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Nachdem der Leser in den verschiedenen Paragraphen nach den verschiedenen Literaturfächern hin und her in ältere und neueste Zeit geworfen ist, werden wir endlich mit Goethe und Schiller bekannt. Wer Schiller nicht kennt, muß sich ein ganz seltsames, kümmerliches Bild von demselben entwerfen, wenn er von ihm liest S. 266: „Schillers Entwicklung ist der Goethe's in vielen Hinsichten entgegengesezt; wie dieser von äußern Anschauungen und vom Gegebenen ausging, der Wahrheit und Wirklichkeit lebte und in die Natur sich vertiefte, so lebte Schiller ein innerliches, nachdenkliches und Gemüthsleben, welches durch seine gedrückte Jugend genährt wurde, lebte und webte in Gedanken und selbstgeschaffenen Urbildern und versenkte sich in die Kantische Weltweisheit; es bedurfte eines rastlosen und mühevollen Ringens und unablässigen Kampfes, ehe er zur Klarheit und Naturwahrheit, zum Einklange mit sich felbft und zur Versöhnung zwischen Weltweisheit und Dichtung gelangte, wozu ihm besonders der klare und ruhige Goethe behülflich war." An die beiden Heroen schließen sich nun gleich als würdige Nachahmer: Babo, Raupach, Gehe, Döring, Maltiß, Auffenberg, Birchpfeiffer; §. 502 macht uns sogar mit einer Tyroler Schuhmacherwittwe Anna Prizinn bekannt, die, wie Lewald in seiner Schrift über Tyrol erzählt, Schauspiele dichtet und aufführt, und §. 504 und 505 mit den Berliner und Wiener Schauspie lern: Ed. Devrient, Louis Angely, Louis Schneider, Roderich Benedix u. s. w., nicht zu vergessen die §. 507 mit Geburts- und Todesjahr genau aufgezählten Operntextverfasser.

Was die Prosa betrifft, so ist unter den Historikern der va terländischen Geschichte Perz §. 517 mit aufgeführt, unter den Schriftstellern der allgemeinen Literatur-Geschichte und Alterthumskunde und Geschichte der Künste und Wissenschaften: von Ammon wegen der „Fortbildung des Christenthums zur Weltreligion,“ eben hier Spengel, Gmelin, Poppe u. A., von deren Werken ich schon oben gesprochen habe.

Von der Geschichte geht der Verf. auf die Erdkunde und Reisebeschreibungen über, von diesen aber zum Roman (erdichtete Erzählung), nennt zuerst die Familienerzählungen, die empfindsamen, darauf die düstern und schaurigen Erzählungen nebst den Ritter= und Räuberromanen, und findet hier Gelegenheit, den Schüler mit dem Leben der großen Autoren Cramer, Spieß, Schlenkert und Velpius bekannt zu machen. - Andere Volksschriftsteller, wie Beck

mann als Verfasser des Eckensteher Nante und Brennglas, hat er als zum niederdeutschen Schriftenthum gehörig §. 567 aufgeführt.

In dem Anhange zu den niederdeutschen Literaturen S. 408. fgg. §. 782, welcher die germanische Sprachforschung behandelt, wird auch als merkenswerth D. L. B. Wolff, und Wilhelm Wackernagel, Verf. des Buches „das deutsche Kirchenlied" genannt, wogegen S. 221. Anm. 18. zu vergleichen ist.

Herford.

Hölscher.

Die deutsche Literatur in Frankreich.

De l'Allemagne moderne, par Emile Frensdorff. Paris, J. Renouard, 18 302 S.

Die belgischen Gelehrten hätten eigentlich eine schöne, dankenswerthe Mission zu erfüllen, wenn sie gewissermaßen das Vermittleramt zwischen deutscher und französischer Literatur zu übernehmen bedacht wären. Ihre Stellung und zum Theil selbst stammverwandte Interessen sezen sie mit Deutschland in nähere Verbindung, und es könnte ihnen, wenn sie, statt sich dem französischen Geiste gänzlich gefangen zu geben, den Erscheinungen unserer Literatur mit einiger Aufmerksamkeit folgten, nicht schwer werden, der Ausbreitung deutscher Studien, namentlich in Frankreich, recht förderlich zu sein. Bis jezt sind sich nur äußerst wenige Schriftsteller Belgiens dieser Aufgabe, diesem ehrenvollen Ziele bewußt gewesen. Vor allen denjenigen, welche etwa in diesem Sinne an der Spiße einer deutschen Propaganda stehen, muß der treffliche Ahrens genannt werden, dessen Name nicht unberührt bleiben sollte, wenn man von den Fortschritten redet, welche die deutsche Philosophie in Frankreich macht. Nicht allein durch gediegene, aus gründlichem Studium hervorgegangene Werke, sondern auch durch die Macht des lebendigen Wortes hat er sich um die Verbreitung unserer Literatur, namentlich der philosophischen Disciplinen der= selben, wesentliche Verdienste erworben. Ihm hat man es vorzugsweise zu verdanken, daß jeßt das Krausische System, dessen Anhänger er ist, nicht allein in Belgien eine nicht unbeträchtliche Zahl fleißiger und einsichtsvoller Schüler zählt, sondern selbst in Frank

