmen wollen, wenn sie auch Cicero gebrauchte. Das ist eben ein Grundirrthum des Verf., daß er den frei schaffenden Sprachgeist zu eng in die logischen Schranken einzwängt, gleichfam in spanische Stiefeln einschnürt. Jedes Volk hat seine Anschauungsweise! das eine gebraucht bei derselben Vorstellung den bestimmten Artikel, wo das andere den unbestimmten seßt; dieses legt einem Worte das eine, jenes ein anderes Genus bei, und so fort bei unzähligen Spracherscheinungen. Vor den Gefeßen des Dankens würde doch nur eine Weise der Darstellung ihr Recht behaupten können. So aber hat jede Recht; dem Ausdruck liegt, wie in den som Verf. gewählten latein. Beispielen, eine eigene Anschauung zu Grunde; diese soll der Sprachschüler gewinnen, und jemehr sie von der seinigen abweicht, desto besser für ihn, desto größer der Gewinn an formaler Bildung. Wo aber gehen diese Anschauungsweisen mehr auseinander, unter den neuern Sprachen, oder unter den alten, gegen jene gehalten?

Was der Verf. weiter über Orthographie, Orthoëpie und Lautverhältnisse vergleichend ausführt, geschieht mit einer Umständlichkeit die für den fraglichen Zweck ziemlich unnöthig war. Ohnehin ist seine Beweisführung auch hier wenig strict. Es ist mindestens sehr auffallend, daraus z. B. etwas herleiten zu wollen, daß den Alten eine angemessene Interpunktion ganz fehlte, daß man mit ihnen in der Schule nichts anfangen könnte, wenn sich die neueren Sprachen der älteren nicht freundlich angenommen hätten. Die Unsicherheit des Urtheils über Lautung todter Sprachen erkennt der Verf. zwar an; das hindert ihn aber nicht, recht weitläufig seine Vergleichung durchzuführen. Das Resultat ist kurz und gut: das Lateinische und Griechische sind die monotonsten, die neuern Sprachen dagegen durchgängig wohlklingender. Dem sei wie ihm wolle; aber es ist doch zu bedenken, wenn der Engländer, Franzose u. s. w. jeder nach seiner Weise ausspricht, seiner Muttersprache vor allen andern, auch den alten vielleicht, in Rücksicht des Wohlklangs den Vorzug giebt, so ist darum noch keinem eingefallen, auch deswegen jene beiden Sprachen als formales Bildungsmittel herabzusehen. Es wird in Deutschland überall Französisch, Englisch 2c. gelehrt, ohne daß gerade überall die Aussprache das Ohr eines gebildeten Franzosen zc. befriedigen kann?*) Soll, den Uebelstand zugegeben, darum der resp. Sprachunterricht als Mittel jur humanen Bildung auch aufhören an dieser oder jener Schule zu existiren? Gegen die Prosodie und den Accent in den alten Sprachen macht Hr. H. denselben Grund geltend, wie gegen die meisten sprachlichen Formen bei den Alten. Auch hier hätten Zweifel und vage Vermuthungen ein zu großes Feld, als daß dieses Kapital bildend auf den jugendlichen Geist einwirken könnte. Die

*) Leider!!

ganze Lehre vom Accent der alten Sprachen laffe ihrer Unbestimmtheit (?) wegen den Verstand unbefriedigt, sogar unbeschäftigt (!); die gemüthliche Seite im Menschen werde ohnehin gar nicht berührt, und pädagogisch betrachtet, gehöre fle durchaus nicht in die Schule. Es versteht sich, daß der Verf., ohne weitere Beweisführung, von alle diesem für die modernen Sprachen das Gegentheil behauptet. Weil er eben mit den großen Fortschritten auf dem Gebiete der alten Philologie, die der modernen Sprachforschung sicher schon zu Gute gekommen sind und noch mehr kommen sollen, nicht befreundet ist, so geht sein Zweifel zulezt in eine völlige Verzweiflung an den alten Sprachen über. Er sieht in ihnen nichts als Willkühr, Unbestimmtheit, vage Präsumption, denen in den neueren Sprachen völlige Bestimmtheit und Gesezmäßigkeit gegenüberstehe. Was speciell den hier besprochenen Punkt betrifft, wenn man den streng wissenschaftlichen Unterricht von dem schulmäßigen gehörig zu unterscheiden weiß, so ist die Tonlehre der alten Sprache denn doch bestimmt genug, um neben der der modernen Sprachen in der Schule Plaß zu finden. Es kommt ja auch bei diesem materialen Unterricht wieder nur auf die Art und Weise an, wie er gegeben wird, damit der Verstand nicht unbeschäftigt bleibt und die formale Bildung leer ausgehe. Mathematik und Naturwissenschaften find gar schöne Sachen, das weiß Hr. H. so gut wie Einer; bleibt die formale Bildung dennoch hier und dort bei den lernenden Subjecten aus, so liegt das gewiß nicht an jenen selbst.

Hr. H. kommt bei dieser Gelegenheit auf Versification und Poesie der Alten überhaupt zu sprechen. Er verweis't in der alten Poesie das rhythmische Gefeß, und rühmt den großen Vorzug, den die Poesie der Neuern, als überwie gend tonische, in Bezug auf ethische Bildung und gemüthliche Erregung vor der quantitirenden Poesie der Alten voraus habe. Er übersicht in seinem Urtheil die unzertrennliche Verbindung, in welcher Musik und Dichtkunst bei den Alten, wenigstens der Griechen, stand, und durch die jede tonische Dichtung unzulässig sein mußte. Er bedenkt nicht, daß die nie ganz gelungenen Versuche der neuern Sprachen, die antiken Formen der Dichtkunst zu reproduciren, nur ein Geständniß der eigenen Ohnmacht, nur eine Huldigung sind, die sie der überlegenen Schönheit der ältern Schwestern darbringen. Der Verf. urtheilt auch sehr einseitig, wenn er S. 23 sagt: „Der quantitirende Vers ist lediglich ein Product des Verstandes; dieser kalte berechnende Verstand tritt uns auch in allen Dichtungen des griechischen und römischen Alterthums fast ohne Ausnahme entgegen; kein dichterischer Schwung, keine Abstraction von den wirklichen Zuständen, kein Erheben des Gefühls in eine höhere Region; es fehlt durchweg jene Innigkeit und Gluth, welche die morgenländische Dichtung erwärmt, so wie jenes tiefe religiöse Element, welches in der hebräischen Poesie begann, und erst im Christenthume in seiner größten Erhabenheit sich entfalten sollte. Nirgends ist bei den Griechen und Römern ein Streben wahrzunehmen, durch Beziehungen der Lautformen auf einander Harmonie hervorzubringen u. s. w." Noch mehr. Hr. Seussi geht so weit, daß er die Dichter des classischen Alterthums gar nicht als solche gelten läßt. Wenigstens muß man das von ihm annehmen, wenn er sagt, erst im Mittelalter habe man die Wiege der Poeste zu suchen. Wie einseitig! Lassen wir die römische Poesie, die weniger ausgebildet im Ganzen nur ein Rachhall der griechischen bleibt, und auf die, wenn man einmal wollte, des Verfassers Worte theilweise und mit einigem Recht Anwendung finden könnten aus dem Spiele, und verweilen einen Augenblick bei der griechischen, insbesondere der

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