Page images
PDF
EPUB
[ocr errors]

Das zulezt erwähnte Gedicht veranlaßt mich schließlich zu der Bemerkung, daß man kein Bedenken tragen dürfe, zur Zurückführung auf die Quelle auch so schlichte, leichtverständliche, eigentlich der untern Lehrstufe des deutschen Unterrichts angehörige Gedichte, wie das genannte, auszuwählen. Es ist dies gerade recht anzurathen, damit die ältern Schüler zur Ueberzeugung gelangen, daß auch die einfachsten Gedichte für sie noch einen reichen Bildungsstoff enthalten, und damit ihnen der Dünkel fern bleibe, als sei die Lectüre der untern Klassen für sie nicht mehr gut genug.

V.

Die Ballade vom Eremiten.

Von Oliver Goldsmith.

"

Kaum sind wohl irgendwo schönere, ergöglichere FamilienGemälde zur verdienten Bewunderung nicht verbildeter Leser ausgestellt worden, als in dem durch ächten, glücklichen Humor ausgezeichneten, so oft mit neckischer Selbstironie_schmackhaft gewürzten Vicar of Wakefield" des trefflichen Oliver Goldsmith, einem Romane, in welchem mit lieblicher Feinheit der Beobachtung, seltener Wärme, Tiefe und Innigkeit, Wahrheit und Richtigkeit der Reflexion absonderlich die Lächerlichkeiten, Verkehrtheiten und Thorheiten der gewöhnlichen Erziehung, namentlich der weiblichen, höchst ergöglich bloßgestellt werden, so daß dem trefflichen Werkchen die gerechte Anerkennung nur ven Seiten derer entgehen. dürfte, welche sich die eben so leichte, als traurige Aufgabe gestellt haben, nichts zu bewundern. Die schwedische Verfasserin der „Nachbaren" hat in ihrem Romane „das Haus, oder die Familiensorgen und Familienfreuden“ den in seinem Werthe von ihr sicher anerkannten englischen Roman nachzuahmen, ohne Erfolg sich bemüht, und die Werthschäzung, die noch jezt dem gediegenen, romantischen Miniaturgemälde," wie es Lord Byron nennt, zu Theil wird, gibt sich u. A. auch darin kund, daß, nachdem zuerst der Vicar of Wakefield faum einen Verleger fand, der ihn nach zaghaftem Bedenken des Drucks würdigte, er noch jüngst in französischen, italienischen und deutschen Uebersehungen, zum Theil dem modernen Geschmacke gemäß mit Jllustrationen ausgestattet, erschienen ist. Unter den leztgedachten ist die von Susemihl, mit Illustrationen von L. Richter herausgegebene Ueberseßung mit der nicht wohl zu unterdrückenden Bemerkung zu erwähnen, daß in diesem zu vielseitigem Genusse bestimmten Werke die wünschenswerthe Sorgfalt, Geläufigkeit und Reinheit des Ausdrucks leider zum Oeftern vermißt wird.

Vorzüglich befremdend war für den Unterzeichneten die Wahrnehmung der höchst auffallenden Steifheit, Ungenauigkeit, Geschmacklofigkeit, ja der oft zügellosen Willkühr, so wie der argen metrischen und prosodischen Verstöße, wodurch der gedachte Ueberseßer die schöne Ballade vom Eremiten an so vielen Stellen wahrhaft verunstaltet hat. Bei näherer Vergleichung mit dem herrlichen Originale, so wie auch mit der nachstehend mitgetheilten, dem englischen Texte sich möglichst genau anschließenden, schon vor mehreren Jahren aus innigem Wohlgefallen an dem Originale hervorgegangenen Uebersehung des Unterzeichneten wird sich die Richtigkeit der ausgesprochenen Rüge sicher genügend herausstellen, wobei immerhin billiger Weise anerkannt wird, daß bei einer Sprache, wie die eng= lische, welcher Präcision, ja Kargheit in Worten vor allen eigenthümlich ist, jedes schmückende Beiwort, jede unwesentliche Färbung des Ausdrucks in der deutschen Ueberseßung metrischer Stücke unmöglich wiedergegeben werden kann, wenn nicht die Zahl der Verse ungebührlich ausgedehnt werden soll, weshalb denn auch der Unterzeichnete in der nachstehenden Ueberseßung sich der Lösung einer so rigoristischen Aufgabe zu entschlagen keinen Anstand genommen hat.

Die besonders auffallenden oder rügenswerthen Strophen und Stellen der Uebersezung von Susemihl wollen wir unter der unsrigen, nach der Strophenzahl geordnet, zur Vergleichung mittheilen.

[blocks in formation]
[blocks in formation]

10) Es lag an einem wüsten Ort

Das Hüttchen, still und fern;
Es fand der Arme Hülfe dort,
Verirrten half es gern.

11) Die Habe unterm Dach von Stroh
Ließ ohne Sorgen sein;

Durch eine Klinkthür traten froh
Sie in die Hütte ein.

12) Und zu der Zeit, wo jedermann
Sich müde sehnt nach Rast,
Der Klausner macht ein Feuer an
Dem ernstgestimmten Gast.

13) Er trägt ihm auf ein Kräutermahl,
Das er ihm liebreich beut,

Und freundlich durch der Mährchen Zahl
Verkürzt er ihm die Zeit.

5) Mein Binsenbett und nüchtern Mahl, Segen und Ruh sind Dein.

10) War Armen Schuß in Noth und Plag, (1), Wandrern ein Zufluchtsort.

12) Jezt, wo der Städter bunte Schaar

Zum Schmause eilt in Hast, ic.

Welche Lesart mag dieser Ueberseßung zum Grunde gelegen haben?

[blocks in formation]
« PreviousContinue »