reich, das erst in neuerer Zeit angefangen hat, der strengern Glies derung unserer Philosophie einigen Geschmack abzugewinnen, sehr in Aufnahme gekommen ist.

Der Verfasser der oben bezeichneten Schrift reiht sich auf eine würdige Weise an Ahrens an, nur daß er, während dieser sich mehr der strengen wissenschaftlichen Behandlung gewidmet hat, vorzugsweise die rein literarische und publicistische Seite Deutschland's in's Auge faßt. Auch Frensdorff ist, wie Ahrens, Lehrer an der Brüsseler Universität, so wie auch Beide aus Deutschland gebürtig sind.

Das vorliegende Werk: »De l'Allemagne moderne," welches aus einzelnen, zum Theil bereits in der "Revue nationale de Belgique" erschienenen Auffäßen besteht, wird uns, wie es in den einleitenden Vorbemerkungen heißt, nur als Vorläufer einer größern, einheitlichern Arbeit (qui présenterait une autre unité encore que celle des principes) geboten, welche der Verfasser zu veröffentlichen gedenkt, wenn diese erste Gabe eine ermunternde Aufnahme findet. Wir unsererseits können ihn nur auffordern, dieses umfassende Werk erscheinen zu lassen, indem schon diese ersten Proben zu nicht geringen Erwartungen berechtigen. Er verbindet -man muß es ihm nachrühmen mit einer genauen Kenntniß des literarischen Details einen umfassenden, festen und unparteiischen Blick über den ganzen Gang anserer literarischen Entwickelung, und dabei hat er sich die französische Leichtigkeit in der Behandlung selbst schwieriger Partien in einem seltenen Grade angeeignet. Viels leicht würde mancher deutsche Leser leicht versucht werden, zu glau beu, die hier und da etwas skizzenhafte Darstellung, die sprunghafte Lebendigkeit der Erzählung, die zum Theil etwas schillernden · Phrasen könnten die ernstere Haltung der Schrift beeinträchtigen; aber wer nur irgend in die Composition französischer Werke von diesem Gepräge etwas tiefer eingedrungen ist, und wer den Ges schmack des französischen Publikums zu würdigen versteht, wird es uns einräumen, daß Frensdorff mit großer Geschicklichkeit den Ton getroffen hat, der - wenn das Werk seinen Zweck nicht verfehlen sollte angeschlagen werden mußte.

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Nach diesen mehr den Gesammteindruck des Werkes bezeich= nenden Andeutungen wenden wir uns zu einer kurzen Aufzählung der besonderen Aufsäge, welche es enthält, indem ein näheres Eingehen auf die Einzelheiten hier unstatthaft erscheint. Die erste

Nummer ist dem Jugendleben Göthe's gewidmet (la jeunesse de Goethe). Der Verfasser hat bei diesem Artikel die besten deutschen Quellen mit sicherm Takte benußt und die einzelnen Andeutungen, welche er hier fand, mit Gewandtheit verarbeitet. Die Wahl des Stoffes ist um so mehr zu billigen, als eine dokumentirte Darstellung vom Jugendleben unsers großen Meisters dazu dienen kann, die phantastischen Vorstellungen, welche man in Frankreich naments lich von der Bühne herab über einige Begebenheiten dieses reichen Lebens verbreitet hat, auf ihr richtiges Maß zurückzuführen. In dem zweiten Auffage erhalten wir eine kurze Geschichte von der Entstehung und Ausbreitung des Deutschkatholicismus (le nouveau catholicisme allemand), welche von einem ruhigen und gewiegten Urtheile über diese vielbesprochenen Bewegungen getragen werden. Die Charakteristik des beliebten Schriftstellers Heinrich Zschokke erscheint zwar im Verhältniß zu den übrigen Aufsägen etwas umfangsreich; aber sie ist so lebendig geschrieben, daß der Leser ihr die größere Ausdehnung nicht zum Vorwurfe anrechnen wird. In der folgenden Skizze über die politische Poesie der Deutschen (les poétes politiques) fehlt es nicht an einschneidenden Bemerkungen und einer lebhaften Polemik, obgleich man im Ganzen dem Urtheile, welches der Verfasser über die betreffenden Autoren und über die ganze Bedeutung der politischen Poesie fällt, beipflichten kann. Der Aufsaß über H. Heine wird uns nur als Fragment geboten, da in der That zur abgerundetern Charakteristik Heine's, der sich, ungeachtet man ihn schon so oft begraben hat, doch immer noch regt, die Zeit wohl noch nicht gekommen ist. Recht anziehend haben wir die mit Ueberseßungsproben gezierte Analyse der lieblichen Hebel'schen Volkslieder (les poésies populaires de Hebel) gefunden, um so mehr, als darin einige andere Schriftsteller, welche entweder unmittelbar für das Volk schrieben oder doch, wie Auerbach, Rank und andere ihre Stoffe der volksthümlichen Sphäre entnahmen, auf eine angemessene Weise gewürdigt werden. Am beziehungsreichsten für uns dürfte der lezte Artikel sein. Derselbe bespricht die Art und Weise, wie Deutschland von den Franzosen beurtheilt wird (l'Allemagne jugée par la France). Der Verfasser hat, wie aus manchen Andeutungen hervorgeht, bei der Abfassung dieses Aufsaßes wohl nicht allein französische Leser im Auge gehabt. Er nimmt in dieser Darstellung besondern Bezug auf die Urtheile von Quinet, St. René Taillandier, Ph. Chasles und Michiels, berichtigt besonders die vielfach verbreitete irrthümliche

Ansicht, als stehe die Staël in ihrem »De l'Allemagne« nicht auf eigenen Füßen, würdigt die Bestrebungen eines Ampère und Martin, zeigt auch, was Heine und Börne für Deutschland bei der französischen Lesewelt gethan haben und nimmt besonders Blaze, bei dem deutsche Krtiker gewöhnlich mehr guten Willen als Einsicht und Urtheilskraft anerkannt haben, wegen der Angriffe, welche dieser um unsere Literatur vielfach verdiente Schriftsteller erlitten hat, recht energisch in Schuß. Indem wir auch hier dem gesunden Urtheile des geehrten Verfassers volle Anerkennung zu Theil werden lassen, sprechen wir schließlich noch einmal den Wunsch aus, daß es ihm gefallen möge, mit seinem in der Einleitung verheißenen Werke bald hervorzutreten und überhaupt das Ziel, welches er sich bei seinen literarischen Arbeiten gesteckt hat, mit der Ausdauer eines seiner redlichen Absichten bewußten Strebens muthig zu verfolgen.

Bernburg.

G. J. Günther.

Die Märchen des Clemens Brentano. Zum Besten der Armen, nach dem lezten Willen des Verfassers, herausgegeben von Guido Görres. 2 Bände. Stuttgart und Tübingen. I. G. Cotta’scher Verlag. 1846.

Mit diesem Buche hat die Verlagshandlung dem deutschen Publikum zum lehtèn Christfest einen gar fröhlichen, lieben Weihnachtsgast zugesendet. Auch bei dem Schreiber dieses hat er ange= klopft, und freundlichst von ihm willkommen geheißen, hat er durch seinen unschuldigen, frommen Kindersinn, durch sein freundliches Geplauder, durch seine unverwüstliche Heiterkeit und unermüdliche Beweglichkeit viel dazu beigetragen, daß mitten aus der Last ernster Arbeiten heraus doch die rechte Feier- und Christtagsstimmung gefunden wurde, und daß nun mitten in dem düstern kalten Winter die Tage dieses Festes ein sonniger, warmer, grünender und blühender Plaz freundlich glänzend vor der Erinnerung dastehen. Es ist eine Pflicht der Dankbarkeit, deren ich mich entledige, gegen Vater und Pfleger des lieblichen Kindes, wenn ich erzähle, wie viel Freuden es zu bringen vermag, und ich hoffe durch diese Erzählung wiederum den Dank der Leser mir zu verdienen.

Sehr wahr hat ein Mann, der den Geist und das Herz unseres Volkes kennt und liebt, wie kein anderer, vom Märchen

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